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Brief an Hitzig

Informationen

Literaturangabe:

Chamisso, Adelbert von
Werke in zwei Bänden, Bd. 1, Leipzig 1981

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Brief an Hitzig

Brief an Hitzig

(Cunersdorf Ende September 1813)

Dieses zur Erinnerung, daß Du einen Freund in Cunersdorf hast, dem Du eben nicht sehr oft schreibst. - Es ist eine ganz fatale Empfindung, wenn alle Tage der Postbote einläuft, und die Austheilung der Briefe im Salon geschieht und für einen jeden etwas da ist, und für den Herrn von Chamisso - nischt niche - !
?Es-tu content, Coucy?!" Der Himmel hängt ja voller Geigen, - wenn es am Ende nur nicht an Fidelbogen gebricht? - ich habe seit Februar nicht mehr so etwas gehofft! -
Nachrichten von Freunden und Bekannten aus Euren Schlachten? - Ich weiß Fouqué (sein Regiment) vor Dresden . - -
Ferner, mein Lieber, das Jahr wird alt, die Sonne schwach, die Luft kalt, die Erde feucht und dunkel, die Asternarten sind schon meist verblüht, und die Bäume gelben - es muß bald Winter werden und für den Winter muß ich doch eine neue Disposition entwerfen. Ich bin immer noch Student medicinae. Was hab? ich besseres zu thun, als den Winter bei der Universität und vielleicht mit in den Lazarethen zuzubringen? - Rathe, aller Welts Kerl, und sage mir bestimmt die Zeiten, nicht nur die, die zu beobachten sind, sondern auch relativ mit diesen die, die wir haben. Ich habe keine andre Uhr, keinen andern Kalender, als die Blumen. - Ich wünsche auch einige 14 Tage im Voraus meine Marschordre zu haben, weil ich meine Pflanzen mit Gewalt in Ordnung bringen müßte. Arbeit, die aufs letzte verspart werden muß, die aber nicht klein ist. - Ich kritzle immer an meinem Schlagschatten, und wenn ich?s Dir gestehen muß, lache und fürchte ich mich manchmal darüber, so wie ich daran schreibe - wenn die Andern nur für mich nicht darüber gähnen. - Mein viel gefürchtetes viertes Kapitel hab? ich mir nach vielem Kauen gestern aus einem Stücke, wie eine Offenbarung, aus der Seele geschnitten und heute abgeschrieben - es ist auch schon eher Morgen als Nacht - darum ade. - Das Blitz-Prosaschreiben wird mir ungeheuer sauer - mein Brouillen sieht toller aus als alle Verse, die ich je gemacht. Hat es sich denn zu ruhiger vernünftiger Prosa gesetzt?
Lebe wohl - grüß Deine liebe Frau und den Kinderling.

[Der Brief des Dichters ist an seinen Freund, Herausgeber und Biographen, den Verleger Julius Eduar Hitzig (1780 - 1849), gerichtet. Beide gehörten zu den Mitbegründern des litararischen "Nordsternbund" (1803) und zu E. T. A. Hoffmanns "Serapionsbrüder" (1819-1821). Chamisso lebte von Mai bis Oktober 1813 in Kunersdorf und schrieb hier Teile des "Peter Schlemihl", dessen Vorrede aus Cunersdorf (27.9.1813) datiert ist.]

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