Thorsten Becker

Vita

Thorsten Becker wurde am 4. September 1958 in Oberlahnstein geboren. Bald darauf Umzug der nunmehr fünfköpfigen Familie nach Köln, wo Thorsten Becker im Stadtteil Sülz seine Kindheit und frühe Jugend erlebt. Durch den Fechtsport früher Kontakt zum städtischen Theater. 1975 Melchior Gabor in der FRÜHLINGERWACHEN-Inszenierung von Ulrich Greiff. Nach dem Abitur Besuch der Schauspielklasse am Max-Reinhardt-Seminar in Wien. Paulus Manker, Adalbert Fortellni, Gabriel Barylli, Michael Wallner, Thomas Schendel gehören zu den Kollegen im Jahrgang.
Vor Abschluß der Ausbildung Wechsel an die FU Berlin, hier Studium der Philosophie, Geschichte, Soziologie und Theaterwissenschaften. Magisterarbeit bei Peter Furth mit einem Beitrag zum Hegelmarxismus ENTFREMDUNG ALS MOTIV UND GRENZE VON KUNST UND ÄSTHETIK DER MODERNE. Während des Studiums Regeassistenzen bei Hansgünther Heyme in Stuttgart und bei Manfred Karge in Bochum. Hier Bekanntschaft mit Heiner Müller, Fritz Marquart, Matthias Langhoff. Häufiger Aufenthalt in Ostberlin. In Westberlin Teilnahme an einem von Urs Jaeggi und Rudi Thiessen eingerichteten Zirkel für schriftstellerisch ambitionierte FU-Studenten. Kleinere Erzählungen (später z.T. aufgenommen in TAGEBUCH DER ARABISCHEN REISE) finden Beachtung und veranlassen Urs Jaeggi die Entdeckung eines Talents bei schweizerischen Verlagen zu melden. Auf Rudi Thiessens Tip, Bewerbung um ein Stipendium beim Sen.f.KultAng, das auf Betreiben des Jury-Mitglieds K.P. Herbach gewährt wird.
Auflösung der Kreuzberger Wohnung, vorläufige Niederlassung auf den Kanaren. Hier entsteht, zunächst auf Gomera, dann auf La Palma die Erzählung DIE BÜRGSCHAFT, die der DDR-Erfahrung Form verleiht. Egon Ammann hat inzwischen die von Urs Jaeggi empfohlenen Texte gelesen, ist begeistert und schickt ein Telegramm nach den Kanarischen Inseln, das auf wundersamen Wegen den Autor, der soeben sein Manuskript abgeschlossen hat, tatsächlich erreicht und ihn zur Rückkehr nach Deutschland veranlaßt. Das Büchlein, vehement protegiert von Marcel Reich-Ranicki, wird zum literarischen Ereignis des Jahres 1985, der Autor zum Hätschelkind des Literaturbetriebs, steigert Alkohol-und Haschischkonsum ins Unvernünftige, entwickelt Star-Allüren.
Eine Lesereise, vom Verlag Kiepenheuer & Witsch, der das zweite Buch herausbringt, als Triumphzug geplant, gerät unter dem Hagel der Verrisse zum Spießrutendauerlauf. Der Autor bricht vor Absolvierung seiner Tournee zusammen und verschwindet von den Bildschirmen der bundesdeutschen Fernsehgeräte.
Wanderjahre. Mehr als ein Jahr verbringt er auf der "Patty", der "Julia", der "Bernice", Bullcarriern der Mineral Shipping Company, meist auf der Linie Vlaardingen-Savannah, gelegentlich im Mittelmeer. Damaskus, ein Fischerdorf auf Kreta, Zürich, Lamu/Kenia werden Stationen. Mexiko wiederholt im zweiten Versuch das kanarische Wunder.
Von dort bringt er eine Satire auf die deutsch-deutsche Vereinigung mit, die sehr passend bei dem von eben dieser Vereinigung höchst betroffenen Verlag Volk&Welt erscheint und mehr oder weniger vollzählig neben den Redaktionen zwischen Rhein und Elbe, jetzt auch die gewendeten zwischen Elbe und Oder beschäftigt. Ein von Monika Müller, der Verkaufsleiterin bei Volk&Welt, mit kaufmännischem Genie verhandelter Vertrag über die Taschenbuchrechte bringt beim Autor die Wodka-Idee einer Fahrradreise von Pankow, wo er eine heruntergekommene Mansarde zu mieten vermochte, nach Peking auf. Er steigt wirklich aufs Rad, bummelt durch Polen, Tschechien, die Slowakei, Ungarn, Jugoslawien und wird im bulgarischen Rosental von bewaffneten Räubern gestoppt.
Bei der Rückkehr nach Berlin empfängt ihn die Einladung zur Buchmesse nach Istanbul. Die er - als erklärter Türkenfeind - annimmt. Im nächsten Frühling heiratet er Nermin Yeşilgöz, verbringt die folgenden Jahre größtenteils in der Türkei. SIEGER NACH PUNKTEN. Der Ritt durch die türkische Geschichte öffnet den Blick auf die eigene, der durch Faschismus und Krieg verstellt war.
Der Stadtschreiber-Posten in Rheinsberg begünstigt die Synopse von Friedrichs Kartoffelkrieg und 17. Juni. FRITZ. Ein für den Roman benötigtes Requisit, eine KATTE-Tragödie à la Racine, macht sich selbständig und wird in der Regie von Uwe Laufenberg das Stück für die Einweihung des neuerbauten Hans-Otto-Theaters am Tiefen See in Potsdam. Star des Abends ist in der Rolle des Soldatenkönigs Manfred Karge. Das Konzept des Historischen Romans in Stereo wird fortgesetzt mit einem Luther-Roman, der den Bauernkrieg auf Stalingrad abbildet.
Frucht des Villa-Massimo-Jahres wird ein Pseudo-Seneca. Ein Extrakt dieser Trostschrift hat im September 2011 als Monodrama von Hartmut Lange gespielt seine Uraufführung in Halle an der Saale. Der Autor selbst präsentiert drei Monate später denselben Text in chinesischer Übersetzung (Shuang Zhi) gemeinsam mit Ke Jun in Nanjing. Aus Nanjing nur nach Deutschland zurückgekehrt, um ein Theater für die Koproduktion mit dem Kunqu Opera House zu finden, entsteht etwas zufällig die Komödie TSCHECHOW GORKI TOLSTOI, für die der Autor hände- und handyringend nach der Bühne fahndet, die das Stück aufführen möchte.

Würdigung

Preise:
F.A.Z.-Literaturpreis 1985
Premio Grinzane Cavour 1990

Stipendien (Auswahl):
Deutscher Literaturfonds 1986
Stadtschreiber Rheinsberg 2005
Villa Mont Noir 2006
Villa Massimo 2008
Robert Bosch Stiftung GRENZGÄNGER 2010

Literaturport ID: 150