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Bettina an Arnim von Arnim, 2. Mai 1825

Informationen

Literaturangabe:

Vordtriede, Werner (Hrsg.)
Achim und Bettina in ihren Briefen. Briefwechsel Achim von Arnim und Bettina Brentano, hrsg. Von Werner Vordtriede, Frankfurt am Main 1961

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Bettina an Arnim von Arnim, 2. Mai 1825

Bettina an Arnim

2. Mai 1825

Lieber Arnim,
ich danke Dir tausendmal für Deinen Brief und auch für die an die Kinder, der Siegmund war voll Freuden. Freimund ist noch in der Schule und hat den seinigen noch nicht empfangen. Ich kann Dir sagen, daß Deiner Ansicht von Siegmund durch sein ganzes Betragen widersprochen ist, sein Verhältnis zu seinem Lehrer ist durchaus edel, er kömmt ihm in allem zuvor, lernt mehr als er soll, Sonntag Morgens steht er um 4 Uhr auf, läuft zu ihm, um ihn zu wecken und geht dann mit ihm und allen übrigen Medizinern und dem Professor botanisieren; er holt ihnen die Pflanzen aus dem Wasser und war schon glücklich im Finden mehrerer seltner Pflanzen, sie heißen ihn den kleinen Botanikus, dessen freut er sich sehr. Von Geheul ist keine Rede, kein einziger hat, solange Hohl bei ihnen ist, geweint; Du kannst glauben, daß Kallenbach nicht der beste Lehrer war und vorzüglich keine Ordnung hatte; der jetzige ist ganz frisch und hat von Natur, was die andern nicht durch Verstand hatten; heute hat Friedmund zum ersten Mal bei ihm gelernt und sich ganz glücklich gefühlt dabei. Der arme Junge war sehr krank, noch einen Anfall hatte er nach meinem Brief, der mich eine ganze Nacht an seinem Bette magnetisierend erhielt, wobei ich erstaunt war über die Wirkung. Denn solange ich magnetisierte, hörte der Krampfhusten auf, und er schlief; und wenn ich ermüdete, fing er wieder an. Mehrere Bäder, in denen er unbändig schwitzte und eine gute Portion Opium haben ihn ganz hergestellt ? er schläft doch noch in meinem Zimmer, allein, er befindet sich ganz wohl und ißt wie ein Drescher. Das Sonderbare ist, daß es mich nicht angegriffen hat, ich befinde mich in diesem Augenblick ganz wohl, obschon ich beinah 9 bis 10 Nächte gewacht habe und mich auf die fest schlafenden Leute nicht verlassen könnte. Er hat sich manchmal 6 mal in einer Nacht erbrochen und 2 bis 3 mal
Kamillentee getrunken. Jetzt ist nun alles wohl, und Du darfst keine Sorge haben. Wenn mir auch manches andre abgeht, so habe ich doch die glückliche Natur, nicht leicht niedergeschlagen zu werden, und ein Gefühl der Sicherheit. Wolfart wird mir allemal lieber bei solchen Gelegenheiten. -
Die Kinder gehn auf die Zeichenakademie und o wunder, Siegmund arbeitet mit großer Reinlichkeit und Präzision, ja er macht es beinah besser wie Freimund. Dieser hat von Bellermann schon mehrmals auszeichnendes Lob erhalten, er hat einen ruhigen aber sehr festen Eifer, er hat eine ungemeine Ordnung, ißt lieber nicht zu Mittag, als daß er ein paar Minuten später ginge, um nicht erhitzt in der Schule zu sein; er hat sich bei seinen Mitschülern schon sehr in Respekt gesetzt, wie mir Singer versichert, der sich nach ihm erkundigt hat. Morgen gehn sie unter der Aufsicht von Hohl und Franz, der sie sehr lieb hat, zum Hallorenschwimmen, was sie ungemein glücklich macht. Klage mir nur nicht mehr über den Siegmund, er hat einen Charakter, der Dir gewiß noch lieb werden wird, er hat Wahrhaftigkeit in sich und Treue. Kallenbach war eigensinnig ohne Konsequenz und oft erbärmlich eihensinnig. Mit dem Lehrer von Strauß konnte es nichts werden, denn der wollte 250 Taler und dabei konnte er nur die alten Sprachen; nicht Französisch, nicht zeichnen, nicht Musik.
Savigny ist so geneigt zum Kranksein, daß jedes Gelegenheit wird, ihm den Kopf auf die Schultern zu ziehen. Der Schlingel von Bedienten in Jägeruniform, der jetzt den Dienst verlassen muß, hat ihn ganz malade gemacht; er warf sich auf das Sofa, um mit mehr Bequemlichkeit die Last, einen neuen Bedienten zu suchen, zu bejammern. Er möchte nun gar zu gern unsern Robert zum Bedienten haben. Wenn er wüßte, wie der stinkt, sodaß ich ihn von den Kindern weg auf den Boden logieren mußte, so würde er nicht so nach ihm seufzen. Bei Servieres ist auch was Romantisches vorgefallen; sie haben entdeckt, daß ihre Tochter mit dem abgewiesenen Liebhaber Denant eine Correspondance in Versen in dem Watzeckschen Wochenblatt unterhielt; die Verse waren besonders von ihrer Seite gar nicht schlecht; und was die väterliche Eitelkeit nicht tut es gefiel dem Alten so wohl, daß er ihr erlaubt, es fortzutreiben, und sie hat so große Freude daran, sich gedruckt zu sehen, daß sie ihm eine zierliche Liebeserklärung nach der andern schreibt, ohne Lust zu haben, eine in Erfüllung gehen zu lassen. [...] Die Geschichte mit Liepen beweist, daß überall Dinge vorgehen, bei denen man sich eher des Himmels Einfall gedacht hätte. Die Mairose ist eine Hexe und ich rate Dir, auf Deiner Hut zu sein. ?
Um frische Luft und Bewegung bei den Kindern sei unbesorgt, sie haben den Universitätsgarten ganz nah, wo sie häufig Ball schlagen. Wie steht es mit einer Wirtschafterin, soll ich Dir eine für Wiepersdorf mieten? Ich habe bald Lust Dir die zu geben, die ich jetzt habe, sie hat immer Landwirtschaft getrieben, ist ehrlich, geduldig, läßt sich was sagen, sie kann melken und buttern, kocht nicht übel, und da ich eine bekomme, die recht gut Französisch spricht, so zu den Kindern, so würde mir diese überflüssig sein. Behalte ja die andre nicht, sie würde nur um so weniger taugen.
Schinkels Frau hat mich vorige Woche besucht und mich vorgestern zum Abendessen eingeladen, wo General Schöler auch war nebst Gattin und Kindern; dieser lange Mann ist auch sehr länglich in seinen Reden, und man machte da viel Sonnenschein mit den Gesichtern.
Lasse nur alle Butter verkaufen, die mir nicht nötig, denn sie gilt hier wahrscheinlich nicht mehr wie dort. Die Eier hab ich zu 17 gr. verkauft im Schock. Adieu, behalte mich lieb und erwarte Dir, daß Deine Kinder Dich einst glücklich machen; sie werden gewiß alle gut und brav. Und hab Nachsicht mit meinen Schwächen und Rücksicht auf meinen besten Willen, und mache Dir keine Sorgen, denn sie sind gut besorgt, und reise ja noch jetzt in die sächsische Schweiz, es würde mich grämen, wenn Du Dir etwas dieser Art zu gewähren vermagst und es nicht tun wolltest. Du bist Dir´ s schuldig, da Du selbst weißt, wieviel Genuß Leib und Seele dabei hat; mache mich so glücklich, mir zu schreiben, daß Du Dir diese Freude machest.
Behalte mich lieb
Bettine

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