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Die Glocke des Ritters Winfried in Wiesenburg

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Die Glocke des Ritters Winfried in Wiesenburg

Die Glocke des Ritters Winfried in Wiesenburg

Der Ritter Winfried von Wiesenburg hatte sich gerade eine reizende Frau aus der nahen Burg Rädigke genommen und mußte plötzlich seinem Bruder im fernen Thüringen zu Hilfe eilen, da dessen Feste wilde Slawenhorden überfallen hatten. Als es nun zwischen ihm und seiner weinenden Gattin zum Scheiden kam, reichte er ihr eine kleine silberne Glocke und sprach: "Nimm die Glocke, die mir einst die Nixe unseres Schloßteiches geschenkt hat. Hänge sie ruhig in dein Gemach, solange sie schweigt, darfst du mich lebend denken, falle ich in der Schlacht oder erliege den Wunden oder einer heftigen Krankheit, dann wird dir dies Glöcklein die Stunde meines Todes ansagen. Solltest du mir die Treue brechen, so wird mein Herz zur selben Stunde zerspringen, und die Glocke wird es dir gleichfalls mitteilen." So schieden sie im tiefsten Leide.

Es schwanden Wochen und Monate, und keine Kunde von dem Grafen kam auf die einsame Feste auf dem Fläming. Die Gräfin hatte die Bitte des Grafen erfüllt und die kleine Glocke über ihrem Betaltar aufgehängt. Anfangs betrachtete sie diese mit Grauen, da sie immer dachte, sie könne erklingen und sie mit namenlosem Schmerz erfüllen. Aber wieder verging ein Jahr und noch eins, und immer noch war die Glocke nicht erklungen. Die junge Frau betrachtete sie auch nicht mehr mit geheimem Schauer, sondern mit gleichgültigen Blicken, obgleich sie noch immer in Liebe und Sehnsucht des fernen Gatten gedachte.

Nicht weit von hier, auf der Feste Niemegk, wohnte ein junger Ritter, der in größter Liebe für die vermeintliche Witwe entbrannt war. Er bestürmte sie mit Anträgen, die sie anfangs standhaft zurückwies. Doch allmählich siegte in ihr das Verlangen, nicht mehr so allein zu sein, und sie gab dem Drängen des Ritters nach. Nun erzählte sie ihm auch, daß sie ihren Gemahl noch am Leben glaube, und teilte ihm die Bewandtnis mit der Glocke mit. Da lächelte der Junker mitleidig und ungläubig und meinte, das wäre nur so eine List ihres guten Mannes gewesen, da er ihre Schönheit und Reize keinem andern gönne, habe er ihr die Mär von der Glocke aufgebunden. Es wäre wohl das Beste, er werfe die Glocke wieder in den See, da könne sie sich die Nixe, die es natürlich auch nicht gäbe, wiederholen. So beredete der Ritter die schöne Gräfin, daß sie ihres Gatten Warnung vergaß und ihm die Treue brach. Als nun der Liebestrunkene nach der Glocke greifen wollte, um sie in den See zu werfen, da schlug diese plötzlich drei helle Schläge. Schaudern erfaßte den Ritter, und er stand unbeweglich und marmorbleich vor der Glocke. Da sah er, wie sich das Fenster auftat, eine weiße, nasse Hand nach ihr griff und mit ihr verschwand. Die junge Burgherrin stürzte sich aber der Glocke nach in den tiefen, grundlosen Schloßgraben. Doch der Graf war zur selben Stunde in Thüringen gestorben.

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