Hier finden Sie alles rund
um die Literatur Berlins
und Brandenburgs:
Institutionen, Archive,
Bibliotheken, Gedenkstätten,
aber auch heimische Sagen,
Eindrücke klassischer Autoren,
und einen kleinen literatur-
geschichtlichen Überblick.

Der heilige Polykarpos bekehrt die Semnonen in Guben zum Christentum

Informationen

Literaturangabe:

Sausse, Wilhelm
Neues Lausitzisches Magazin, 43. Band, Görlitz 1866

zurück

Der heilige Polykarpos bekehrt die Semnonen in Guben zum Christentum

Der heilige Polykarpos bekehrt die Semnonen in Guben zum Christentum

Die alten von jeher bürgergewaltsstolzen, freiheitsliebenden, ihre ausgedehnten Vorrechte zu ihrem Vorteil reichlich ausbeutenden und unbeugsamen Mutes kräftigst schirmenden Bürger Gubens, welche die ihnen von Gott geschenkten Güter zu Erheiterung und Verschönerung ihres kurzen irdischen Daseins dankbar und fröhlich verwendeten, achteten doch Gottesfurcht, innere und äußere Frömmigkeit, Kirchlichkeit sehr hoch.

Wir dürfen uns also keinesweges wundern, daß die alten freiheitsstolzen und unermüdlich arbeitsamen Gubener Bürger mit einer gewissen Vorliebe bei jeder schicklichen Gelegenheit auf die Gottesfurcht und die Frömmigkeit der Vorfahren, sogar der Ureinwohner, der heidnischen Semnonen, hinweisen, und zu deren höherem Ruhm kindlich unbefangen sich haben verlocken lassen.

Die der mittelalterlichen deutschen Dichtung lebhaft zugeneigte Stadt Guben ist erstaunlich reich an Sagen gewesen, nach denen die Heiligen der christlichen Kirche ihre Huld der Stadt zu beweisen sich um die Wette beeifert haben. Eine der wunderlichsten will ich hier mitteilen.

Der dem Herrn und Heiland geliebteste Jünger Johannes empfing, als er auf Patmos weilte, eine Erleuchtung von oben. Er sah nämlich im fernen Norden das fromme Volk der Semnonen, welches nach der Erlösung aus den Finsternissen des Heidentumes schmachtete. Deshalb bewog er seinen Schüler Polykarpos, zu den Semnonen zu wandern, um ihnen die christliche Heilslehre zu verkünden. Polykarpos erfüllte gehorsam den Auftrag seines Meisters, wurde von den gottesfürchtigen und lernbegierigen Semnonen freundlichst aufgenommen, blieb bei ihnen ein Jahr lang, gewann währenddessen viele für das Christentum und reiste, nachdem er es befestigt zu haben glaubte, zurück nach Patmos.

Durch diese Sage begründeten ehemals die Gubener Bürger die stolze Behauptung, daß sie unter allen Deutschen die ältesten Christen wären.

Auf der Stelle an der Neiße, wo nachmals das Kloster erbaut worden ist, soll Polykarpos die Heiden unterrichtet und getauft haben.

1

Orte mit Bezug zum Text