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Groß Glienicke

Informationen

Literaturangabe:

Fontane, Theodor
Wanderungen durch die Mark Brandenburg. Ost-Havelland, Berlin 1873

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Groß Glienicke

Groß Glienicke

In dunkler Gruft
Das Gebein;
In Licht und Luft
Der aufgerichtete Marmelstein.
Was ungemessen
Vielleicht gestrebt,
Es ist vergessen ?
Nur das Bild noch lebt.



Die Havelufer links und rechts des Flusses weisen strichweise einen guten Lehmboden (im Wendischen: Glin, der Lehm) auf, weshalb wir in allen hier in Betracht kommenden Landesteilen, also in Havelland, Zauche, Teltow, vielfach den Ortsbezeichnungen: Glien, Glindow, Glienicke begegnen. In unmittelbarer Nähe von Potsdam, zu Füßen von Babelsberg, liegt Klein Glienicke mit seinen Schlössern und seiner Brücke; weiter nördlich, halben Wegs zwischen Potsdam und Spandau, treffen wir Groß Glienicke, Rittergut, Filiale von Kladow, 279 Einwohner. Darunter, wie die Nachschlagebücher gewissenhaft bemerken, zwei Katholiken. Diese werden es schwer haben, sich paritätisch zu behaupten.

Groß Glienicke wird 1300 zuerst genannt. Um die Mitte des fünfzehnten Jahrhunderts finden wir die Bammes hier, eine alte, westhavelländische Familie. In Groß Glienicke saßen sie nicht allzulange. Schon 1572 erscheinen die Ribbecks, zuerst Oberhofmeister Jürgen von Ribbeck; dann folgen zweihundert Jahre später die Winnings. Jetzt gehört das Gut der Familie Berger.

Es soll hier manches erlebt worden sein, namentlich unter den Winnings. Die Kirche aber erzählt nur von den Ribbecks.

Beim Eintreten in dieselbe überrascht die verhältnismäßig große Zahl von Bildwerken, namentlich in Stein.

An der Wand uns gegenüber bemerken wir, dicht nebeneinander, die Epitaphien zweier Hans Georg von Ribbeck, Vater und Sohn. Der Vater noch der Schwedenzeit angehörig, der Sohn aus der höfischen, französierten Zeit Friedrichs I. Ebendiesen Unterschied zeigen auch die hautreliefartigen Steinbilder. Der ältere Hans Georg, in Brustharnisch und Beinschienen, wie ein Derfflingerscher Reiterführer; der jüngere in einem Roquelaure mit mächtigen Aufschlägen und Seitentaschen, auf dem Haupt eine ziemlich seltsame Kappe, fast in Form einer Bischofsmütze. Das Ganze in einem bestimmten, künstlich gegebenen Farbenton: die Kappe rot gemalt. Dieser jüngere Hans Georg war ein brandenburgischer Domherr, vielleicht auch ? wenn ich das Bild richtig interpretiere ? ein Mann der Wissenschaft. Er tritt, einen Vorhang zurückschlagend, aus diesem hervor und legt seine Rechte auf einen Schädel. Das Ganze eine vortreffliche Arbeit und in Auffassung wie technischer Durchführung an das berühmte Sparr-Denkmal in unsrer Berliner Marienkirche erinnernd.

Beide Hans Georg von Ribbeck finden wir auch in der Gruft der Kirche wieder. Wie sie im Schiff, in bildlicher Darstellung, nebeneinander stehen, so liegen sie hier nebeneinander. Wohlerhalten. Denn die Groß-Glienicker Gruft gehört zu den vielen in der Mark, in denen die beigesetzten Leichen zu Mumien werden. Wir steigen hinab. Der Sargdeckel des zuvörderst stehenden Hans Georg (des Domherrn) ließ sich ohne Mühe aufheben. Da lag er, in Roquelaure und roter Samtkappe, in allem Äußerlichen von beinahe gespenstischer Ähnlichkeit mit dem Hautreliefbilde, das ich eben im Schiff der Kirche gesehen hatte. Ganz ersichtlich hat man, bei einer erst kürzlich stattgehabten Übermalung, die Gruft zu Rate gezogen und das Mumienbild, wenn dieser Ausdruck gestattet ist, bei Restaurierung des Steinbildes benutzt.

Kirche und Gruft enthalten übrigens der Epitaphien und Särge mehr, beispielsweise einer Frau von Ribbeck, gebornen Brand von Lindau, einer Frau von Lattorff, gebornen von Grävenitz, die alle dem vorigen Jahrhundert angehören, aber weder künstlerisch noch historisch eine besondere Aufmerksamkeit verdienen.

Ein Interesse erweckt nur noch das Altarbild, richtiger die Predelle desselben, die, wie so oft, ein Abendmahl darstellt. Christus in der Mitte, Johannes neben ihm; neben diesem aber, statt des Petrus, der Große Kurfürst. Er trägt Allongenperücke, dunkles, enganschließendes Samtkleid, Spitzenmanschetten und Feldbinde. Die wunderlichste Art von Huldigung, die mir der Art vorgekommen ist. Was wollen die anbetenden Donatoren auf den Madonnenbildern des Mittelalters daneben sagen! Sie knien doch immer zu Füßen der Madonna oder verdrängen wenigstens niemand; hier aber wird Petrus, wie eine Schildwacht, einfach abgelöst, und der Große Kurfürst zieht statt seiner auf.

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