Hier finden Sie alles rund
um die Literatur Berlins
und Brandenburgs:
Institutionen, Archive,
Bibliotheken, Gedenkstätten,
aber auch heimische Sagen,
Eindrücke klassischer Autoren,
und einen kleinen literatur-
geschichtlichen Überblick.

Dreilinden im Sonnenschein

Informationen

Literaturangabe:

Fontane, Theodor
Fünf Schlösser. Altes und Neues aus Mark Brandenburg, Berlin 1889

zurück
weiter

Dreilinden im Sonnenschein

Dreilinden im Sonnenschein

"Klein, aber mein"
Spruch am Jagdhause von Dreilinden

Es war in Novembernebel, daß ich Dreilinden zum ersten Male sah. Aber nun hatten wir Sommer, und ich brach auf, diesmal einfach als "Wanderer" und zu Fuß, um das Jagdhaus, das mir bis dahin nur ein Nebelbild gewesen war, auch in hellem Tagesscheine zu sehn. Ich wollte mich von seiner Wirklichkeit überzeugen.

Und ein prächtiger Junitag war´s. Erst am Wannsee, dann am Wald hin, aus dem heute Kuckucksruf und Finkenschlag zu mir herüberscholl, schritt ich "andächtiglich fürbaß", bis ich, nach kurzem Marsch in heißem Sonnenbrand, in den Wald selber einbog und alsbald eines Giebeldachs unter Zweigen und gleich danach einer dicht an den Weg herantretenden Dulcamarahecke gewahr wurde, deren gelb und violette Blütenpracht, wuchernd fast, aus dem dichten Blattgrün hervorschimmerte. Kein Zweifel, diese Bittersüß-Hecke war ein Zufall, nichts weiter, und doch mußt ich unwillkürlich eines Ausspruchs des alten Feldmarschalls Derfflinger gedenken, der, in seinen Gusower Zurückgezogenheitstagen, zu sagen liebte: "Habe des Sauren und Süßen viel genossen; aber des Sauren war mehr." Oft vergessenes Wort (immer wieder in Hoffnung vergessen), aber wer, der auf den Höhen des Lebens wandeln durfte, hätt es schließlich nicht gesprochen!

Und nun hatte ich die Hecke passiert und stand wieder auf dem Vorplatz, den ich bis dahin immer nur in einem das draußen liegende Dunkel durchflutenden Lichtstrom gesehn hatte. Weshalb ich die Stelle kaum wiedererkannte.

Vom Wald her vorgeschobene Tannen umstanden ein Rondeel, an dessen einer Seite das prinzliche Jagdhaus aufragte, während an der andere ein dänischer Runenstein stand, ein "Mitbringsel" aus Jütland her. Das Jagdhaus selbst aber zeigte nichts als Souterrain und Erdgeschoß und über diesem ein erstes Stockwerk im Schweizerstil, um das herum sich Holzbalkone zogen. An diesen allerlei Sprüche:

Freudig trete herein, und froh entferne dich wieder,
Ziehst du als Wandrer vorbei, segne die Pfade dir Gott.

Andere waren länger, auch kürzer; unter den kürzesten der, den ich diesem Kapitel vorgesetzt habe: "Klein, aber mein."

In der Tat, Jagdhaus Dreilinden ist klein und wirkt nach Art einer Villa von acht Zimmern; aber es gelang nichtsdestoweniger, mit Hilfe geschickter Raumausnutzung, eine doppelte Zahl von Zimmern und Gelassen herzustellen. Und zwar in folgender Einteilung: im Souterrain die Wirtschaftsräume; darüber, im Erdgeschoß, die Hofmarschall- und Adjutantenzimmer; endlich, im ersten Stock, die Zimmer des Prinzen selbst: ein Vorzimmer, ein Wohn- und Arbeitszimmer, ein Schlafzimmer, ein Eßsaal. Der Rest: kleine Gelasse für die Dienerschaften.

Alle vom Prinzen selbst bewohnten Räume sind ausnahmelos mit Erinnerungsstücken reich geschmückt, so reich, daß sie den Charakter eines historischen Museums annehmen. Einzelnes auch von künstlerischem Wert. Alles in allem aber ist es in drei Gestalten, daß uns der Prinz aus diesen seinen Erinnerungsstücken entgegentritt: erst als Jäger, dann als Soldat und endlich drittens und letztens in seinen intimeren Beziehungen zu Familie, Freunden, Kunst. Und im Einklange hiermit ist denn auch die Reihenfolge, darin ich diese Museumsschätze dem Leser vorzuführen gedenke. Den Jagderinnerungen sollen Kriegserinnerungen und diesen wiederum Erinnerungen aus dem häuslichen Leben des Prinzen sich anschließen.


Jagderinnerungen

Mit den Jagderinnerungen beginn ich. Ist es doch Jagdhaus Dreilinden, um das sich´s an dieser Stelle handelt. Auf Flur und Treppe, ja mehr, bis unter das Dach hinauf ist Jagdhaus Dreilinden mit Jagdemblemen geschmückt, und alles, was zu Pürsch und Waidwerk gehört, erscheint hier, und mit Recht, als das "Eigentlichste". Mit Ausnahme des in dem umher gelegenen Jagdreviere geschossenen Wildes befinden sich denn auch nur Geweihe guter Hirsche respektive Schaufler an dieser Stelle, guter Hirsche, die seit Erbauung des Jagdhauses (1869) vom Prinzen selbst erlegt wurden. Es sind dies: 136 Rothirschgeweihe, 392 Damhirschgeweihe, 170 Rehkronen. Von den 392 Damhirschen wurden 278 in der Dreilindener Forst geschossen; die 170 Rehböcke sämtlich. Alle Geweihe dieser letzteren sind im Schlafzimmer des Prinzen angebracht. Als Flur- und Treppenornament begegnen wir im weitern: einem Kormoran, einer Trappe, verschiedenen Kampf- und Birkhähnen, Wildschweinsköpfen und vor allem einem russischen Wolf, einem besonders schönen und großen Exemplare.

Dies alles aber rechnet nicht zu den eigentlichen, eine Geschichte habenden Jagdbeutestücken, deren Aufzählung wir uns nunmehr zuwenden.

1) Ein Elchkopf. Prinz Friedrich Karl schoß diesen Elchhirsch, einen ungraden Zehnender, in der Oberförsterei Ibenhorst am 4. Oktober 1881. Gewicht mit Aufbruch 840 Pfund. Ein noch größerer Elchhirsch, ein Zweiundzwanzigender, wurde vom Prinzen am 18. September 1862 ebenfalls in der Ibenhorster Oberförsterei (Ostpreußen) geschossen. Gewicht 954 Pfund. Der Kopf dieses größeren Elchs befindet sich in Jagdschloß Glienicke bei Potsdam. Ich füge noch folgendes hinzu: Nur noch in vorgenannter Oberförsterei Ibenhorst kommen Elche vor, wie sich andererseits Auerochsen (künstliche Zucht; neuerdings, von Rußland her, eingeführt) nur noch in den Waldungen des Fürsten Pleß in Oberschlesien vorfinden. Die Jagd auf den größeren, in Jagdschloß Glienicke befindlichen Elch wurde von dem bekannten Tiermaler Grafen Krockow in einem Jagdstück von mittlerer Größe dargestellt. Es ist der Moment der Erlegung. Das Bild hat seinen Platz im Treppenhause von Dreilinden gefunden. Aus den Läufen des etwas kleineren, erst 1881 geschossenen Elchs wurden zwei Büchsenfutterale von besonderer Schönheit angefertigt.

2) Auerochs (Kopf) wurde vom Prinzen Friedrich Karl am 9. Dezember 1880 in Pleß beim Fürsten Pleß geschossen.

3) Büffelkopf (Prachtexemplar). Geschenk des Grafen Hermann von Arnim, der den Büffel auf einer Präriejagd erlegte.

4) Der weiße Hans. Dieser hat eine Tafel mit Inschrift, der ich das Nachstehende beinahe wörtlich entnehme. "Dieser starke und seltene weiße Damschaufler ?Der weiße Hans? ward anno 1874 aus dem hochgräflich Redernschen Wildpark zu Görlsdorf, Uckermark, in den Wildpark Seiner Königlichen Hoheit des Prinzen Karl unweit seiner Sommerresidenz Schloß Glienicke versetzt, brach darauf im Mai anno 1875 aus diesem Wildpark aus und trat, den großen Wannsee durchschwimmend, in den Grunewald. Am 5. Mai desselben Jahres wechselte er vom Grunewald her in die Jagdreviere Seiner Königlichen Hoheit des Prinzen Friedrich Karl und wählte seinen Stand von nun an in nächster Nähe des Hochprinzlichen Jagdhauses Dreilinden. Den fortgesetzten Bemühungen Seiner Königlichen Hoheit sowie Höchstdessen Jägerei gelang es, das edle Tier so an Ruf und Stimme zu gewöhnen, daß es bald auf den Namen ?Hans? hörte und Kartoffeln, Hafer etc. vor dem Jagdhause aufnahm. Seinem Beispiele folgten zwei andre Hirsche, die, gleich ihm, zahm wurden. Während der Brunst war Hans unbestrittener Platzhirsch; aber sein Liebesglück ward ihm nicht verziehen, denn in der Nacht vom 27. zum 28. November 1875 wurd er von seinen beiden Genossen zu Tode gespießt und anderntags verendet vorgefunden." (Der Ausdruck "gespießt" ist nicht jagdgerecht und steht etwa auf der Höhe von "Blut" oder "Ohren". Ich habe mich aber zu dem jagdgerechten Ausdruck, den die Jäger schmerzlich vermissen werden, nicht entschließen können.)

5) Riesenhirsch-Geweih. Kein Original, sondern eine Nachbildung desselben von der Hand Benvenuto Cellinis. Noch wahrscheinlicher eine Nachbildung der Nachbildung. Zwei Inschriften, eine französische und eine deutsche, geben Auskunft über alles, was zu wissen not tut.

"Cet ouvrage, copie des bois d´un cerf tué vers l´an de Grace de N. S. J. Ch. 648, dans la forest d´Erbach par deux Princes Francs de la lignée mérovingienne, a esté faict par Benvenuto Cellini de Florence, maistre sculpteur et orfesvre en renom, de par et pour le Roy Charles, le huictiesme du nom, nostre très haut, très puissant et très-noble Prince et Roy de France. Le susdict contrefait a esté dressé au chastel Royal d´Amboyse en l´an de Grace 1520."

Also in Übersetzung etwa:

"Dies Werk, die Nachbildung des Geweihs eines im Jahre 648 durch zwei fränkische Prinzen aus dem Hause der Merowinger im Walde von Erbach getöteten Hirsches, ist durch den berühmten florentinischen Bildhauer und Goldschmied Benvenuto Cellini im Auftrag und zu Besitz Karl des Achten, unsres allerhöchsten und großmächtigsten Königs von Frankreich, angefertigt und im Jahre der Gnade 1520 am Königlichen Schlosse von Amboise angebracht worden."

Die deutsche Inschrift, die sich in Hexametern versucht, legt das Ereignis in die Zeit des elften Ludwig, und lautet:

In den Ardennen lebte als Hirsch ich, ein seltsames Wunder,
Trug auf dem Scheitel der Stirn dieses als krönende Zier;
Wuchs dort mehrere Jahre hindurch, für niemand bezwingbar,
Nur vor mir selbst hatt ich Furcht wegen der schrecklichen Last.
Unter des elften Ludwigs Regierung raubte ein Pfeil mir,
Fliegend von tödlicher Hand, Leben und Freiheit zumal.
Staunend sah meine Zeit mich, und wunderbar bleib ich der Zukunft,
Daß der Natur es gefiel, mir zu erschaffen solch Haupt.


Kriegserinnerungen

Was Dreilinden an Kriegserinnerungen aufweist, ist minder zahlreich, als man in Anbetracht eines an kriegerischen Ereignissen und Ehren so reichen Lebens, wie das des Prinzen, erwarten sollte. Zum Teil erklärt sich dies daraus, daß Jagdhaus Dreilinden nicht alles Hierhergehörige besitzt; einiges befindet sich in Jagdschloß Glienicke, noch andres in der Stadtwohnung des Prinzen, im Königlichen Schloß. Auch öffentliche Sammlungen erhielten das ein oder andre. So befindet sich zum Beispiel ein aus einem jütischen Hügelgrabe stammender Holzsarg in unsrem "Museum für nordische Altertümer". Ein Geschenk des Prinzen.

Alle diese Kriegserinnerungen, um über ihre Gesamtheit einen klareren Überblick zu geben, teil ich in nachstehendem in vier Gruppen, und zwar nach den vier Kriegen, an denen der Prinz, wenn er sie nicht leitete, wenigstens teilnahm.


1848 und 49.
Erster Krieg gegen Dänemark
und Feldzug in Baden

1) Eisenteller mit einer Vierpfünderkugel darauf. Umschrift: "Der erste Salutschuß an Sie, mein Prinz." Am 23. April 1848 hielt Prinz Friedrich Karl, damals Hauptmann im Stabe Wrangels, an der Seite des Generals, der eben den Sturm auf das Danewerk kommandierte. Diese Vierpfünderkugel schlug neben beiden ein, und der Alte, während er sich schmunzelnd gegen den Prinzen wandte, tat obenzitierten Ausspruch, in dem sich, echt-wrangelsch, ebensoviel Courtoisie wie sang-froid ausspricht.

2) Ein dänischer Danebrog. Dazu folgende Worte: "Dieser Danebrog wehte auf der Zitadelle von Friedericia und wurde, bei der Einnahme durch die preußischen Truppen am 2. Mai 1848, von Seiner Königlichen Hoheit dem Prinzen Friedrich Karl eigenhändig niedergeholt."

3) Ein Aschbecher mit silbernem Deckel, aus einem Vorderhuf des "Artemidorus" angefertigt. Es war dies das Pferd, das der Prinz in dem Gefechte bei Kuppenheim in Baden am 30. Juni 1849 ritt.

Zehn Tage vorher, am 20. Juni, war das Gefecht bei Wiesenthal, in dem Lieutenant von dem Busche-Münch, Adjutant des Prinzen, tödlich, der Prinz selbst aber, wie auch das Pferd, das er ritt, leicht verwundet wurde. Das Pferd empfing, zur Erinnerung an diesen Tag, den Namen "Wiesenthal" und wurde zu Tode gepflegt. Unmittelbar hinter dem Dreilinder Gehöft hat es einen Grabstein mit folgender Inschrift: "Wiesenthal, brauner Hengst, geboren 1836, durch einen Bajonettstich am Kopfe blessiert am 20. Juni 1849; gestorben 31. Mai 1861. F. K. Pr. v. P."


1864. Krieg gegen Dänemark

1) Ein Aschbecher aus einem Huf von "Anacreon", Fuchsstute, die der Prinz beim Übergang über die Schlei, bei Missunde und am Düppeltage ritt.

2) Kugelaufsatz. Aus Düppelgeschossen aller Art zusammengesetzt.

3) Zigarrenkasten. Geschenk des Prinzen Albrecht (Vater) an Prinz Friedrich Karl. Aus Eichenholzrähmchen hergestellt, in die dann kleine Marmorplatten eingelegt wurden. Jede Platte trägt eine Inschrift: Eckernförde 1. Februar; Missunde 2. Februar; Ober-Selk 3. Februar; Arnis 6. Februar; Düppel (Wegnahme von Dorf Oster-Düppel) 17. März; Kanonade 2. April. So die Seitenfelder. Die Hauptinschrift aber trägt der Deckel: "Sturm auf die Düppeler Schanzen, Schleswig-Holstein, den 18. April 1864."

4) Runenstein aus Jütland. Etwa einen Meter hoch, nach oben zugeschrägt. Am Fuße des Steines sind Runen in aller Deutlichkeit erkennbar. Sie sind auf "Heirulfr" hin entziffert worden. Was dies bedeutet, steht nicht fest. Vielleicht ein Name. Der Stein befindet sich nicht im Jagdhause, sondern vor demselben, auf einem bereits zu Beginn dieses Kapitels erwähnten Gras- und Blumenrondeel.


1866. Krieg gegen Österreich

An diesen Krieg erinnern nur die Städtewappen zweier großer Glasfenster, aus deren Gesamtzahl sich je vier auf die Feldzüge von 64 und 70, acht aber auf den sechsundsechziger Krieg beziehen. Es sind alles in allem folgende: Dänemark, Schleswig, Lauenburg, Flensburg; ferner: Österreich, Böhmen, Ungarn, Mähren, Rohan-Turnau, Prag, Preßburg, Gitschin; schließlich: Nancy, Metz, Orleans, Le Mans.

1870 und 71. Krieg gegen Frankreich

1) Eine französische Trophäe: Gewehre, Pistolen, Fahnen und Säbel, alles von einer goldbordierten Generalsmütze gekrönt.

2) Ein Kandelaber aus siebziger Kugeln und Bajonetten aufgebaut.

3) Ein Briefbeschwerer. Orleans, 4. Dezember 1870.

4) Ein paar große Lampen, aus siebziger Granaten konstruiert.

5) Eine Rokoko-Wanduhr. Geschenk von seiten der Offiziere des Stabes in Orleans. Weihnachten 1870.

6) Eine Stutzuhr, deren Uhrwerk von Geweihen umfaßt und getragen wird. Am interessantesten ist der Perpendikel, auf dessen etwa talergroßem, in seinem terminus technicus mir unbekannt gebliebenen, scheibenförmigen Abschluß sich ein Miniaturbild in Gouache befindet. Diese Miniature stellt den Moment dar, wo Louis Napoleon dem König Wilhelm den Degen überreicht.

7) Alte Glasmalerei (Bruchstück), einen Moment aus einer der früheren Belagerungen von Metz (1444) darstellend. Aller Wahrscheinlichkeit nach war dies Glasbild ehemals einem großen Schloß- oder Kirchenfenster zugehörig. Zeichnung und Kolorit vorzüglich. Geschenk des Generals Vogel von Falkenstein. Der Prinz hat es im Treppenhaus als unterstes Fenster einsetzen lassen, dessen besonderen Schmuck es nun ausmacht.

Bei dieser Gelegenheit stehe hier folgendes.

Unter den drei großen Belagerungen von Metz, 1444, 1552 und 1870, ist die von 1444 die poetischste, weil entweder die Zeit überhaupt oder aber ihre historische Berichtserstattung poetischer war. Jetzt herrscht das spezifisch Militärische vor, das, beinahe grundsätzlich, an dem "Interessanten", an das es nicht recht glaubt, vorübergeht. Ich gebe hier ein paar der ersten (1444er) Belagerung entnommene Züge.

Schon die Veranlassung zu dieser Belagerung war apart. Eine Iliade kleineren Stils. Die Metzer, weil ihnen Herr René, König von Provence, Sizilien und Jerusalem, eine Schuld von 100 000 Gulden, aller Mahnungen unerachtet, nicht zahlen wollte, nahmen seiner Gemahlin (Schwester Karls VII. von Frankreich) ihre wertvolle Garderobe weg. Infolge dieses Affronts zogen beide Schwäger, König Karl VII. und König René, vor Metz. Auf seiten der Stadt zeichneten sich alsbald zwei Männer aus: Johann von Vytoul und Jacob Simon. Johann von Vytoul war die Seele der Verteidigung und ritt unausgesetzt umher, um die Posten zu revidieren, war aber doch gutherzig genug, ein Glöckchen an den Schweif seines Pferdes zu binden, weil er nur ängstigen und anspornen, aber nicht strafen wollte. Nur gegen die Feinde war er unerbittlich, verurteilte die Gefangenen zum Strang und wies jeden Auswechselungsvorschlag zurück. Ihm zur Seite stand der schon genannte Jacob Simon, Stadtschöffe und Weingutsbesitzer auf dem Banne von Longeville. Er hatte geschworen, daß er, trotz der Belagerung, seine Weinlese draußen halten wolle. Und wirklich begann er ein großes Schiff auszurüsten, indem er es mit Söldnern bewaffnete, die mit Musketen und Armbrüsten bewaffnet waren, und fuhr nunmehr die Mosel aufwärts bis Longeville. Nachdem er dort angelegt, schickte er seine Winzer und Winzerinnen in den ihm zugehörigen Weinberg. Alsbald erschien der Feind, um die jungen Winzerinnen zu entführen; aber im selben Augenblicke wurde der feindliche Trupp vom Schiff her mit Kugeln und Pfeilen überschüttet. Alles floh, und als die Körbe mit Trauben gefüllt waren, kehrte man in die Stadt zurück. An ähnlichen Zügen ist diese berühmt gewordene Belagerung von Metz reich und gab, in allem malerisch und plastisch, einen hundertfältigen Anreiz zu künstlerischer Behandlung. Unter solcher Anregung entstand auch wohl das Glasbild in Dreilinden.

Die zweite Belagerung war die von 1552; Karl V. war der Belagerer und der Herzog von Guise der Belagerte. Die Belagerung mißlang, infolgedessen König Heinrich II. von Frankreich in Dankbarkeit und zu Ehren des Herzogs eine Medaille prägen ließ, auf der in längerer Inschrift gesagt wurde. "Mars vous a donné une couronne d´herbe. Continuez, il vous rendra les couronnes royales de Jérusalem et de Sicile, qui ont appartenu à vos ancêtres."


Erinnerungen und Geschenke aus dem Familien- und Freundeskreise:
Kunstschätze, Bilder, Portraits

Alles oder doch fast alles, was ich hier aufzuzählen haben werde, befindet sich im ersten Stock. Ich beginne mit der Gruppe:


Raritäten und Kuriosa

1) Ein Mammutszahn. Briefbeschwerer. In der Dreilindner Ziegelei beim Ausschachten des Lehms gefunden.

2) Ein aus Hirschgeweihen kunstvoll zusammengesetzter Riesenkronleuchter. Er brennt mit 66 Lichtern und erleuchtet, wie schon hervorgehoben, das quadratische Speisezimmer.

3) Drei güldne Humpen, Geschenke der drei Prinzessinnentöchter des Prinzen: Prinzeß Marie, verwitwete Prinzessin Heinrich der Niederlande, gestorben 1888 als Prinzessin von Sachsen-Altenburg, Prinzeß Elisabeth, Erbgroßherzogin von Oldenburg, und Prinzeß Luise Margaretha, Herzogin von Connaught.

4) Ein aus einem kolossalen Elefantenzahn angefertigter Humpen, zehn Zoll hoch und über fünf Zoll im Durchmesser. Die beiden Henkel ebenfalls von Elefantenzahn, Geschenk des Herzogs von Connaught.

5) Schaufeln von Damwild, Riesenexemplare, die, wie die vorgenannten Humpen, als Tafelaufsätze dienen.

6) Ein Trinkhorn. Abwurf (aber nur die Hälfte davon) eines Vierzehnenders, der 1874 in der Forst von Nassawen, Ostpreußen, gefunden wurde. ? Aus diesem Trinkhorn bot der Prinz jedem zum erstenmal in Dreilinden erscheinenden Gaste den Willkommtrunk, auf welchen prinzlichen Gruß hin der Gast aus ebendiesem Trinkhorne Bescheid tun mußte. Von welcher Stelle, will sagen, von welchem Ansetzepunkt aus, darüber entschieden die Rangverhältnisse. Das Trinkhorn hat nämlich drei solcher Ansetzepunkte, zu denen sich, und zwar zwischen Geweihzacken hindurch, die Lippen der Trinkenden mühsam heranfühlen müssen, Engpässe, Defilés, unter denen die Generals-Enge die relativ bequemste, die Lieutenants-Enge dagegen die schwierigste ist. In dieser letzteren stehen die Lippen derartig "gekeilt in drangvoll fürchterlicher Enge", daß eine vollkommen virtuose Leistung der Aufgabe, die darin besteht, auch nicht einen Tropfen vorbeizuschütten, zu den äußersten Seltenheiten gehört. Um so größer der Triumph, wenn´s glückt.

Soviel über die Gegenstände, die, mit Ausnahme des erstgenannten (also des Mammutszahns), als Tafelschmuck dienen. Um die Tafel selbst her aber befinden sich Kunsterzeugnisse mannigfachster Art, aus deren Reihe hier die vorzüglicheren oder durch ihre Geschichte bemerkenswerteren Erwähnung finden mögen.


Kunst- und Kunstindustriesachen

1) Ein aus vertieftem Meißner Porzellan eigenartig zusammengesetzter Kamin- oder Ofenschirm.

2) Ein Satz bemalter Teller, mit Darstellungen aus dem Husarenleben. Andenken an die Zeit, wo der Prinz als Eskadronchef dem Gardehusarenregiment angehörte. Von einem Gardehusaren mit Kunst und Sauberkeit ausgeführt.

3) Ein andrer Satz Teller (neunzehn an der Zahl; alle mit dem großen preußischen Wappen geschmückt) ist Gegenstand einer Spezialgeschichte. König Friedrich I. bestellte, via Holland, ein chinesisches Porzellanservice, zugleich das preußische Wappen in allerlei kolorierten Zeichnungen einsendend. Und wirklich, alle Schildereien, wie diese neunzehn Teller sie jetzt zeigen, wurden in China gemalt. Aber sie sollten ihren Bestimmungsort nicht erreichen, wenigstens damals nicht. Das holländische Schiff, das sie heimbrachte, litt Schiffbruch, und die gesamte Ladung kam (nach Strandrecht) an ostfriesische Schiffer, die das preußisch-chinesische Service, mit dem sie nichts Rechts anzufangen wußten, nach Hannover hin verkauften, allwo sich´s 150 Jahre lang in Händen von Händlern und Privaten befand. Erst 1867, also nach Einverleibung Hannovers in Preußen, kam das Service wieder ans Licht und wurde von verschiedenen Prinzen des Königlichen Hauses aufgekauft. Der Kronprinz und Prinz Albrecht erstanden den größeren Teil; ein kleinerer (diese 19 Teller) kam in den Besitz des Prinzen Friedrich Karl.

4) Eine Bronceschüssel, in Hautrelief einen Prinzen aus dem Hause Nassau-Oranien darstellend. Geschenk der Prinzessin Friedrich Karl.

5) Eine Statuette des fünfzehnjährigen Kurprinzen Friedrich Wilhelm, des späteren "Großen Kurfürsten".


Bilder: Landschaften und Portraits

Die Bilder, Landschaften und Portraits, die Jagdhaus Dreilinden aufweist, befinden sich zu größtem Teil im Arbeitszimmer des Prinzen.

Ich nenne zunächst die Landschaften mit und ohne Staffage: Winterlandschaft von Ed. Hildebrandt; Neapel von Gudin; Taormina von Geleng; Königssee von einem Unbekannten; Salzburg bei Mondschein von Hennings; Staffa (Fingalshöhle) von Ed. Krause; Tiroler Bauern von Kaltenmoor; Jagdszene: der Prinz, mit befreundeten Herren ein Frühstück nehmend, von Steffeck; Tiroler Wilderer von Alb. Meuron. Einige dieser Bilder, so das schöne Bild: "Die Fingalshöhle", befanden sich im Besitz der Königin Elisabeth, Gemahlin König Friedrich Wilhelms IV., und gingen, laut Vermächtnis, an Prinz Friedrich Karl über.

Die Zahl der Portraits (unter ihnen auch eins des alten Zieten) ist nicht groß. Ein besondres Interesse wecken mehrere größere Photographien, Bildnisse frührer persönlicher Adjutanten oder durch den Dienst näher-attachierter Offiziere des Prinzen, die sämtlich während des siebziger Krieges fielen beziehungsweise ihren Wunden erlagen. Es sind dies die folgenden:

Oberst Graf Waldersee; gefallen bei Le Bourget als Kommandeur des Gardegrenadierregiments Augusta.

Generalmajor von Diepenbroick-Grüter, 1850 bis 53 persönlicher Adjutant des Prinzen, gefallen als Kommandeur der 14. Kavalleriebrigade: Brandenburger Kürassiere, Fürstenwalder Ulanen und 15. (Schleswig-Holsteinsches) Ulanenregiment bei Vionville.

Generalmajor von Doering, Generalstabsoffizier des Prinzen 1859 in Stettin, fiel als Kommandeur der 9. Infanteriebrigade bei Mars la Tour.

Oberst von Zieten, 1853 bis 56 persönlicher Adjutant des Prinzen, gefallen als Kommandeur der Zietenhusaren bei Mars la Tour.

Oberst von Erckert, 1866 bis 69 persönlicher Adjutant des Prinzen, gefallen als Kommandeur des Gardefüsilierregiments bei St. Privat. Auf einen Wegweiser blickend, wurd er von einer Kugel in den Kopf getroffen und saß eine Weile noch tot im Sattel. Man begrub ihn zunächst auf dem Begräbnisplatze von Sainte Marie aux Chênes, später wurd er exhumiert und nach Deutschland (wohin, konnte ich nicht erfahren) zurückgebracht.

Oberst von Schack, Divisionsadjutant des Prinzen, fiel als Kommandeur des 1. Hannöverschen Ulanenregiments Nr. 13 bei Mars la Tour.

Oberstlieutenant von Stülpnagel, Divisionsadjutant des Prinzen, fiel als Bataillonskommandeur im 1. Garderegiment z. F. bei St. Privat.

Major von Schmieden, Divisionsadjutant des Prinzen, Bataillonskommandeur im 5. Brandenb. Inf.-Regiment Nr. 48, fiel bei Vendôme am 6. Januar 1871.

Hauptmann von Glasenapp, Divisionsadjutant des Prinzen, fiel als Compagnieführer im 8. Brandenb. Inf.-Regiment Nr. 64 bei Vionville.

Hauptmann von Hadeln, Divisionsadjutant des Prinzen, fiel als Adjutant in der 8. Artilleriebrigade bei Verneville (zwischen Amanvilliers und Gravelotte).

Zählt man hinzu, daß der (der Zeit nach) erste persönliche Adjutant des Prinzen, Lieutenant von dem Busche-Münch, im Gefechte bei Wiesenthal am 20. Juni 1849 auf den Tod verwundet wurde, so wird sich nicht behaupten lassen, daß der persönlichen oder dienstlichen Adjutantur des Prinzen aus dieser Auszeichnung eine gesicherte Lebensstellung erwachsen wäre.

Neben dem Arbeitszimmer des Prinzen befindet sich sein Schlafcabinet. Es enthält eine Menge kleiner Schildereien und inmitten derselben ein einfach umrahmtes Balduin Möllhausensches Gedicht, das in einer Anzahl refrainartig gehaltener Strophen erst dem Prinzen und dann dem Klausner von Dreilinden die Huldigungen des Dichters darbringt.

1

Schriftsteller mit Bezug zum Text

1

Orte mit Bezug zum Text