Leselampe

Buchempfehlung der Woche

von Margitt Lehbert
Literarische Übersetzerin (u.a Les Murry aus dem Englischen), Herausgeberin und Verlegerin der Edition Rugerup

Patti Smith
M Train. Erinnerungen
Aus dem amerikanischen Englisch von Brigitte Jakobeit, Kiepenheuer & Witsch, Köln 2016

Für ein Vorstadtkind wie mich, Siebzigerjahre USA, war Patti Smith eine Offenbarung. Kein Lippenstift, kein Sommerkleid, keine kleine Handtasche. Sie war wild und mutig, nahm wohl alle möglichen Drogen und kannte alle möglichen Männer, man konnte frei atmen, wenn man sie singen hörte. Ihr autobiographisches Buch „M Train“ ergänzt nun das Bild, korrigiert es auch. Wir hören einer Frau beim Denken zu, stehen neben ihr beim Schreiben, beim Fotografieren. Es geht gar nicht wild zu, erstaunlich normal ist vieles in diesem Leben, ruhig und bedacht und vor allem einfach. Die Künstlerin trinkt viel Kaffee, ansonsten liegt ihre Magie, ihre Kunst nicht in ausschweifenden Abenteuern, sondern in ihrem Blick, im täglichen Leben, der Tiefe ihrer Gefühle, ihrer emotionellen Treue, die einen berüht und stärkt. Patti Smith hat früh in ihrem Leben gleich drei geliebte Menschen verloren, ihre Stärke liegt darin, diese Menschen auch heute noch zu lieben und zu vermissen, nach so vielen Jahren. Am Ende bewundert man diese Frau für ihre Treue und für die Stille und Konzentration, aus der heraus sie sich mit Kunst und Künstlern beschäftigt. Das Magische liegt eben nicht in den „richtigen“ Dingen und Menschen, sondern im Blick auf sie, einem Blick, der sich nicht abwendet. Ein wunderschönes Buch.

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