Leselampe

2024 | KW 11

© Dirk Skiba

Buchempfehlung der Woche

von Taqi Akhlaqi

Taqi Akhlaqi wurde 1986 in Afghanistan geboren. Seine Familie wanderte in den Iran aus und kehrte erst 2004 nach Afghanistan zurück, wo Taqi Akhlagi in Kabul Internationale Beziehungen studierte. Seit September 2021, nach der Rückkehr der Taliban, lebt er zusammen mit seiner Frau und seinen Kindern in Berlin. Für die Neue Zürcher Zeitung berichtet er regelmäßig über die Situation in Afghanistan. Sein schriftstellerisches Werk (Debütroman Kabul 1400, Bori Verlag, Kabul 2023; Kurzgeschichtensammlung Aus heiterem Himmel, Edition Tethys, Potsdam 2018) wurde schon mit einigen Preisen und Stipendien geehrt. Sein Theaterstück Ohne Tee kann man nicht kämpfen wird im April 2024 in Krefeld und Mönchengaldbach auf die Bühne gebracht.

Bachtyar Ali
Mein Onkel, den der Wind mitnahm
(Roman), Aus dem Kurdischen von Ute Cantera-Lang und Rawezh Salim, Unionsverlag, Zürich 2021.

Afghanistan ist ein Land voller Leid, und natürlich sind auch die Geschichten, die aus diesem Land kommen, traurig, so deprimierend, dass sie manchmal schwer zu lesen sind. Ich habe oft erlebt, dass bei Veranstaltungen zur afghanischen Literatur die Zuhörer vor der Vorlesung der Geschichte gewarnt wurden, dass der Text Gewaltszenen enthält, und daraufhin verließen einige den Saal.

Deshalb habe ich als Schriftsteller immer darüber nachgedacht, wie man traurige Geschichten so erzählen kann, dass jeder sie lesen kann. Tatsache ist, dass wir in einer unglücklichen Welt leben und oft mehr Schmerz nicht ertragen können. Dieses Problem stellt für den Autor einen technischen Widerspruch dar.

Nehmen wir die Geschichte eines politischen Gefangenen, der so sehr gefoltert wird, dass von ihm nur noch Haut und Knochen übrig sind und er eher wie ein seelenloser Körper aussieht, der sich auf dem schmalen Streifen zwischen Leben und Tod bewegt. Wie kann man seine Geschichte schreiben, ohne die Folterungen und Leiden direkt zu beschreiben?

In einer solchen Situation können Humor und surreale Elemente sehr wirksam sein, und genau das tut Bachtyar Ali, der kurdische Schriftsteller aus dem Irak, in seinem Kurzroman Mein Onkel, den der Wind mitnahm.

Djamschid Khan, die Hauptfigur dieser Geschichte, ist durch jahrelange Folter und Hunger in den Gefängnissen von Saddam Hussein dünn und leicht geworden, bis ihn eines Tages der Wind aus dem Gefängnishof trägt und ihn irgendwo weit weg auf den Boden wirft. Und das ist erst der Anfang der Reise.

Zusammen mit Djamschid Khan erleben wir die politische Tyrannei, den iranisch-irakischen Krieg, das Auf und Ab der Meinungsfreiheit, die Einwanderung und die verlorenen Träume des unterdrückten Volkes.

Während der Lesung dieses Romans habe ich immer wieder darüber nachgedacht, wie klug Bachtyar Ali diese tragische Geschichte mit den Elementen des magischen Realismus erzählt, so dass jeder sie lesen kann und sie auch den Schriftstellern anderer trauriger Länder eine neue Perspektive eröffnet.

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