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Der Werwolf

Informationen

Literaturangabe:

Morgenstern, Christian
Alle Galgenlieder, Leipzig o.J. (1971)

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Der Werwolf

Der Werwolf

Ein Werwolf eines Nachts entwich
von Weib und Kind und sich begab
an eines Dorfschullehrers Grab
und bat ihn: ?Bitte, beuge mich!?

Der Dorfschulmeister stieg hinauf
auf seines Blechschilds Messingknauf
und sprach zum Wolf, der seine Pfoten
geduldig kreuzte vor dem Toten:

?Der Werwolf,? sprach der gute Mann,
?des Weswolfs, Genitiv sodann,
dem Wemwolf, Dativ, wie mans nennt,
den Wenwolf, - damit hats ein End.?

Dem Werwolf schmeichelten die Fälle,
er rollte seine Augenbälle.
?Indessen,? bat er, ?füge doch
zur Einzahl auch die Mehrzahl noch!"

Der Dorfschulmeister aber mußte
gestehn, daß er von ihr nichts wußte.
Zwar Wölfe gäbs in großer Schar,
doch ,Wer? gäbs nur im Singular.

Der Wolf erhob sich tränenblind
er hatte ja doch Weib und Kind!!
Doch da er kein Gelehrter eben,
so schied er dankend und ergeben.

[Christian Morgenstern (1871-1914) lebte seit 1894 mit Unterbrechungen in Berlin. Die erste Ausgabe der "Galgenlieder", denen das "Werwolf"-Gedicht entnommen ist, erschien 1905 in Birkenwerder bei Berlin. 1915 lagen sie bereits in 15. Auflage vor. Die Galgenlieder von Morgenstern gehen wahrscheinlich auf den Galgenberg bei Werder zurück, wohin der Dichter häufig Ausflüge mit seinen Freunden, u.a. mit dem Dramatiker Georg Hirschfeld und dem Schauspieler Friedrich Kayßler, unternahm.]

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