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Der Klostergang von Marienwalde

Informationen

Literaturangabe:

Müller, Paul
Sagenschatz des Landes Friedeberg. Sagen, Bräuche, Sprüche, Friedeberg 1924

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Der Klostergang von Marienwalde

Der Klostergang von Marienwalde

Als in Marienwalde noch die Mönche wohnten, führte ein unterirdischer Gang von der Kirche nach dem Dorf Klosterfelde. Schon längst aber wollte kein Mensch mehr das uralte, schaurige Gemäuer betreten, aus Furcht, in der Tiefe umzukommen. Da wurde einem Mann, der wegen schweren Verbrechens zum Tod verurteilt war, Gnade versprochen, wenn er sich entschlösse, den Gang zu erforschen. Der arme Sünder war froh, daß ihm noch ein Weg blieb, sein Leben zu retten, und er stieg mit einem Licht hinab in das dunkle Gewölbe. Als er schon eine lange Strecke in der Tiefe gewandert war, bemerkte er von ferne zwei Hunde, die mit großen feurigen Augen vor einer eisernen Tür Wache zu halten schienen. Er fürchtete, sie würden ihn verschlingen, behutsam näherte er sich ihnen; aber sie rührten sich nicht und ließen ihn ungehindert vorbeigehen. Als er an der eisernen Tür gepocht hatte und sich niemand meldete, drängte er mit aller Macht dagegen, und mit einem Krach sprang sie auf. Da gewahrte er zwei riesige Männer, die vor einem großen Haufen Gold saßen. Mit finstern, grimmigen Mienen fragten sie ihn, wie er sich erdreisten könne, diesen Ort zu betreten, und was er hier wolle; er müsse sogleich des Todes sterben. Der arme Sünder antwortete ihnen, er sei zum Tod verurteilt worden, und sein letztes Stündlein hätte geschlagen, wenn er nicht den Gang erforschen würde. Da schenkten ihm die beiden das Leben, fügten aber hinzu, nie dürfe er diesen Ort wieder betreten, das wäre sein sicherer Tod. Sie gaben ihm darauf goldene Abendmahlsgeräte, Kelch und Patene (Hostienteller), mit der Weisung, diese den Klosterleuten zu überbringen. "Wenn aber die Mönche", versetzten sie, "nicht achtgeben, so werden ihnen die Geräte wieder gestohlen, und das Kloster wird bald von einem schweren Unheil heimgesucht werden." Der Mann gelangte glücklich wieder aus dem Gang heraus, übergab den Mönchen den Schatz und richtete ihnen den Auftrag aus. Ihm wurde das Leben geschenkt. Die Geräte aber sind bald darauf doch gestohlen worden, und noch im selben Jahr äscherte eine Feuersbrunst einen großen Teil des Klosters ein.

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