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Die Panuschka

Informationen

Literaturangabe:

Veckenstedt, Edmund
Wendische Sagen, Märchen und abergläubische Gebräuche, Graz 1880

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Die Panuschka

Die Panuschka

Zwischen den Dörfern Jamlitz und Blasdorf erhebt sich in der Heide die Panuschka, ein Hügel, welcher die ganze Gegend beherrscht. Mit diesem Hügel hat es eine eigene Bewandtnis, ist doch in alten Zeiten auf ihm der eigentliche Sitz des Wendenkönigs gewesen. Der Gipfel des Hügels hat des Königs Schloß getragen, und von der Höhe des Schlosses hat eine rote Lederbrücke nach dem Gipfel eines Berges bei Fehrow geführt.

Niemand hat das Schloß zu sehen vermocht, denn blaue Flammen haben es stets umloht.

Rings um den Hügel ist ein großer See gewesen, welchen niemand befahren durfte; wer das unternahm, fand im Wasser seinen Tod.

In dieser von Flammen umlohten Burg lebte der König der Wenden, ihm waren die Geschicke aller Völker bekannt, so daß er seinen Wenden die weisesten Ratschläge zu geben vermochte.

Auf dem Festland ließ er sich nur in den Zeiten der tiefsten Not sehen und stand dann den bedrängten Wenden tatkräftig zur Seite. Wenn er das Schloß verließ, so bestieg er einen roten Kahn, um an das Festland zu gelangen. Dann erhob sich der See, und die Wellen stürmten wie rasend gegen sein Schifflein, allein mit einem roten Stab zerteilte er die Wogen und gelangte glücklich an das Ufer, wo die Wenden seiner harrten. Dann verwandelte der König sich in einen Jüngling und trat so unter die Wenden, dem Stab gab er die Gestalt eines Raben, und der begleitete ihn stets.

Dem Wendenkönig war bekannt, daß das Wendenvolk untergehen würde und daß mit diesem Untergang der Verlust seiner Herrschaft verknüpft sei. Da er an diesem Geschick nichts ändern konnte, so beschloß er, das Verderben auch der Feinde herbeizuführen. Als nun eines Tages die Heere der Feinde und der Wenden kampfgerüstet einander gegenüberstanden, ließ er ein furchtbares Unwetter aufsteigen. Die Wolken entluden sich, statt des Regens aber strömte Sand in solcher Fülle hernieder, daß in kurzer Zeit beide Heere verschüttet waren. Der Wendenkönig stürzte sich darauf in den See und verwandelte sich in einen weißen Karpfen, sein Schloß aber versank unter Donner und Blitz.

Indes den Wendenkönig bedrohte auch so ein verderbliches Geschick. Der ungeheure See begann auszutrocknen, nur Reste davon, wie der Schwieloch-, der Schwan- und der Raduschsee nebst einigen kleinen Wasserstrichen und Bächen sind davon noch übriggeblieben. In einem dieser Bäche, in der Bilaw, hält sich der König in der Gestalt eines weißen Karpfens noch heute auf. Aber auch die Ufer dieses Baches wachsen immer mehr zusammen. Dann aber, wenn die Ufer im Begriff sind, sich zu schließen, ist das Ende aller Leiden für die Wenden und ihren König gekommen. Dann wird der Wendenkönig aus der Bilaw hervorkommen, seine frühere Gestalt annehmen, die noch lebenden Wenden um sich sammeln und ein Reich stiften, das die ganze Erde umfassen wird.

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