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Dichterstätten im Berliner Umland

Informationen

Literaturangabe:

Walther, Peter
Märkische Dichterlandschaft. Ein historischer Literaturführer durch die Mark Brandenburg, Stuttgart 1998

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Dichterstätten im Berliner Umland

Im 20. Jahrhundert war die kulturelle Sogwirkung der Metropole Berlin stärker denn je. Die bedeutenden Schriftsteller zogen in der ersten Jahrhunderthälfte, wenn sie vom Lande kamen, früh in die Großstadt; jene Autoren, die aus Berlin wegzogen, ließen sich zumeist im näheren Umland nieder. Einzig Potsdam blieb - nicht zuletzt wegen der Nähe zu Berlin - ein literarisches Zentrum mit beachtlicher Anziehungskraft. Zu den Schriftstellern, die aus der Mark Brandenburg stammen, das Land aber bald verlassen haben, gehören Gottfried Benn (1886-1956), Richard Dehmel (1863-1920), Günter Eich (1907-1972), Paul Gurk (1880-1953), Moritz Heimann (1868-1925), Klabund (1890-1928) und Ehm Welk (1884-1966). Benn hat von seinem Geburtsort Mansfeld in der Westprignitz keine Erinnerungen behalten können, da die Familie schon bald nach Sellin in der Neumark zog. Sein Abitur absolvierte er am Friedrichs-Gymnasium in Frankfurt (Oder), um dann in Marburg und Berlin zu studieren. Am selben Gymnasium legte wenige Jahre später der gebürtige Crossener Alfred Henschke das Abitur ab. Henschke schrieb in seiner kurzen Schaffenszeit – er starb schon früh an Tuberkulose - unter dem Namen Klabund nicht weniger als 76 Bücher. Sein bekanntestes Buch ist - neben dem Gedichtband „Die Harfenjule“ (1927) - der Eulenspiegel-Roman „Bracke“ (1918), bei dem ihm das Clauert-Buch des Trebbiner Stadtschreibers Batholomäus Krüger als Vorlage diente. Auch Klabund verließ Frankfurt nach dem Abitur, um in München und Lausanne zu studieren. Den Kleist-Preisträger von 1921, Paul Gurk, verbindet nur der biographische Zufall der Geburt mit Frankfurt (Oder) – schon fünf Jahre später, nach dem Tod des Vaters, zieht die Familie nach Berlin.

Der Lyriker und Hörspielautor Günter Eich wurde in Lebus (auf der heute polnischen Uferseite der Oder) geboren und verbrachte seine frühe Kindheit hier – bereits 1918 zog die Familie nach Berlin. In einigen Gedichten Eichs klingt die frühe Prägung durch die Landschaft an der Oder an. Im Dörfchen Kagel, östlich von Berlin, ist der Novellist, Essayist und Lektor Moritz Heimann aufgewachsen, der ab 1886 in Berlin studierte und dort durch Vermittlung von Gerhart Hauptmann den Verleger Samuel Fischer kennenlernte. Noch im selben Jahr wurde Heimann Cheflektor des Fischer Verlags und später einer der angesehensten deutschen Literaturkritiker. In jüngster Zeit hat sich besonders Günter de Bruyn um die Verbreitung von Heimanns Werk verdient gemacht. Die Straße in Kagel, in der das Wohnhaus Heimanns steht, ist heute übrigens nach Gerhart Hauptmann benannt. In Biesenbrow bei Angermünde (Uckermark) wurde Ehm Welk geboren, der nach einer kaufmännischen Lehre als Journalist, Dramaturg und seit 1928 als Chefredakteur von Ullsteins „Grüner Post“ in Berlin arbeitete. Wegen eines Leitartikels („Herr Reichsminister, ein Wort, bitte!“), in dem er Goebbels kritisierte, wurde Welk 1934 für einige Tage in das Konzentrationslager Oranienburg eingeliefert und erhielt danach ein beschränktes Schreibverbot. In seinen „Kummerow“-Büchern, die seit 1937 in hoher Auflage erschienen und auch heute noch zu den beliebten Jugendbüchern gehören, schildert Welk anhand autobiographischer Aufzeichnungen seines Vaters und eigener Erinnerungen anschaulich das Leben in einem uckermärkischen Dorf.

Rings um die Großstadt Berlin lagen die Refugien der Dichter, Verleger und Publizisten, die im Laufe der Jahrzehnte aus den unterschiedlichsten Gründen aus der Stadt flohen: Gerhart Hauptmann (1862-1946) haben gesundheitliche Probleme bewogen, sich in Erkner anzusiedeln; Hans Fallada (1893-1947), der sich für ein halbes Jahr in Berkenbrück bei Fürstenwalde niederließ, mußte sich aus der Schußlinie der Nazi-Kulturbürokratie bringen; Gertrud Kolmar (1894-1943) versuchte, sich in Falkensee vor der rassistischen Verfolgung durch die Nazis in Sicherheit zu bringen. Dagegen haben Georg Kaiser (1878-1945) und der Verleger Ernst Rowohlt (1887-1960) am Stadtrand in Grünheide sowie der naturalistische Dramatiker Hermann Sudermann (1857-1928) im weiter abgelegenen Blankensee vor allem das Privileg genossen, im Grünen zu wohnen und dennoch das kulturellen Leben und die Kontaktmöglichkeiten der Großstadt nicht entbehren zu müssen. Sudermann hatte 1902 in Blankensee (bei Trebbin) dem überschuldeten Viktor von Thümen ein Schlößchen abgekauft, in dem er schon seit 1897 gelegentlich zur Miete wohnte. 1918 zog Paul Zech, der in diesem Jahr den Kleist-Preis erhielt, mit seiner Familie nach Bestensee, wo er bis 1922 lebte. In jener Zeit entstanden mehrere Antikriegsbücher, der Gedichtband „Der Wald“ (1920) und das Stück „Verbrüderung“ (1921).

In Freienwalde hatte sich seit 1909 der Industrielle und Intellektuelle Walther Rathenau (1867-1922), von Februar 1922 bis zu seiner Ermordung deutscher Außenminister, ein Sommerdomizil geschaffen. Hier waren des öfteren Dichter wie Gerhart Hauptmann oder Fritz von Unruh zu Gast. Als Beteiligter an der Ermordung Rathenaus wurde Ernst von Salomon (1902-1972) in einer Gaststätte in Grünheide verhaftet. Salomon, der nach Verbüßung seiner Haft zu schreiben begonnen hatte („Die Geächteten“, 1930), ist später vor allem mit seinem umstrittenen autobiographischen Nachkriegsbuch „Der Fragebogen“ (1951) bekannt geworden, das zu den ersten Bestsellern in der jungen Bundesrepublik gehörte. Seit 1921 lebte Georg Kaiser in Grünheide - als meistgespielter expressionistischer Dramatiker eine zeitgenössische Berühmtheit, die überdies durch einen Skandal auf sich aufmerksam gemacht hatte: Kaiser, der trotz hoher Einnahmen zeitlebens Geldprobleme hatte, war im Jahr zuvor wegen Unterschlagung zu einem Jahr Haft verurteilt worden. Dank der treuen Fürsorge seines Freunds und Verlegers Gustav Kiepenheuer, der für Kaisers Schulden bürgte, mußte der Dramatiker nur für wenige Wochen ins Gefängnis. In Grünheide begann Kaisers produktivste Schaffensphase (es entstanden allein 19 Stücke) und zugleich, wie er später bekannte, seine glücklichste Lebenszeit. 1938 emigrierte der Dramatiker, dessen Stücke seit 1933 in Deutschland nicht mehr aufgeführt werden durften, in die Schweiz.

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