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Nun ruhen alle Wälder

Informationen

Literaturangabe:

Gerhardt, Paul
Paulus Gerhardts geistliche Lieder. Bern 1974 (= Nachdruck der Ausgabe Stuttgart 1853)

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Nun ruhen alle Wälder

Nun ruhen alle Wälder


Nun ruhen alle Wälder,
Vieh, Menschen, Städt´ und Felder,
Es schläft die ganze Welt;
Ihr aber, meine Sinnen,
Auf, auf, ihr sollt beginnen,
Was eurem Schöpfer wohlgefällt!

Wo bist, du, Sonne, blieben?
Die Nacht hat dich vertrieben,
Die Nacht, des Tages Feind.
Fahr hin! Ein´ andre Sonne,
Mein Jesus, meine Wonne,
Gar hell in meinem Herzen scheint.

Der Tag ist nun vergangen,
Die güldnen Sternlein prangen
Am blauen Himmelssaal;
So, so werd´ ich auch stehen,
Wenn mich wird heißen gehen
Mein Gott aus diesem Jammertal.

Der Leib eilt nun zur Ruhe,
Legt ab das Kleid und Schuhe,
Das Bild der Sterblichkeit;
Die zieh´ ich aus, dagegen
Wird Christus mir anlegen
Den Rock der Ehr´ und Herrlichkeit.

Das Häupt, die Füß und Hände
Sind froh, daß nun zu Ende
Die Arbeit kommen sei;
Herz, freu dich, du sollst werden
Vom Elend dieser Erden
Und von der Sünden Arbeit frei.

Nun geht ihr matten Glieder,
Geht hin und legt euch nieder,
Der Betten ihr begehrt;
Es kommen Stund und Zeiten,
Da man Euch wird bereiten
Zur Ruh ein Bettlein in der Erd.

Mein Augen stehn verdrossen,
Im Hui sind sie geschlossen,
Wo bleibt denn Leib und Seel?
Nimm sie zu deinen Gnaden,
Sei gut für allen Schaden,
Du Aug und Wächter Israel!

Breit aus die Flügel beide,
O Jesu, meine Freude,
Und nimm dein Küchlein ein!
Will Satan mich verschlingen,
So laß die Englein singen:
Dies Kind soll unverletzet sein!

Auch euch, ihr meine Lieben,
Soll heute nicht betrüben
Kein Unfall nicht Gefahr.
Gott lass´ euch ruhig schlafen,
Stell´ euch die güldnen Waffen
Ums Bett und seiner Helden Schar.

[Paul Gerhardt (1607-1676) ist der bedeutendste deutsche evangelische Liederdichter des 17. Jahrhunderts. Da er sich weigerte, ein Toleranzedikt zu unterschreiben, das den dogmatischen Streit zwischen Lutheranern und Reformierten untersagte, wurde er 1666 vom brandenburgischen Kurfürsten seines Amtes als Diakon an der Berliner Nikolaikirche enthoben.1668 wurde er zum Archidiakonus in Lübben berufen, das damals zu Sachsen-Merseburg gehörte. Das hier abgedruckte, aus dem Jahr 1648 stammende Lied fand mit der Melodie von Heinrich Isaac (um 1450-1517) Eingang in viele Kirchengesangbücher.
Erste Buchveröffentlichung: D. M. Luthers Und anderer vornehmen geistreichen und gelehrten Männer, Geistliche Lieder und Psalmen. Berlin 1653]

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