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Literatur in der Nachkriegszeit

Informationen

Literaturangabe:

Walther, Peter
Märkische Dichterlandschaft. Ein historischer Literaturführer durch die Mark Brandenburg, Stuttgart 1998

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Literatur in der Nachkriegszeit

Im Frühjahr 1946, dreizehn Jahre, nachdem Kasack beim Rundfunk entlassen worden war, sitzt der Autor wieder vor einem Mikrophon. Er wird dem Hörpublikum in der Reihe „Autorenstunde“ als ein Potsdamer Schriftsteller präsentiert, der die Nazi-Zeit überstanden hatte, ohne sich korrumpiert zu haben. Sein Gesprächspartner, Dramaturg und Lektor beim Berliner Rundfunk, ist gleichfalls kein Unbekannter: Peter Huchel (1903-1981). Die beiden waren sich erstmals 1935 auf einer Veranstaltung der Potsdamer Kantgesellschaft begegnet. Huchel stammt aus dem nahen Lichterfelde, das heute zu Berlin gehört. Den prägenden Teil seiner Kindheit hat er jedoch auf dem Hof seines Großvaters in Alt-Langerwisch nahe Potsdam zugebracht. Nach dem Abitur in Potsdam studierte er in Freiburg, Wien und Berlin, wurde 1930 mit Willy Haas bekannt und publizierter in dessen renommierter Wochenzeitung „Literarische Welt“. 1932 hatte Huchel einen ersten schriftstellerischen Erfolg: Ihm wurde der Lyrikpreis der „Kolonne“-Gruppe zugesprochen - einer der Juroren war Edlef Köppen. In der Nazi-Zeit hält sich der Lyriker, ebenso wie sein Freund Günter Eich, mit dem Schreiben von Hörspielen über Wasser. Er wird 1941 eingezogen, desertiert im Mai 1945 und gerät in russische Kriegsgefangenschaft. Schon im September 1945 beginnt Huchels Tätigkeit beim Berliner Rundfunk, wo er für das literarische Programm des Senders verantwortlich ist.

Noch einmal, im Januar 1949, saßen sich Huchel und Kasack im Rundfunkstudio gegenüber, doch diesmal waren die Rollen vertauscht: Kasack sprach mit Huchel als dem Chefredakteur der neuen Literaturzeitschrift „Sinn und Form“. Die Zeitschrift war, was ihre Herstellung angeht, anfänglich ein Potsdamer Unternehmen. Beteiligt waren (neben den nominellen Herausgebern Johannes R. Becher und Paul Wiegler) der Geschäftsführer der Potsdamer Verlagsgesellschaft, Ulrich Riemerschmidt, und der Verleger Eduard Stichnote, der die typographische Konzeption für die Zeitschrift übernommen hatte. Erschienen ist „Sinn und Form“ im Potsdamer Verlag „Rütten & Loening“. In einer der ersten Nummern veröffentlichte Huchel neben einer Erzählung Kasacks auch Gedichte von Gertrud Kolmar. Susanne Kerkhoff, die Halbschwester des Philosophen Wolfgang Harich, kritisierte die Publikation und warf der in Auschwitz ermordeten Dichterin einen „kranken Symbolismus“ vor. Hier klangen bereits jene Töne an, die ein Ende der relativen Freizügigkeit auf kulturellem Gebiet in der Ostzone signalisierten. Nur wenige Wochen nach dem besagten Rundfunkauftritt trat Kasack die Flucht in den Westen an. Huchel blieb noch für dreizehn Jahre Chefredakteur von „Sinn und Form“. Für das literarische Leben in der späteren DDR war dies zweifellos ein Glücksfall.

Als 1945 der brandenburgische „Kulturbund zur demokratischen Erneuerung Deutschlands“ gegründet wurde, engagierten sich hier zwei Autoren, die bereits vor dem Dritten Reich prominent gewesene waren: der Volksaufklärer und Wissenschaftspublizist Bruno H. Bürgel (1875-1948), der seit Anfang der zwanziger Jahre in Potsdam lebte, sowie der Schriftsteller Bernhard Kellermann (1879-1951), der in Werder lebte und 1946 nach Potsdam kam. Der Arbeiter-Astronom Bürgel, der das Kriegsende nur um drei Jahre überlebte, schrieb eine Vielzahl populärwissenschaftlicher Bücher, die mit einer Gesamtauflage von über zwei Millionen Exemplaren und Übersetzungen in zahlreiche Sprachen große Verbreitung gefunden hatten. Bernhard Kellermann war mit seinem utopischen Roman „Der Tunnel“ (1913) und dem Revolutionsroman „Der 9. November“ (1920) bekanntgeworden. Brachte ihm der erste Roman die Annäherungsversuche der Nazis ein (Hitler schwärmte nach dem Zeugnis Albert Speers von Kellermanns „Tunnel“, der zwischen 1933 und 1945 sieben Auflagen erlebte, als einem seiner großen jugendlichen Leseeindrücke), so machte ihn das zweite Buch, das die Nazis verbrannt und verboten hatten, in der Sowjetunion bekannt, wo bis zum Kriegsende elf weitere Bücher von ihm erschienen waren.

1933 war Kellermann aus der Preußischen Akademie der Künste ausgeschlossen worden, obgleich er sich zur „loyalen Mitarbeit ... im Sinne der veränderten geschichtlichen Lage“ verpflichtet hatte. Aus dem offiziellen Literaturbetrieb verbannt, aber nicht verboten, konnte der Schriftsteller von Nachauflagen seiner Bücher und neuen Publikationen leben. Zwei Wochen nach dem Einmarsch der Roten Armee schrieb er dem Berliner Stadtkommandanten Bersarin: „Als einer der ersten deutschen Männer beeile ich mich, Ihnen in Ihrer aufopfernden Tätigkeit meine Dienste zur Mitarbeit anzubieten.“ 1948 erschien Kellermanns Roman „Der Totentanz“, das Buch über einen unpolitischen Rechtsanwalt, der zum Mitläufer und Karrieristen wird. Im gleichen Jahr kehrte der Autor von einer Reise aus der Sowjetunion zurück und schrieb über das Land, in dem gerade die antisemitischen Ärzteprozesse liefen: „Das russische Volk ist heute in Wahrheit das einzige Volk der Erde, das ohne Furcht leben kann.“ Kellermann wurde mit einem Professorentitel bedacht und erhielt zu seinem siebzigsten Geburtstag von der russischen Kulturabteilung einen neuen BMW geschenkt. Zwei Jahre später starb das vielgeehrte Mitglied der DDR-Volkskammer, der (ostdeutscher) Akademie der Künste und der (westdeutschen) Akademie der Wissenschaften und der Literatur.

Wenige Stichworte belegen die Vielfalt des literarischen Geschehens im Potsdam der Nachkriegszeit, das 1947, nach der von den Alliierten verfügten Auflösung des preußischen Staates, zur Hauptstadt des neugegründeten Landes Brandenburg wurde: Werner Wilk (1900-1970) lebte hier als Lektor des Verlags „Rütten & Loening“; sein Roman „Wesenholz“ (1949) gehört zu den vieldiskutierten Büchern der Nachkriegszeit. 1951 flüchtete Wilk nach West-Berlin und wurde hier Leiter der Literaturabteilung beim RIAS. Nicht in Potsdam, sondern in Darmstadt erschien 1950 „Vom großen Welt- und Gartenspiel“, das Hauptwerk des Gartenkünstlers und philosophischen Schriftstellers Karl Foerster (1874-1970), der im nahen Bornim (heute zu Potsdam) lebte. Hugo Hartung (1902-1972), später bekannt geworden mit seinem Roman „Ich denke oft an Piroschka“ (1954), kam zum Kriegsende aus Schlesien nach Potsdam und lebte hier bis zu seinem Weggang in Richtung Westen 1950. Gleichfalls in Potsdam wohnte der bekannte Kunstwissenschaftler Ludwig Justi (1876-1957), von 1909-1933 und dann wieder seit 1946 Direktor der Berliner Nationalgalerie.

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