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Das Schloß in Lübbenau

Informationen

Literaturangabe:

Veckenstedt, Edmund
Wendische Sagen, Märchen und abergläubische Gebräuche, Graz 1880

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Das Schloß in Lübbenau

Das Schloß in Lübbenau

Vor langen Jahren waren die Wenden noch ein mächtiges Volk. Sie führten mit den Nachbarvölkern Krieg und machten Raubzüge in ihr Gebiet. Auf einem dieser Züge machten sie eine große Menge Gefangene. Unter diesen war eine schöne blonde Frau, die Gemahlin eines mächtigen Fürsten, der sein Gebiet in weiter Ferne hatte. Die Frau lernte die Sprache der Wenden. Darauf erzählte sie viel von ihrer fernen, schönen Heimat, nach der ihre Sehnsucht so groß war, daß sie ihr ein halbes Jahr später erlag, nachdem sie einem Sohn das Leben gegeben hatte.

Der Junge war ein schönes, liebliches Kind. Deshalb nahm ihn eine Zauberin an und erzog ihn; sie hoffte durch ihn noch einmal ihr Glück zu machen. Als aus ihm ein Jüngling geworden war, hielt er sich stets im Spreewald auf. Er liebte die Bäume über alles, und die Schlangen waren seine besten Freunde. Fortan durfte kein Wende mehr eine Schlange töten. In Folge davon taten die Schlangen keinem Wenden mehr etwas, dem Jüngling aber wandten sie alle ihre Gunst zu. Saß er im Wald auf einem Baumstamm, so kamen sie herbei und spielten um ihn herum. Sie zeigten ihm auch heilkräftige Krauter, welche die Menschen schön und stark machen. Eines Tages war der Jüngling wieder im Spreewald. In der Ferne hörte er den Lärm eines Jagdzuges. Er mied den Lärm und drang tiefer in den Wald ein. Plötzlich sah er ein junges schönes Weib, das angstvoll die Augen auf eine Schlange geheftet hatte, welche eben im Begriff war, die Fremde in den Fuß zu stechen. Der Jüngling ließ sofort einen Pfiff erschallen, und die Schlange zog sich zurück.

Die schöne fremde Frau reichte ihrem Erretter die Hand und sprach ihm ihren Dank aus. Indem kam ihr Gemahl, ein fremder deutscher Fürst, zur Stelle. Sie erzählte ihm von der Gefahr und ihrer Rettung. Der Fürst, ein alter häßlicher Mann, stellte sich, als ob er dem Erretter seiner Frau sehr dankbar sei. Er lud ihn zu sich in sein Zelt und bewirtete ihn dort reichlich. In der Nacht aber gab er einem seiner Kriegsknechte den Befehl, er solle den Fremdling töten. Dieser lag im tiefsten Schlaf. Plötzlich erweckte ihn ein lauter Schrei: er sprang erschreckt von seinem Lager auf. Da sah er einen Kriegsmann mit gezücktem Schwert sterbend am Boden liegen, eine Schlange hatte ihn in den Fuß gestochen. Sofort erkannte er den Zusammenhang des Geschehenen. Die Schlange, welche ihn gerettet hatte, gab ihm ein Zeichen, er solle ihr folgen. Das tat er. Die Schlange geleitete ihn sicher und unbemerkt durch die Mannen des fremden Fürsten. Darauf führte sie ihn an einen freien, lichten Platz, auf welchem sich ein kleiner Hügel befand. Vor dem machte die Schlange halt und deutete ihm an, er solle den Hügel durchsuchen. Das tat der Jüngling. Da fand er im Hügel das alte Schwert und den Schatz der Wenden. Als er sich mit dem Schwert umgürtet hatte, erkannten ihn die Wenden als ihren Herrn und Führer an. Schnell sammelte er eine Schar von Wendenkriegern um sich. Mit diesen erstürmte er die Burg des fremden Fürsten und erschlug diesen mit eigener Hand. Die junge Fürstin aber wurde sein Weib.

Darauf erbaute er sich von dem Schatz der Wenden in der Stadt Lübbenau ein Schloß. Da er den Schlangen all sein Glück verdankte, so hielt er diese in hohen Ehren. Auch seine Nachkommen haben dann die Schlangen hoch und heilig gehalten. Seine Nachkommen aber sind die jetzigen Grafen Lynar.

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