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Der Schatz im Brunnen des Schloßhofes zu Wiesenburg

Informationen

Literaturangabe:

Brachwitz, Oskar
Sagen aus dem Kreis Zauch-Belzig, Belzig 1937

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Der Schatz im Brunnen des Schloßhofes zu Wiesenburg

Der Schatz im Brunnen des Schloßhofes zu Wiesenburg

Mitten im Burghof zu Wiesenburg steht ein reichverziertes Brunnenhäuschen. Aus der Wendenzeit her soll auf dem Brunnenboden ein Schatz ungehoben ruhen. Man erzählt, daß den Brunnenboden eine mächtige Steinplatte bilde. Unter ihr ruhe ein prächtiger Goldschmuck des Wendenkönigs Pribislav, nur in der Nacht zum 1. Mai sei es möglich, ihn zu heben. In dieser Zeit verlaufe sich nämlich auf eine geheimnisvolle Weise das Wasser, und der Brunnengrund liege trocken da. Wer nun, ohne dabei zu sprechen, die Platte höbe, könne sich in den Besitz des Schatzes setzen. Vor vielen Jahren haben sich denn auch zwei Bewohner Wiesenburgs, ein Flame und ein Wende, aufgemacht, den Schatz zu suchen. Als die Uhr vom Bergfried her die zwölfte Stunde rief, ließen sie sich in den tiefen Brunnenschacht hinab. Das Wasser war fort, und sie fanden auch richtig die Steinplatte, die den Schatz verschloß. Schnell machten sie sich an die Arbeit. Schaurig hallten die Schläge mit der Hacke an den Brunnenwänden wider und tönten zu den grauen Burgmauern hinauf, kamen zurück und ballten sich wieder zu schrecklichem
Getöse. Als die Schatzgräber einen Augenblick Atem schöpften und ihre Köpfe von dem mühseligen Werk aufhoben, bot sich ihnen ein fürchterlicher Anblick. Auf dem Rand des Brunnenhäuschens saßen entsetzliche Gespenster mit Hörnern, Kuhfüßen und Schwänzen, die bemüht waren, einen Galgen aufzurichten. Den Männern trat bei diesem Anblick der kalte Schweiß auf die Stirn. Aber ihrem Ziel so nahe, wollten sie die Arbeit nicht aufgeben und begannen aufs neue an der Platte zu zerren, die sich bereits zu heben begann. Hierdurch lebte ihr Mut wieder auf, ihre Kräfte vermehrten sich, der Stein hob sich schon, als sich vom Brunnenrand eine schreckliche Stimme hören ließ: "Welchen von den beiden Geldgierigen soll ich denn aufhängen?" Die Gemeinten hoben erschrocken die Augen und sahen den Galgen bereits fertig dastehen. "Den Holländer hängt auf!" ertönte es jetzt dumpf zur Antwort. Da war aber auch des soeben Verurteilten Mut zu Ende, und mit dem verzweifelten Ausrufe: "Gnade für mich!" fiel er in die Knie. Damit war aber auch das Werk vereitelt. Ein Donncrschlag ertönte, Galgen und Teufel verschwanden. Die Platte, hinter der Gold und Silber bereits verführerisch geglänzt hatten, sank in ihre alte Lage zurück, und nur die schleunigste Flucht konnte die zwei vor dem Tod des Ertrinkens retten, da der Brunnen bereits anfing, sich schnell wieder mit Wasser zu füllen.

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