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Der letzte Graf von Ruppin

Informationen

Literaturangabe:

Haase, Carl Eduard
Sagen der Grafschaft Ruppin und Umgebung, Neu-Ruppin 1887

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Der letzte Graf von Ruppin

Der letzte Graf von Ruppin

Die Grafen von Lindow, Herren zu Ruppin und Möckern, stammten aus dem alten thüringischen Geschlecht der Grafen von Arnstein und kamen mit den anhaltinischen Fürsten in die Mark. Sie nahmen allezeit eine hohe Stellung ein, wurden fürstlichen Personen gleich geachtet und waren meist streitbare und kluge Herren, die stets in der Geschichte der Mark eine Rolle spielten. Ein eigentümliches Familienzeichen sollen alle mit auf die Welt gebracht haben, ein Loch im Ohr, wie ein alter Bericht sich ausdrückt, an der Stelle, wo andere Menschen sich erst eins müssen stechen lassen, wenn sie etwas hineinhängen wollen.

Der letzte war Graf Wichmann, der im 21. Lebensjahr unvermählt starb. Schon als Kind hatte er, wie ein Zeitgenosse von ihm rühmt, die Weisheit eines Greises. Da sein Vormund starb, als Wichmann kaum 17 Jahre alt war, erklärte ihn Kurfürstjoachim I., der auch sehr jung zur Regierung gekommen war, für mündig. Dies war im Jahr 1520. Als er im Jahr 1524 vom Kurfürsten zur Hochzeit des Herzogs Albrecht von Mecklenburg verschrieben wurde, war er an den Pocken erkrankt gewesen, machte sich aber zu früh hinaus und ging nach Berlin, dieser Feierlichkeit beizuwohnen. Zurückgekehrt nach Ruppin, verfiel er auf der Jagd plötzlich in ein hitziges Fieber. Er wurde nach Hause und in einem stark geheizten Zimmer ins Bett gebracht. Das nahm ihm das Leben. Vergeblich sehnte er sich nach einem Arzt, der aus Berlin hätte herbeigeholt werden müssen. Es fehlte an barem Geld dazu, und man hielt in seiner Dienerschaft die Krankheit auch nicht für so bedeutend. Am 26. Februar fühlte der Graf jedoch das Herannahen des Todes. Er machte sein Testament, in welchem er besonders die benachbarten geistlichen Stiftungen bedachte, um ihnen die Fürbitte für sein Seelenheil zu empfehlen. Als Hans von Ziethen der Alte ihn bei dieser Gelegenheit fragte: "Wem verlassen Ew. Gnaden Land und Leute?" antwortete er: "Dem Kurfürsten." Er starb am zweiten Tag hiernach, und mit seinem Leben erlosch am Sonntag Oculi den 28. Februar 1524 das alte edle Geschlecht.

Den Schwestern des Verstorbenen, den Gräfinnen Anna und Apollonia, wurde neben einer entsprechenden Aussteuer alles in den Häusern zu Ruppin, Neustadt und Goldbeck vorgefundene bare Geld, Silbergeschirr, Bettgerät und sonstiges Gerät, Vieh, Korn und dergl. mehr überlassen oder vergütet, ausgenommen ein Pferd, gesattelt und gezäumt mit einer Barsen, Stirn- und Strohlenhals, einen Streithammer, ein Schwert, ein Bett mit einem Kissen, ein paar Laken, ein Tischtuch, ein Handtuch und zwei Becken. Diese Gegenstände wurden dem Kurfürsten nach alter Gewohnheit als Heergewette vorausbeschieden.

Vergeblich versuchte der Freiherr von Geroldseck, der Gemahl der Gräfin Anna, Ansprüche auf die Grafschaft Lindow selbst zu machen, Joachim II. räumte nur 1548, man weiß nicht, aus welchem Grund, der Gräfin Anna und ihren Nachkommen die Anwartschaft auf alle in der Grafschaft ledig werdenden adligen Lehen ein. So ein Fall trat aber nie ein. Die Burg der Grafen von Altruppin hat bis zum Ende des vorigen Jahrhunderts noch zum Teil gestanden; wo man, als Neuruppin abbrannte, die Steine abgebrochen und zum Aufbau dieser Stadt mit verwandt hat. Bei der Schiffbarmachung des Rhin 1836 fand man an der langen Brücke eine eiserne Hand wie die Berlichingens und ein paar Schwerter, welche Stücke in das Museum des Gymnasiums zu Neuruppin gelangt sind. Wo die Burg gestanden, ist jetzt das Rentamt; nichts erinnert mehr an die alte Zeit, nur um Mitternacht will man noch öfter eine weiße Frau sehen, die kommt von dort herunter mit einem Schlüsselbund an der Seite und schreitet die Hauptstraße entlang bis zur Brücke; dann kehrt sie um; sie findet aber nicht mehr die Stätte, die sie zu hüten hatte.

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