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Das Kreuz auf dem Marienkirchhof

Informationen

Literaturangabe:

Grässe, Johann Georg Theodor
Sagenbuch des preußischen Staates, Glogau 1868

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Das Kreuz auf dem Marienkirchhof

Das Kreuz auf dem Marienkirchhof

Auf dem Marienkirchhof zu Berlin befindet sich rechts vom Eingang unter dem Turm der Kirche ein uraltes, ziemlich roh gearbeitetes steinernes Kreuz mit fünf Löchern (wahrscheinlich zum Anbringen eines Kruzifixes bestimmt), welches sich aber früher an einer ändern Stelle befand, nämlich da, wo im Jahr 1726 das Küsterhaus hingebaut worden ist. Nach der gewöhnlichen Annahme soll dasselbe nach der hier im Jahr 1335 geschehenen Ermordung des Probstes Nicolaus von Bernau errichtet worden sein. Derselbe war nämlich in der Marienkirche wegen einer Aufforderung Rudolphs von Sachsen mit einigen von der Gemeinde hart zusammengeraten und hatte, als dieselben sich nicht fügen wollten, mit dem Bann gedroht, allein dadurch waren diese noch mehr erbittert worden, sie drängten ihn aus der Kirche heraus, und vor der Tür wurde der Unglückliche von dem wütenden Pöbel zu Boden gerissen, mit Füßen getreten und hauchte bald unter den Streichen der Rasenden sein Leben aus. Der Bischof von Brandenburg Johann III. tat hierauf die Stadt in Bann, und sein Nachfolger Stephan hob diesen dann erst 1347 wieder unter der Bedingung auf, daß die Gemeinde an der Stelle, wo der Mord verübt worden, ein Kreuz errichten und eine ewige Lampe in einem Kapellchen unterhalten würde. Eine Spur von diesem Lichtgestifte war lange nachdem das Kapellchen verschwunden war noch vorhanden, denn das Haus in der Spandauer Straße Nr. 76 wurde noch lange die Lampe genannt, und der Besitzer, ein Schmied, hieß im Volksmund der Lampenschmied.

Die Sage über die Entstehung dieses Kreuzes wird jedoch auch noch ganz anders erzählt. Es soll nämlich der Teufel dereinst gefunden haben, daß seit der Erbauung der Marienkirche ihm viele Seelen entgangen seien und mancher Sünder, auf den er schon mit Sicherheit gerechnet, sich gebessert habe und von unserem Herrgott wieder zu Gnaden angenommen worden sei. Da beschloß er denn, den ersten besten, den er an der Kirche erwischen könne, seinem Grimm zu opfern.

Nun trug es sich zu, daß gerade ein Feiertag war und ein armer Musikant nach alter frommer Sitte hoch oben auf des Turmes Zinnen einen frommen Choral in früher Morgenstunde blasen sollte, da packte ihn der Teufel beim Kragen und schleuderte ihn mit gewaltigem Ruck auf die Straße herab. Allein unser Herrgott hatte Erbarmen mit dem armen Mann, es erhob sich auf einmal ein fruchtbarer Sturm, der Wind fing sich in den Falten des Mantels des Herabstürzenden, und so wurde er langsam aus der schwindelnden Höhe hinab auf die Erde getragen, und die Stelle, wo er gesund und mit ungebrochenen Gliedern ankam, wird durch das steinerne Kreuz bezeichnet. Andere erzählen freilich, der vom Teufel herabgeschleuderte Stadtmusikus hätte an dieser Stelle wirklich seinen Geist aufgegeben, während wieder andere berichten, beim Neubau des Turms sei einer der Bauleute vom Teufel herabgestürzt worden und an jener Stelle verstorben.

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