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Das Bernauer Hussitenfest

Informationen

Literaturangabe:

Stinde, Julius
Daheim 18 (1882), Beilage zu Nr. 32

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Das Bernauer Hussitenfest

Das Bernauer Hussitenfest

Die Zeit vor den Hussitenkriegen

Es war eine gar trübe Zeit, die erste Hälfte des XV. Jahrhunderts. Johann Huß war auf dem Konzil zu Konstanz verurteilt und hingerichtet worden, ohne daß die, welche seinen Leib töteten, die Lehre hätten ausrotten können, welche namentlich in Böhmen festen Fuß gefaßt hatte. Und die Anhänger des Mannes, der sich gegen den römischen Zwang auflehnte, unter dem die Lehre von Christo gehalten wurde, legten Verwahrung ein gegen die Beschuldigung der Ketzerei, so ihrem Meister geworden war, den seine reformatorischen Bestrebungen auf den Scheiterhaufen gebracht hatten. Den Laienkelch wollten sich die Hussiten nicht wieder nehmen lassen, so daß dieser das symbolische Zeichen des Hussitentums wurde, das sich in einer Menge von Sekten zersplitterte, die freilich untereinander feind, dennoch zusammenhielten, wenn es galt, den Papisten Ärgernis zu bereiten. Dazu gesellten sich nationale Streitigkeiten zwischen den Deutschen und Tschechen, die unter anderem zur Folge hatten, daß die nicht zur böhmischen Nation gehörenden Magister und Studenten 1409 von der Universität Prag abzogen, um in Leipzig gastliche Aufnahme zu finden. Genug, es herrschten Meinungsverschiedenheiten religiöser und nationaler Art und die waren von jeher das Brandmaterial, das nur eines Funkens bedarf, um als Kriegsfackel aufzulodern.

Beginn der Kriege

Überall wetterleuchtete es im Reiche, aber als Sigismund die böhmische Krone seines verstorbenen Bruders Wenzel beanspruchte, da riefen ihm die Hussiten zu: "Du hast Huß freies Geleit versprochen und dein Wort nicht gehalten. Der Wortbrüchige soll unser König nicht sein!"
Und so entbrannte der Bürgerkrieg aller Orten mit allen Greueln und Schrecknissen jener Zeiten. Das Wetterleuchten war zum Gewitter geworden.
Kaiser Sigismund, dem die tschechischen Hussiten die böhmische Krone vorenthielten, suchte den böhmischen Krieg, in welchen sich nach und nach die Aufstände, Reibereien und Privatfeldzüge konsolidiert hatten, zu einer Reichssache zu machen. Es glang ihm das aber nur teilweise und die Reichskriege gegen die Hussiten nahmen daher einen kläglichen Verlauf. Nichts konnte verfallener, lahmer und spottwürdiger sein, als die damalige Kriegsverfassung des deutschen Reiches. An dem Mangel an einer einheitlichen Führung lag es, daß keine Erfolge erzielt wurden und daß die Böhmaken den Deutschen, welche für den Papst von Rom arbeiteten, die Köpfe blutig schlugen.
Die Hussiten zogen, da ihnen kein nennenswerter Widerstand wurde, unter den beiden Prokop ins deutsche Land hinein und mordeten und plünderten nach Herzenslust. Hundert Städte und Burgen, sowie fünfzehnhundert Dörfer und Weiler sollen von ihnen zerstört worden sein. Von all dem Jammer, der dabei war, sagt der Mann nichts, der die Zahl der zerstörten Stätten schätzte.

Die Hussiten vor Bernau

Mauern von Bernau in der Mark anlangten, nachdem sie vorher Angermünde in der Uckermark eingenommen und am Sonntag Judaica die Gubensche Vorstadt vor Frankfurt a. O. "samt dem Carthause" abgebrannt hatten. Die Frankfurter Bürger hatten die Hussiten zwar von ihren Thoren durch einen energischen Angriff vertrieben, aber doch keineswegs vernichtet und nun lagerte das mongolisch aussehende Volk in Rüstung und Lumpen, je wie es einer hatte, mit dem ganzen Troß, Wagen, Pferden, Weibern, Kindern, Spielleuten und Gesindel vor Bernau.
Das war die Not, die vor den Thoren der Stadt lauerte und Einlaß begehrte, die Not, um deren Abwehr den Heiligen manch Meßopfer gebracht worden; aber die Weihrauchwolken waren verzogen und die Hussiten lagerten auf dem Felde vor der Stadt.
Bernau war damals eine wohlhabende Stadt. Ihre Bürger trieben Ackerbau und Handwerk, wie denn die Tuchmacher das St. Georgenhospital erbauten. Namentlich aber stand das Braugewerbe in Flor, denn das Bernausche Bier wurde sogar nach Hamburg exportiert, allwo es gleichzeitig mit dem Einbecker Bier in dem sog. Einbeckschen Hause verzapft wurde. Es wurde auch Hopfen gebaut, von dem noch heute Schößlinge in den Gärten aufsprossen, die vor der alten Stadtmauer liegen.

Tobias Seilers Chronik

Auf dem Rathause von Bernau wird außer zahlreichen Hussitenrüstungen, Pfeilen, Waffen u.s.w. eine um 1725 vom Archidiakonus Tobias Seiler geschriebene Chronik der Stadt aufbewahrt, aus der ich die meisten der hier zur Mitteilung gelangenden Notizen gezogen habe, und in selbiger erörtert Herr Tobias Seiler neben den weltlichen und geistliche Kämpfen, die er persönlich mit seinen Amtsbrüdern geführt, auch die Frage nach dem Ursprung der Stadt Bernau. Daß sie einst von den Warnauer Wenden gegründet und Warnau genannt worden sei, scheint ihm unwahrscheinlich, da die Stadt einen Bären im Wappen habe und ihr Name stets mit einem B, niemals aber mit einem W geschrieben vorkomme. Dagegen war es kein geringerer als Albertus ursus, -Albrecht der Bär- der entweder die Stadt erweiterte oder, wie Seiler will, gründete.

Sage von der Gründung Bernaus

An dem Orte, wo jetzt die Stadt liegt, so berichtet die Chronik, stand ein Wald, durch den ein Weg führte und an diesem Wege lag ein Krug, in dem es ein herrliches Bier gab. Da kam es nun einen Tages, daß Albertus ursus in der pläsirlichen Gegend eine Jagd angestellet; und als er vom Jagen erhitzet einen kühlen Trunk aus jenem Kruge erhielt, der ihm überaus wohl geschmecket, habe er gesprochen: "Es ist schade, daß dieser Krug allhier alleine lieget, er wäre wohl wert, daß an diesem Ort eine Stadt angeleget würde, die ihre Nahrung von dem Bier haben und das ganze Land mit einem guten Trunke verlegen (sic) könnte." Weilen aber die Dörfer Lindow und Schmelzdorff zu nahe bei dem Kruge lagen, so gingen dieselben ein und erhielten die Einwohner Stadtgerechtsame. Ob auch das Dorf Liepnitz, an dem gleichnamigen See, mit einging, das läßt sich nicht feststellen, es kann auch, wie Seiler meint, der von den genannten Dörfern noch die rudera gesehen, von den Hussiten im XV. Säculo zerstört worden sein, die in dieser Gegend allenthalben umher "gewanket".
Drei Thore hatte damals Bernau, das Mühlenthor, das Steinthor und das Berliner Thor, welches längst verschwunden ist. Bei dem letzteren stand nach Seiler ein vermauertes Nebenthor, das eine Rolle in der Geschichte des falschen Waldemar gespielt haben soll, deren Schauplatz Bernau und Umgegend auch gewesen sind. Doch von diesem, sowie von Georg Rollenhagen, dem Froschmeuseler, der in Bernau geboren wurde, hier zu sprechen, das würde zu weit von den Hussiten abführen, die in der Charwoche des Jahres 1432 Bernau belagerten.

Angriff und Gegenwehr

Wann und wie es zum Schlagen kam, darüber schweigt unsere Chronik, jedoch ist anzunehmen, daß die Hussiten nicht müßig lagen, sondern der Arbeit wohlgewohnt, die Stadt zu verschiedenen Malen angriffen. Es war aber eine Wohlthat, daß die Stadt ein blühend Braugewerbe besaß, denn so oft die Belagerer die Sturmleitern anlegten, gossen die Bürgerfrauen von Bernau heißen Brei (es werden wohl Bierträber darunter zu verstehen sein) auf die wilde Horde und verbrannten ihrer viele gar jämmelich. Bernau hielt sich dank diesem seltsamen Verteidigunsmittel bis zur Entscheidung, und zur Erinnerung ist der Spruch erhalten, den jeder mit innigstem Danke sagte:
Der Bernauisch heiße Brey
Macht die Mark Hussitenfrey.
Der Brey allein that es allerdings nicht, sondern es kam zu einer Schlacht auf einem Felde vor Bernau, das noch heute ob des vergossenen Hussitenblutes das Rotefeld heißt. Der sich wehrenden Stadt kamen die Krieger Friedrichs I, Kurfürsten von Brandenburg, Sohn Friedrichs V von Hohenzollern, aus Spandau zu Hilfe, und die wiesen den Hussiten den Weg, welchen sie gekommen, das heißt denen, die noch am Leben blieben. Friedrich I soll zu jener Zeit auf dem Konzil zu Basel gewesen sein, auf dem die Not des Reiches beraten wurde, aber sein Sohn Friedrich II "der Eiserne" führte die Truppen des Abwesenden an, wie ein Bild in der Bernauer Stadtkirche meldet, und so waren es ein Hohenzoller mit seinen Mannen und die Bürger einer guten märkischen Stadt, die das böhmische Gesindel dermaßen zerschlugen, daß von nun an kein Hussite sich mehr in der Mark sehen ließ. Rein ab! hieß es.

Alljährliche Erinnerung an die Hussitenbelagerung

Zum Dank an diese Befreiung der Stadt und der Mark von den Hussiten ward alljährlich in Bernau ein Gottesdienst gehalten, an den sich eine Prozession nach der Georgenkirche anschloß, die dem hl. Goerg, dem Schutzpatron der Stadt, geweiht war. Das blieb auch so, nachdem Bernau protestantisch geworden, bis auf den heutigen Tag wurde das Hussitenfest gefeiert, bald größer, bald geringer, je nach den Zeitläuften, unter denen Bernau viel zu leiden hatte. Der dreißigjährige Krieg hat es mitgenommen, dann kamen die Schweden! Aber schändlich, unerhört schändlich haben die Franzosen das Städtchen behandelt, das noch aus den Wunden blutet, die ihm jene Raubvögel geschlagen, die sengend und plündernd umherzogen, wie vor 400 Jahren die Hussiten. Und auch diesmal mußte ein zerfahrenes Reich mit einer schmählichen Kriegsverfassung zusehen und konnte nicht wehren. Aber dann schlug es wie ein Wetter drein und wie einst der Hussit, mußte nun der Franzos´ zum Lande hinaus.
Und dann kam wieder eine unruhige Zeit, wieder häufte sich Brandmaterial aller Art und es wetterleuchtete und grollte rings umher, bis der Sturm losbrach, in dessen Not Deutschland einig wurde.
Und wie damals vor Bernau ein Hohenzoller den Sieg errang, so war es wiederum ein Hohenzoller, der echte Sohn seines Hauses, der Volk und Reich zum größten Siege führte, Wilhelm I, unser Kaiser!

Vorbereitungen für das Hussitenfest 1882

Vierhundertfünfzig Jahre sind seit der Hussitenschlacht bei Bernau verflossen, deren Gedächtnistag sich am 15. Mai erneuert. Da gilt es nun diesen Tag zu feiern, ihn würdig zu begehen. Den Plan zu der Feier ersann Dr. Emil Jacobsen, der wohlbekannte Chemiker und Poet, dessen sinnigem inneren Schauen es schon so oft gelang, Vergangenes wieder wach zu rufen und in der Gestalt von Künstlerfesten zu verkörpern. Mit Eifer gingen die jüngeren Künstler Berlins auf seine Ideen ein und so wird, wenn ein günstiger Stern leuchtet, in dem Bernauer Festzuge die Abteilung der Berliner Künstler und ihrer Genossen ein Bild aus der Martertrwoche von 1432 gewähren, da Bernau in Bedrängnis war. Auch in Bernau werden große Anstrengungen für das Fest gemacht, denn es ist Hohenzollernwetter in Aussicht, es heiß bestimmt, der Kaiser werde kommen.

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