Rolf Lappert

Vita


Eintrag: Wikipedia


Rolf Lappert wurde am 21. Dezember 1958 in Zürich geboren und wuchs in Zofingen und Olten auf. Er verließ die Schule mit 16, um in Basel für ein Jahr die Kunstgewerbeschule zu besuchen, und machte danach eine Ausbildung zum Grafiker in einer Werbeagentur in Aarau. Zwischen 2000 und 2011 lebte Rolf Lappert als freier Schriftsteller in der irischen Stadt Kenmare, Grafschaft Kerry. Davor verbrachte er einige Jahre in Frankreich und Deutschland. Seit September 2011 ist er wieder in seiner alten Heimat, der Schweiz, anzutreffen, wenn er nicht gerade irgendwo unterwegs ist.

Mit 20 Jahren begann Rolf Lappert Romane und Gedichte zu verfassen. Anfang der 1980er Jahre legte er mit Folgende Tage (1982) seinen ersten Roman vor. Ebenfalls in diesem Jahr erschien sein Gedichtband Die Erotik der Hotelzimmer. 1984 folgte der zweite Roman mit dem Titel Passer, 1986 der zweite Gedichtband Im Blickfeld des Schwimmers. Alle vier Bücher erschienen im Basler Verlag Nachtmaschine des Verlegers Matthyas Jenny.

Er unterbrach das Schreiben, um gemeinsam mit einem Freund einen Jazz-Club in einem ehemaligen Kino in Aarburg zu gründen. Der Club war 4 Jahre später bankrott, dafür hatte Lappert wieder Zeit zum Schreiben. 1994 Jahre legte er mit Der Himmel der perfekten Poeten erneut einen Roman vor. Dieser sollte der erste Teil einer Amerikanischen Trilogie sein, dem im Jahr 1995 der zweite Band mit dem Titel Die Gesänge der Verlierer folgte. Hier der Klappentext zu Die Gesänge der Verlierer: "Tyler ist Manager einer mittelmäßigen Rockband im Londoner East End. Sein Job ist nicht sonderlich lukrativ, er hält sich mit diversen Jobs über Wasser. Als sich endlich Erfolg abzeichnet und die Plattenfirma Geld in einen Videoclip stecken will, verschwindet der exzentrische Sänger der Band. Dass Tyler ihn schließlich in Los Angeles findet, löst keine Probleme - im Gegenteil: Banks verweigert jede weitere Zusammenarbeit und Tyler sieht sich zum ersten Mal in seinem Leben gezwungen, ernsthaft über sein Leben und das, was andere Zukunft nennen, nachzudenken. Auf der Flucht vor sich selbst und vor einer Entscheidung fährt er ziellos mit dem Mietwagen durch die Südstaaten der USA - bis sich am vermeintlichen Tiefpunkt seines Lebens überraschend ein Neuanfang ergibt. Mitreißend und mit trockenem Humor erzählt Rolf Lappert von gescheiterten Aufbrüchen und der beharrlichen Überlebenskraft einiger Helden, die keine sind." Beide im Verlag Nagel & Kimche erschienen Romane wurden von der Literaturkritik sehr gut aufgenommen:

"In poetischer Sachlichkeit vermitteln "Die Gesänge der Verlierer" ein Bild der USA, wie sonst nur die nordamerikanische Literatur selbst es hervorzubringen vermag."
Daniel Rothenbühler, Tages-Anzeiger, 29.03.1995

"Lappert lässt sich Zeit für die Geschichte. "Die Gesänge der Verlierer" beweist, dass er den Atem dazu hat. Fast unmerklich entwickelt sich das Bild eines Suchenden, der sich immer wieder in sich selber verstrickt."
Die Weltwoche, 15.06.1995

"Hier brilliert Lappert mit atmosphärisch dichten Amerika-Bildern und phantastischen Einfällen, die seine Story dynamisieren. Ihm ist auch mit seinem zweiten Amerika-Roman ein fesselndes Buch gelungen, dessen Sogwirkung so stark ist, dass man beim Lesen keine Unterbrechung duldet. Lange genug hat man unter den Autoren der jüngeren Generation einen realistischen Erzähler vermisst, der nicht nur über Phantasie, sondern auch über einen luziden und unprätentiösen Stil verfügt."
Michael Braun, Basler Zeitung, 17.03.1995

1996 unterbrach Lappert das literarische Schreiben erneut, um zusammen mit seinem Co-Autor Klaus Rohne während 7 Jahren 65 Folgen einer Sitcom für das Schweizer Fernsehen zu schreiben. Die Serie, in der es um einen eitlen Möchtegernromancier und einen verhinderten Weltenbummler geht, die sich eine enge Wohnung teilen, war ein Publikumsrenner und erzielte regelmäßig Traumeinschaltquoten. Während dieser Zeit als Drehbuchautor schrieb Lappert nur sporadisch am dritten Band der Amerikanischen Trilogie weiter, doch statt ihn zu beenden, begann er 2005 mit der Arbeit an einem Roman, der 2008 unter dem Titel Nach Hause schwimmen im Münchner Hanser Verlag erschien. Im Klappentext des Buches heißt es: "Wilbur, gerade mal 1,50 Meter groß, ist wirklich kein Glückskind: Seine irische Mutter stirbt bei der Geburt, sein schwedischer Vater macht sich aus dem Staub, und sein erstes Zuhause ist der Brutkasten. Erst als seine Großeltern ihn nach Irland holen, erfährt er, was Heimat ist. Doch das Glück währt nicht lang: Sein bester Freund kommt in die Erziehungsanstalt, und seine Großmutter Orla stirbt bei einem Unfall. Auch wenn er gern so stark wäre wie Bruce Willis: Er ist und bleibt ein Verlierer. Erst die charmante Aimee bringt ihm etwas anderes bei: Wilbur muss endlich lernen, zu leben – ob er will oder nicht. Rolf Lappert hat einen großen Roman über das Erwachsenwerden eines kleinen, an der Welt verzweifelnden Jungen geschrieben, der durch seine bezwingende Komik mitreißt." Das Buch wurde zum großen Erfolg, schaffte es auf die shortlist für den Deutschen Buchpreis und wurde im November 2008 mit dem erstmals verliehenen Schweizer Buchpreis ausgezeichnet. Die Kritiken waren fast einhellig voll des Lobes:

"In diesem fast märchenhaften Bildungsroman waren die Schlachten der Erfahrung nicht umsonst."
Walter van Rossum, ZEIT, 10.07.2008

"Rolf Lappert hat einen grandiosen irisch-amerikanischen Roman geschrieben, der so leicht kein Pendant in der deutschsprachigen Gegenwartsliteratur findet. ... Ein Füllhorn von kleinen und großen Geschichten."
Rainer Moritz, Welt Online, 28.06.08

"Es ist nicht ein Buch, es sind viele kleine Bücher in einem großen. "Nach Hause schwimmen" erzählt tausend Geschichten rund um diesen unglücklichen Menschen Wilbur. Jede einzelne ist schwer und leicht zugleich - zum Lachen und zum Heulen. (...) Ein Buch, das mich beim Lesen beinahe süchtig gemacht hat, denn ich war so hingerissen, dass ich es am liebsten in einem Rutsch gelesen hätte."
Christine Westermann, Frau TV im WDR, 04.06.2008

"Nach Hause schwimmen" ist ein verrücktes, faszinierendes Märchen, dem sein Autor, bei aller Tragik, ein versöhnliches Ende gegeben hat, ein Happy End. Zugleich ist es Rolf Lappert gelungen so zu schreiben, dass wir, auch wenn wir hinten schon mal nachgesehen haben, immer noch weiter lesen, weil es so schön geschrieben ist. Das ist selten."
Bayerisches Fernsehen, Lese:zeichen, 27.04.2008

"Der Schweizer Autor, der auch Drehbücher schreibt, besitzt sämtliche Tugenden eines  wirklich guten Handwerkers. Sein Roman ist ein Meisterstück. ... Lappert hat jede Menge skurrile Einfälle, die er durch eine starke Handlung im Zaum hält. Er findet wunderbare Worte, Wendungen, Sätze. Und er stimmt seinen Roman auf einen lakonischen Grundton, den er geschickt nach oben und unten modelliert."
Meike Fessmann, Süddeutsche Zeitung, 15.03.08

"Rolf Lapperts Held ist ein ausgemachter Neurotiker, aber so charmant, dass man schon nach wenigen Seiten wissen möchte, wie es in seinem Leben weitergeht. Doch nicht nur er trifft den Leser ins Herz, sondern auch Lapperts Sprache: Der Schweizer malt die schönsten Metaphern und erinnert in Wortwitz und Fabulierlust an Meister wie John Irving. Fazit: Dieser abenteuerliche Entwicklungsroman hat das Zeug zum absoluten Lieblingsbuch."
Elke Serwe, Für Sie, 15.03.08

"Was für ein mutiges Buch - und was für ein grosser Wurf. Ein Roman, mit unerhörter erzählerischer Großzügigkeit geschrieben: wuchtig, kraftvoll erzählt und kühn erdacht."
Roman Bucheli, Neue Zürcher Zeitung, 19.02.08

"Ein Meisterwerk. ... Die Überraschung dieses Bücher-Frühlings ist ein Schweizer: Rolf Lappert. Ein hochbegabter Erzähler, der unerwartet einen grossen Entwicklungsroman gelandet hat ... Das ist hohe Erzählkunst, die tief reicht und weit geht, viele Existenzen umfassend und Charaktere knapp und scharf zeichnend."
Christine Richard, Basler Zeitung, 07.02.08

Im August 2010 ist sein neuer Roman mit dem Titel Auf den Inseln des letzten Lichts bei Hanser erschienen. Im Klappentext zu dem Buch heißt es: "Die Geschwister Megan und Tobey sind trotz aller Unterschiede auf einzigartige Weise aneinander gebunden. Eines Tages ist Megan verschwunden, und Tobeys Suche nach ihr wird zu einem lebensgefährlichen Abenteuer: Auf einer winzigen philippinischen Insel stößt er auf eine seltsame, im Verfall begriffene Welt. Wissenschaftler und Versuchstiere einer einstigen Forschungsstation für Primaten vegetieren hier vor sich hin, und Tobey kommt einem dunklen Geheimnis auf die Spur, von dem nur Megan die ganze Wahrheit kennt … Nach seinem preisgekrönten Roman "Nach Hause schwimmen" liefert Rolf Lappert, der Autor aus der Schweiz, erneut ein Meisterwerk der Erzählkunst, das die Absonderlichkeiten des Lebens beschreibt und eine faszinierende fremde Welt eröffnet."  

Pressestimmen: "Mit den Schrecken der traurig schönen und heimtückisch grausamen Inselwelt verbindet Lappert das Schicksal zweier Menschen, die das Glück suchen und das Grauen finden. Mit grosser Subtilität entfaltet er die Lebensgeschichte der beiden Geschwister, die aus der irischen Provinz ausbrachen, um anderswo nach Erfüllung zu suchen." Roman Bucheli, Neue Zürcher Zeitung, 17.08.10

"Ein Buch voller Rätsel. Lappert kommt es in diesem Roman auf Stimmungen und Zustände, auf Landschaften und Erinnerungen an. Man ist gefangen von der Atmosphäre, gepackt von den vielen Binnenerzählungen, berührt von Lapperts Vertrauen auf die Macht der Worte." Martin Ebel, Tages-Anzeiger, 17.08.10

"Ein Roman, der den Leser von der ersten Seite an packt und alles daransetzt, seine moralischen Botschaften unaufdringlich zu vermitteln." Rainer Moritz, Die Welt, 18.09.10

Im Februar 2012 ist Rolf Lapperts erstes Buch für jugendliche Leserinnen und Leser erschienen: Pampa Blues erzählt die Geschichte des 16-jährigen Ben Schilling, der in einem winzigen Kaff in der nordostdeutschen Provinz sitzt und sich um seinen demenzkranken Großvater Karl kümmern muss.

"Die folgenden zwei Nächte las ich. Kein Schlaf, nichts anderes. Und ich las zwei Mal. Und auch beim zweiten Mal war die größte Enttäuschung, dass das Buch auf Seite 252 einfach endete." Lutz van Dijk, Laudatio zum Kinder- und Jugendbuchpreis der Stadt Oldenburg, November 2012

Der 16-jährige Ben träumt von einem Leben in Afrika, doch er sitzt fest in dem kleinen Kaff Wingroden, in dem nichts passiert. Bis eines Tages Lena auftaucht und sein Leben durcheinander wirbelt. Wie sie das tut und welche Rolle ein UFO und sein Großvater Karl dabei spielen, das erzählt Rolf Lappert wunderbar komisch und ernsthaft zugleich und wird hinreißend gut von Robert Stadlober interpretiert.

Das Hörbuch, gelesen von Robert Stadlober, ist in der Reihe Silberfisch bei Hörbuch Hamburg erschienen und hat im April 2012 Platz 2 der hr2-Hörbuchbestenliste belegt

Der Schweizer Rolf Lappert wurde mit seinem ersten Roman Nach Hause schwimmen sogleich mit dem Schweizer Buchpreis ausgezeichnet und dadurch vielen Lesern bekannt. Pampa Blues ist sein erster Jugendroman, doch Lappert erzählt so mitreißend, dass dieser liebevolle Blick auf die kleine skurrile Welt Bens von allen Altersgruppen genossen werden kann. Sein Kümmern um den Großvater, die Lehrzeit, seine ständig abwesende Mutter, die erste Liebe, das alles packt Lappert zu einer großartigen, melancholischen Geschichte zusammen, mit einem guten Gefühl für die unruhige Zeit des Erwachsenwerdens.
Manuela Haselberger, Freie Presse

«Pampa Blues» ist ein exzellent geschriebenes Buch, das auch für Erwachsene interessant ist. Tatsächlich muss man sich fragen, wie viele Jugendliche die Geduld aufbringen für eine Handlung, in der doch lange nicht allzu viel passiert, weil die Festgefahrenheit von Bens Leben im Zentrum steht. Und um das stille Heldentum der Figuren, die feine Komik sowie die kleinen zwischenmenschlichen Feinheiten zu schätzen, braucht es wohl eine gewisse Reife. In der zweiten Hälfte des Buches gewinnt die Story an Fahrt, angetrieben von dem herrlich abstrusen UFO-Schwindel und einer schönen, herbsüßen Love-Story zwischen Ben und Lena. Beeindruckend auch, wie der junge Ich-Erzähler Ben, dessen Lakonie etwas an Salingers «Der Fänger im Roggen» erinnert, eine schlichte Humanität an den Tag legt, etwa im Umgang mit seinem Großvater. Dessen Demenz wird ungeschönt, aber auch mit Humor gezeigt. Am Ende besteht der Held auch eine moralische Herausforderung.
Arno Renggli, Neue Luzerner Zeitung

Lapperts Roman zeichnet sich durch eine melancholische Grundstimmung aus, die jedoch nie ins Rührselige abdriftet. Er bereichert die Geschichte mit absurden Anekdoten und sorgt dafür, dass man stets mit den rückständigen Dorfbewohnern mitfiebert. Lange bevor Ben es sich eingestehen mag, hat der Leser bereits alle Figuren ins Herz geschlossen.
Spiegel online

«Pampa Blues» ist ein mitreissender Roman mit Unterströmungen, einem reichen Geflecht an Motiven, die dem Text trotz wundersamem Happy End (das man Ben noch so gerne gönnt) Abgründigkeit und Offenheit lassen.
Christine Lötscher, Tages Anzeiger

2015 erscheint Lapperts Roman "Über den Winter".
Text aus dem Herbst-Katalog des Carl Hanser Verlags:



Lennard Salm ist fünfzig, als Künstler weltweit zumindest halbwegs erfolgreich und fremd in seinem eigenen Leben. Einen funkelnden Winter lang entdeckt er, dass niemand jemals alleine ist. Salm lernt seine Eltern und Geschwister neu kennen. Ein bewegender Roman über das, was heute Familie bedeutet. Als seine älteste Schwester stirbt, kehrt Salm zurück nach Hamburg und in die Familie, der er immer entkommen wollte. So schnell wie möglich will er wieder zurück in sein eigenes Leben. Aber was ist das, das eigene Leben? Salms jüngere Schwester Bille verliert ihren Job, sein Vater nähert sich immer schneller der Hilflosigkeit. Salm wird gebraucht, und auch er selbst braucht Rat.  Rolf Lappert erzählt in seinem ganz eigenen, herrlich menschenfreundlichen Ton vom Wunder der kleinen Dinge.  „Über den Winter“ zieht unaufhaltsam hinein in das Denken und Fühlen eines Mannes in der Mitte des Lebens, auf seinen Wegen durch die Stadt seiner Kindheit. Jedes Detail leuchtet in diesem zarten, großen Familienroman.


 


2020 erscheint der Roman "Leben ist ein unregelmäßiges Verb"


Lappert liebt die Ausschweifung, und man schweift gern mit. Auch, weil man mit ihm einen Meister des gekonnt gebauten langen Satzes erlebt, der sich verästelnden Periode, des treffenden und liebevoll ausgemalten Vergleichs. Etwa so: Leander erhält von einer Art Ziehvater regelmässig Briefe, «aus denen die aufgesetzte Munterkeit strahlte wie die bunten Lichter eines im Nebel verschwindenden Vergnügungsdampfers». Bei aller Dramatik der Ereignisse, an denen es in diesem Roman nicht fehlt, gilt die besondere Neigung (und Stärke) des Autors den stillen Momenten. «Die Sonne zeigte sich, wurde von einer Wolke verdeckt und erneut sichtbar, ihr Licht ergoss sich über den Asphalt und verschwand wieder wie leuchtendes Wasser aus einem Becken.» Die Frage, ob man all das wissen muss, was über Episoden, Eskapaden und Nebenfiguren in unzähligen brillanten Miniaturen ausgeführt wird, kommt beim beglückten Leser gar nicht auf. Der sieht sich in eine literarische Welt entführt, die gerade die kleinsten Details glaubhaft machen, wenn etwa in einem nachgeschobenen Teilsatz erzählt wird, dass über dem Bett der Prostituierten, die in ein paar Zeilen an uns vorbeigleitet, ein Bild Konrad Adenauers hängt. «Epischen Überschuss» hat Daniel Kehlmann solche Details einmal genannt, Elemente, die für die Konstruktion des Werks nicht nötig sind und gerade seinen Reichtum ausmachen. Die ausmachen, dass man sich einem Autor anvertraut, fast tausend Seiten lang entführt in einen Raum, in dem die Vorgaben unserer Klick-, Wisch- und Weg-Zeit nicht gelten und in dem leben tatsächlich ein unregelmässiges Verb ist.


Martin Ebel, Basler Zeitung


 


Dieser Roman von Rolf Lappert ist ein merkwürdiges, irritierendes und zugleich erratisch in der deutschsprachigen Gegenwartsliteratur dastehendes Buch. Der Schweizer Lappert, der längere Zeit als Drehbuchautor gearbeitet hat und 2008 den Schweizer Buchpreis 2008 erhielt, hat es nach jahrelanger Schreibarbeit vorgelegt. Ein dicker Brocken mit fast 1000 Seiten, erinnert das Buch vom Volumen her an US-amerikanische Zeit- und Gesellschaftsromane. Doch vom Stil her ist es zumeist im ruhigen Duktus eines Adalbert Stifter gehalten, wie er auch anderen Schweizer Autoren eigen ist, etwa Christian Haller oder Silvio Blatter.


Werner Jung, Neues Deutschland


 


Wer nimmt sich heute, wo die Sprache oft auf Twitter-Kürze zurechtgestutzt ist, noch Zeit für ein fast 1000-seitiges Buch? Für einen Roman mit ellenlangenSätzen, der jedes kleinste Detail ausleuchtet, jedem Nebenstrang, jeder Figur viel Raum gibt? Rolf Lapperts neuer Roman «Leben ist ein unregelmässiges Verb» ist so ein Buch. Und es ist ein Lesevergnügen. Denn die langen Sätze lesen sich im Fluss, die Geschichte entwickelt einen starken Sog. Man will wissen, wie es den vier Hauptfiguren
ergeht. Und man erkennt in ihrem Ringen und Rudern das Allgemeinmenschliche.


Babina Cathomen, Kulturtipp


 

«Romane, dieses Draufloserfinden. Dieser Einfallsreichtum und dessen Zurschaustellung. Dieser Fleiss beim Bündeln roter Fäden. Diese ganze elende Epik.» Der einst erfolgreiche Romanautor Willem van de Velde – eine der zahlreichen packenden Figuren in Rolf Lapperts jüngstem Roman – sieht nur Elend in seinem früheren Schreiben. Ob Lappert diese Sicht manchmal teilt, sei dahingestellt. Beim Lesen seiner Bücher jedenfalls ist nichts davon zu spüren. Mit seinem Draufloserfinden und unerschöpflichen Einfallsreichtum bringt er seit Jahren immer wieder Romane hervor, deren Umfang mindestens 300 Seiten umfasst. Nun übertrifft er mit Das Leben ist ein unregelmässiges Verb alles Bisherige und nähert sich der Tausendseitenmarke. Er zählt auf unsere Lesefreude und vermag sie in einer Art zu wecken und wachzuhalten, wie wir sie oft nur noch aus unserer Kindheit und Jugend kennen.


In die fremde Welt verstossen


Die vielen Geschichten, die der neue Roman erzählt, ziehen sich über ein halbes Jahrhundert hin. Vier Protagonisten stehen im Zentrum, alle im oder ums Jahr 1968 geboren, und ihre bewegten Lebensläufe lassen sich bis 2018 verfolgen. Das Wendejahr ihrer Geburt, vor allem aber dessen Folgejahrzehnt, prägt ihr ganzes Leben. Bis 1980, als sie zwölf sind, leben sie in einer Kommune, wie sie nach 68 in den westlichen Industrieländern aufsprossen. Ihre Eltern suchen in einer abseitigen Sumpflandschaft Norddeutschlands die Autarkie des vorindustriellen Landbaus einer Grossfamilie, in der die vier Kinder nicht mehr wissen sollen, wer ihre Eltern sind. Sie nennen sie die «Alten» und werden von diesen zur Arbeit auf dem Hof angehalten und nur in dem dafür notwendigen Wissen instruiert.


Mehr über die Welt draussen erfahren sie aus den Romanen grosser Klassiker, die Konrad, einer der «Alten», ihnen regelmässig vorliest: Charles Dickens, Jack London, Robert Louis Stevenson, Leo Tolstoi, Mark Twain, Jules Verne und andere prägen ihre Gedankenwelt, aber so, dass sie alles Vorgelesene für Fiktion halten, auch die Realien, die darin von der Welt jenseits des Flusses zeugen.


Das wird ihnen zum Verhängnis, als die Kommune gewaltsam aufgelöst wird, die Behörden sie von der Kinderarbeit «befreien», bei Verwandten oder Pflegeltern unterbringen und der allgemeinen Schulbildung zuführen. Die vier sehen sich in eine Welt verstossen, die für sie so fremd und unverständlich ist, wie einst für Parzival die Welt der Ritter und für Simplizissimus jene des 30-jährigen Kriegs. Lutz Beerbaum, ein gescheiterter Theatermacher, der in ihnen einen vielversprechenden Bühnen- und Buchstoff vermutet, sieht sie als «Kaspar Hausers im Scheinwerferlicht» der Massenmedien. Tatsächlich vervierfacht Lappert mit seinen Protagonisten die archetypische Figur des «tumben Tors», um in der Gegenwart einer ähnlichen Grundfrage nachzugehen, wie das Mittelalter mit Parzival, das 17. Jahrhundert mit Simplizissmus und das 19. Jahrhundert mit Kaspar Hauser: Was geschieht in einer Gesellschaft mit Menschen, die als Kinder nicht aufs Leben in ihr vorbereitet wurden?


Die Lebensgeschichten der vier sprechen nicht eben für grosse Fortschritte unserer Zeit gegenüber den früheren. Behörden, Erziehungseinrichtungen und -verantwortliche aller Art und vor allem die Massenmedien vermögen den vier Jugendlichen nicht gerecht zu werden. Literarisch spannend daran ist, dass sie uns eine Welt fremd escheinen und neu entdecken lassen, deren Funktionieren wir aufgrund unserer eigenen Sozialisation als selbstverständlich betrachten. Durch eine fein dosierte Ironie im Erzählen weckt der Roman ständig ein leichtes Befremden allem gegenüber: den Menschen, die gesellschaftliche Normalität zu vertreten meinen, wie jenen, die in der Kommune eine radikale Alternative praktizieren wollten, wie den vier Protagonisten, die sich darum bemühen, sich zwischen beiden zurechtzufinden.


Die Regelwidrigkeit des Lebens


Jedes der vier Kinder geht dieses Bemühen anders an: Linus, der eigenständige Verstandesmensch, versucht sich durch vorgetäuschten Selbstmord jeder Vereinnahmung zu entziehen, Frida, die redelustige Draufgängerin, wird über viele Anläufe hinweg Mutter und – zeitweilig – Ehefrau, Ringo, der selbstgewisse Kraftbursche, lebt ein bewegtes Auf und Ab und endet als Alkoholiker im Abseits und Leander, der in sich gekehrte Schwerenöter, kehrt immer wieder nur in sich selbst zurück. Schade bloss, dass sein Verhalten schliesslich mit einem Asperger-Syndrom erklärt wird, eine etikettierende Diagnose, wie sie der Roman sonst gerade als gesellschaftliches Übel kritisiert.


Jedes der vier Schicksale böte allein Stoff für einen ganzen Roman, aber eines haben die vier Protagonisten gemeinsam: ihrem Viererkollektiv entrissen und vereinzelt, scheitern sie an der Gesellschaft ebenso wie diese an ihnen. Sie sehnen sich weniger zurück nach der Abgeschiedenheit der Kommune als nach ihrem verlorenen Zusammenhalt. Das Leben mit den «Alten» hat Stillstand bedeutet für sie, sie konnten ihre Neugierde auf die Welt jenseits des Flusses kaum zügeln. Doch einmal in sie versetzt, prägt sie lebenslang ein Verlustgefühl. Das lässt natürlich an die deutsche Geschichte der letzten dreissig Jahre denken. Bedeutsamer wird dieser Roman aber dadurch, dass er uns das Zweifeln schmackhaft macht. Man kann nicht richtig oder falsch leben, denn «leben ist ein unregelmässiges Verb». Diese Behauptung ist grammatische Häresie – «leben» ist natürlich ein regelmässiges Verb – und vollzieht so selbst jene Regelwidrigkeit, die sie dem Leben zuspricht. Im Leben verändern sich die Dinge wie die Stammformen der unregelmässigen Verben nach Person, Zahl, Zeit und Modus. Dieser Formenvielfalt trägt der Roman sowohl in seinem Detailreichtum wie im kunstvollen Formenwandel der Erzählweisen und Stilebenen Rechnung.


Weiterlesen, weiterleben


Die Sprachkunst Lapperts ist ebenso bestrickend wie die Meisterschaft, mit der er die vier Lebensgeschichten einander in einzelnen Episoden ablösen lässt, sie in je eigener Perspektive erzählt, uns ein breites Spektrum zahlreicher, oft skurriler, immer aber lebensechter Menschen vorführt und uns in überraschenden Wendungen der Handlung und im kunstvollen Spiel mit Cliffhängern zum ständigen Weiterlesen animiert – ein Roman auch für all jene also, die heute die Langform der Filmserie der Kurzform des Kinos vorziehen.


Noch mehr aber ist es ein Roman für all jene, die daran herumrätseln, wie Leben zu Literatur und Literatur zu Leben wird. Das wird im Lauf der Lektüre immer deutlicher, zunächst deshalb, weil immer wieder Aufzeichnungen eines «wir» der Kinder aus dem Kommuneleben eingestreut werden, dann, weil ausgerechnet der scheue Leander sich als Autor der Publikation solcher Aufzeichnungen in Szene setzen soll – Anlass zu einer köstlichen Satire auf den heutigen Literaturbetrieb – und zum Schluss hin, weil Edna, die Tochter Fridas, sich in der Begegnung mit dem vereinsamten Willem van de Velde trotz dessen wiederholten Warnungen in ihrer Berufung zum Schreiben bestätigt sieht. Mit Edna ergibt sich eine Generationenfolge, die die Kommune sich verbaut hat, und mit ihrem Schreiben die Perspektive auf ein Weiterleben, das nicht nur Elend bringt, sondern vielleicht auch Befreiung.



Daniel Rothenbühler, Viceversa, 30.11.2020

Würdigung

Seit 1982 diverse Auszeichnungen und Förderbeiträge vom Bund, dem Kanton Aargau, der Stadt Zürich u. a.



1994 Schillerpreis für den Roman "Die Gesänge der Verlierer".


2008 Mit "Nach Hause schwimmen" auf der Shortlist für den Deutschen Buchpreis.


2008 Werkbeitrag der Stadt Zürich.


2008 Schweizer Buchpreis für den Roman "Nach Hause schwimmen".


2012 Werkbeitrag der Kulturstiftung Pro Helvetia


2012 "Luchs" des Monats Juni von "Die Zeit" und Radio Bremen für "Pampa Blues"


2013 "Kinder- und Jugendliteraturpreis der Stadt Oldenburg" für "Pampa Blues"


2013 "Goldene Leslie" der Stadt Mainz für "Pampa Blues"


2015 Shortlist des Deutschen Buchpreises mit "Über den Winter"


2018 Werkbeitrag des Kuratoriums des Kantons Aargau für das Romanprojekt "Leben ist ein unregelmäßiges Verb"


2019 Stipendium des Deutschen Literaturfonds für das Romanprojekt "Leben ist ein unregelmäßiges Verb"

Werk

Eigenständige Veröffentlichungen

Veröffentlichungen in Anthologien

Jetzt noch ein Gedicht, und dann aus das Licht!

Carl Hanser, München 2019 Gedichte

Folge deinem Traum

Carl Hanser/München 2013 Anthologie

Das Chancenplus war ausgeglichen

Knapp Verlag/Olten 2012 Anthologie Fußballgeschichten

Lautmalerei und Wortbilder II: Autoren schreiben über Kunstwerke aus dem Römerholz

Limmat/Zürich 2010 Anthologie

Die Bibliothek der ungeschriebenen Bücher

Piper/München 2014-10-06 Anthologie

Globale Heimat.ch: Grenzüberschreitende Begegnungen in der zeitgenössischen Literatur

Edition 8 2012-05-02 Anthologie

Warum man nie runde Geburtstage feiern sollte

Deutscher Taschenbuch Verlag/München 2011-11-01 Jubiläums-Anthologie

Veröffentlichungen in literarischen Zeitschriften

Akzente Heft 4

Carl Hanser/München 2012 Zeitschrift für Literatur

Übersetzungen

Rentrer á la nage

Pont 9, Paris 2019 Roman

Pampa Blues

Turbine/Copenhagen 2015 Jugendroman

Pampa Blues

La Joie de lire/Genf 2015 Jugendroman

Pampa Blues

Feltrinelli/Mailand 2013 Jugendroman

Islands of the Dying Light

Owl Canyon Press/Boulder, Colorado 2012 Roman

Eve Yüzmek

Ayrinti Yayinlari/Istanbul 2011 Roman

Nach Hause schwimmen - Swimming Home

Shanghai International Publishing 2010 Roman

Le chant des perdants

L´Age d´Homme/Lausanne 2001 Roman

Pampa Blues

Tilos az Á Könyvek/Budapest 2015 Jugendroman

Pampa Blues

Ediciones Castillo/Mexico 2015 Jugendroman

Pampa blyuz

Samokat/Moskau 2015 Jugendroman

Benjamin Schillings Droom

Signatuur/Utrecht 2012 Jugendroman

Nuotando verso casa

Meridiano Zero/Bologna 2012 Roman

Naar Huis zwemmen

Signatuur/Utrecht 2011 Roman

Svomme hjem

Tiderne Skivter/Copenhagen 2009 Roman

sonstige Werke

Hörbücher:
"Nach Hause schwimmen", "Über den Winter", "Pampa Blues"

Zuletzt durch Rolf Lappert aktualisiert: 16.10.2023

Literaturport ID: 972