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Der Teufelssee

Informationen

Literaturangabe:

Scharnweber, Robert; Jungrichter, Otto
Sagen, Anekdoten und Schnurren aus dem Kreise Luckau, Berlin 1933

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Der Teufelssee

Der Teufelssee

Der Teufelssee ist von jeher ein Ort gewesen, von welchem man Spuk- und Teufelsgeschichten jeder Art erzählt hat, und seine einsame dunkle Lage am Fuß des 200 Fuß hohen waldigen Ravensberges, die alten seltsam geformten dunkelgrünen Kiefern, welche an seinen Ufern stehen und die langen entblößten Wurzeln zu der finstern, fast kreisrunden Wasserfläche hinabstrecken wie das tiefe, nur vom Rauschen der Zweige oder dem kreischenden Geschrei eines Raubvogels unterbrochene Schweigen, welches stets in diesem abgelegenen Talkessel herrscht, machen ihn völlig geeignet zum Schauplatz unheimlicher oder geheimnisvoller Ereignisse. Noch jetzt, versichert man, lebe in dem unergründlichen See nur eine eigene Art schwarzer Fische, nie lasse sich ein Vogel auf seine Oberfläche nieder, und nur Raubtiere stillten ihren Durst mit seinem Wasser.

Wo jetzt der See ist, soll vor alten Zeiten ein Götzenbild gestanden haben, zu welchem auch nach der Bekehrung der Wenden durch das Schwert Heinrich des Voglers zum Christentum noch lange Zeit seine Verehrer aus der Umgegend herbeikamen, um ihre Opfer zu bringen und seine Gunst zu erbitten. Der Teufel aber hat das Götzenbild davongetragen und das seine an die Stelle gesetzt. Da nun die Wenden nur des Nachts bei Mondschein zum Opfern gekommen sind, haben sie den Tausch nicht bemerkt, und der Teufel hat sich lange Zeit sehr darüber gefreut, daß man ihn angebetet in christlichen Landen, hat auch allerlei Zeichen und Wunder getan, so daß sich der Ruf des Götzenbildes am Ravensberg immer weiter verbreitete und von nah und fern immer zahlreichere Wallfahrten im geheimen dahin gemacht wurden; die dann des Nachts bei Fackelschein und hoch lodernden Feuern die alten heidnischen Feste in dem abgelegenen Tal begingen.

Die Geistlichkeit hatte zwar davon gehört, doch vermochte sie in dem dichten Wald den Opferplatz nicht aufzufinden, wenn sie hinauszog mit ihren Lehnsmannen, unter denen manche gar wohl im Dunkeln den Weg zu finden wußten; und ließ sie in den Nächten der alten Götzenfeste den Wald umstellen, um den Wallfahrern aufzulauern, so wurden die Wächter geschreckt durch gräßliche Töne und geistverwirrende Erscheinungen, oder man fand diese am ändern Morgen zerrissen und entstellt auf den Kreuzwegen.

Da ist endlich vom Bischof von Brandenburg ein Mönch aus Italien, ein berühmter Geisterbanner und Teufelsbeschwörer, in die Gegend geschickt worden, der hat sich lange Zeit heimlich im Kloster zu Lehnin und Saarmund aufgehalten, bis er genug ausgeforscht und erfahren; dann ist der heilige Mann wiedergekommen mit großer Vollmacht von den Bischöfen zu Magdeburg, Havelberg und Brandenburg und hat ein Ketzergericht niedergesetzt zu Saarmund im Kloster. Dahin sind viele berufen, die des Götzendienstes verdächtig waren, und diejenigen, welche solcher Sünde überwiesen worden, sind all hingerichtet, die Zeugen aber haben Vergebung und Ablaß erhalten. Dann hat der Mönch die Ritter und Herren, Lehnsvögte und Bürger aufgefordert zu einem Zug zur Zerstörung des Götzenbildes, und an drei Sonntagen vorher sind alle Glocken ringsumher geläutet und Ablaß von den Kanzeln verkündet worden. Am vierten Sonntag ist dann der Zug von Saarmund aus aufgebrochen; die Mönche voran mit Kerzen und Weihwasser.

Die Reisigen haben alsbald den Ravensberg in einem weiten Kreis umstellt, der nachher immer dichter geschlossen wurde. Als der Zug ausgezogen am Morgen, ist es helles schönes Wetter gewesen, kaum aber ist er in den Wald gekommen, so hat sich ein heulender Sturm erhoben, und dicke Gewitterwolken haben sich über der Kuppe des Berges zusammengezogen; darauf ist eine ängstlich schwüle Stille ein-
getreten, und kein Blatt am Baum hat sich geregt. Der Kreis aber ist bald hier, bald dort durch Wölfe und anderes Raubwild auseinandergesprengt und erschreckt worden. So hat es bis zum Nachmittag gewährt, als endlich die Prozession an die runde Mooswiese im Grund des Tals gelangte, in deren Mitte unter dem uralten Kreis von fast abgestorbenen Kiefern das Götzenbild vor dem Opferstein stand.

Um diese Wiese schritt nun der Mönch, geheimnisvolle Gebete murmelnd, mit dem Weihwasser, pflanzte am Rand derselben kleine Kreuze von geweihtem Holz auf und stellte sich dann außerhalb des so bezeichneten Ringes dem Götzenbild gegenüber mit seinen Gehilfen und den heiligen Geräten auf. Noch immer währte die ängstliche Stille, nur vom Fußtritt des hagern bleichen Mönches in der weißen Kutte und seinen fremdländischen Worten unterbrochen. Kaum aber begann er mit dumpfem Ton seine Beschwörung, da senkte sich die dunkle Wetterwolke in das Tal herab, so daß dort eine unheimliche Dämmerung herrschte wie bei einer Sonnenfinsternis. Aus der Wolke aber blitzte es Strahl auf Strahl, und der Donner schmetterte ohne Aufhören, während der Regen prasselnd von allen Seiten niederrauschte, so daß von den Bergwänden das Wasser in Strömen herabstürzte. Durch das Toben der Elemente aber hörte man in Zwischenräumen die Beschwörungsformeln des Mönches, der sich nicht einen Augenblick in seiner Handlung stören ließ. Nach einiger Zeit rollten sich die Wolken wie mächtige Ballen an den Talwänden in die Höhe und wölbten sich gleich einer Kuppel über dem Grund; die sinkende Sonne warf ihre Strahlen gegen dieselbe, die mit einem so gelben Licht zurückgeworfen wurden, daß der ganze Raum in gelbgrünem Feuer zu brennen schien.

Auf das sinnverwirrende Toben war eine lautlose Stille gefolgt; diese tote Stille war aber viel schauerlicher als das Rauschen und der Donner vorher. Die geblendeten Menschen bebten und schirmten ihre Augen vor dem grellen Licht; der bleiche Mönch jedoch erhob lauter seine Stimme, und die geheimnisvollen Worte hallten durch den Wald wie durch die Säulen einer Kirche. Dann ergriff er das Kruzifix und den Weihwedel und nahte sich dem Kreis; nun erschollen von allen Seiten, aus der Erde und aus der Höhe so gräßliche und nie gehörte Töne, und es brauste, rauschte, pfiff und heulte so grausig, daß die Reisigen und Klosterbrüder niedersanken und ihre Häupter verbargen. Der fremde Mönch aber ging laut betend dem Kreis näher. Da wurde es plötzlich tiefe, finstre Nacht, dann schmetterte ein heller Blitzstrahl dicht vor dem Mönche nieder in den Kreis - der aber schritt festen Fußes weiter, die Hände hoch aufgehoben, in der einen das Christusbild, in der ändern das geweihte Wasser, gewaltig ausrufend die zwingende Beschwörung. Schon berührte sein Fuß den Kreis, da barst in diesem die Erde gähnend auf, das Teufelsbild sank unter in die Tiefe, aus der ein erstickender Brodem emporstieg, und der dunkle schweigende See füllte seit der Zeit den Boden des Tals.

Wer aber später unheimlichen Verkehr mit dem Bösen hat pflegen wollen, der brauchte nur hinauszugehen an den See um die Mitternachtsstunde und seinen Namen dreimal über das Wasser hin zu rufen.

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