Olivia Kleinknecht

Vita

Olivia Kleinknecht, geboren 1960 in Stuttgart, ist Juristin. Seit 1994 schreibt sie Romane und Sachbücher und publizierte u.a. bei der Frankfurter Verlagsanstalt und S. Fischer. Mitglied A.d.SPENESSWE, Syndikat.

Aktuelles

Leseprobe aus meinem Kriminalroman "Der Pflegefall" - S. 38f - erschienen am 30.04.2018


 


„Wissen Sie, was der Mann alles verbrochen hat?“


„N-nein.“


Nellas Augen werden groß. „Er hat alleinstehenden alten Witwen, die niemanden hatten, der sich um sie kümmert, ihre Wohnungen und Häuser abgekauft. Für ʻnen Appel und ʻn Ei. Die Leutchen waren auch noch froh, dass er sie im Altersheim unterbrachte und sich um alles kümmerte. Eine der Villen im Zentrum war drei Millionen wert, und er hat der Alten vierhunderttausend gegeben.“


„Woher wissen Sie das?“


„Er hat vor mir damit geprahlt! Ich hab mich dann spontan entrüstet. Ich kannte das Haus und mir rutschte raus: Das ist doch viel zu wenig! Wissen Sie, was er geantwortet hat?“


„N-nein?“


„Für die Frau ist das viel. Die braucht nicht mehr.“


Ich blicke auf die Hörnchen und will keines mehr nehmen.


Nella ist jetzt richtig in Fahrt: „Und das ist noch das Geringste. Wenn ich Ihnen erzähle, wie er …“


Herr Brunt brüllt aus dem Salon. Ich eile hinüber. Er sieht mich an, als erkenne er mich nicht. „Noch mehr Kaffee!“ Dann wendet er sich gleich wieder der Nachrichtensprecherin zu. „Du dummes Biest! Kannst doch keinen Satz ohne dieses dämliche Grinsen sprechen. Fotze! …“ Er wird immer lauter. Bis sein Gesicht in einer, mir fällt das Wort teuflisch ein, in einer teuflischen Verzerrung zuckt.


Ich eile verwirrt Richtung Küche und stolpere fast über Nella, die mir gefolgt ist.


„Sehen Sie. So ist er wirklich.“


„Dr. Jekyll und Mr. Hyde?“


„Was?“


„Hat er eine psychische Störung?“


„Was für eine soll das sein?“


„Er ist wie zwei Personen mit gegensätzlichen Charakteren, und die eine weiß nicht, was die andere tut.“


„Quatsch. Er ist immer derselbe. Er verstellt sich nur!“


Ich nicke und stelle erst jetzt fest, dass ich weniger Angst vor Nella habe. Warum habe ich weniger Angst vor ihr? Weil sie Herrn Brunt vielleicht zu Recht vergiftet? Macht das einen Unterschied? ‒ Ich setze mich seufzend wieder an den Kaffeetisch und tunke ein Hörnchen in den kalten Kaffee. Ich habe plötzlich Hunger. ‒ Für mich anscheinend schon.


*


Als ich Herrn Brunt dusche, weiß ich nicht, wie ich mich verhalten soll. Obwohl ich die Wassertemperatur genau wie gestern eingestellt habe, mault er, es sei zu kalt. Ich stelle aus Angst nur geringfügig wärmer, schon schreit er: „Zu heiß!“ Ich drehe genauso wenig wieder zurück. Jetzt beklagt er sich nicht mehr.


Als ich ihn zum Anziehen und Eincremen auf seinem Bett sitzen habe, flüstert er: „Machen Sie die Tür zu.“


Ich zucke im ersten Moment zusammen, denke, jetzt beschimpft er mich. Dann begreife ich und eile zur Tür.


Wir sind alleine im Zimmer, und er sagt leise: „Ich tu nur so.“


„Wie?“


„Wenn ich schimpfe, dann ist das gespielt.“


„A-aber warum?“


„Die Schmitts sollen mich für bösartig halten.“


Ich sehe Herrn Brunt an. Ich verstehe nicht, auf was er hinauswill.


„Denken Sie, ich will, dass die Schmitts freundlich zu mir sind? Das könnte ich schwer ertragen.“



 


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Zuletzt durch Olivia Kleinknecht aktualisiert: 18.05.2018

Literaturport ID: 921