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Regierungszeit Friedrich des Großen

Informationen

Literaturangabe:

Walther, Peter
Märkische Dichterlandschaft. Ein historischer Literaturführer durch die Mark Brandenburg, Stuttgart 1998

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Regierungszeit Friedrich des Großen

Im Jahr des Regierungsantritts Friedrich II. 1740 kam der Dichter Johann Wilhelm Ludwig Gleim (1719-1803) als Hauslehrer nach Potsdam. Er ist als Haupt zweier Dichterkreise (in Halberstadt und Halle), als führender deutscher anakreontischer Lyriker und als Verfasser der „Preußischen Kriegslieder“ in die Literaturgeschichte eingegangen. Für einige Jahre lebte Anna Louisa Karsch (1722-1791) in Potsdam. Die Karschin, wie sie auch genannt wurde, stammte aus einem Dorf in der Neumark, wo sie unter ärmlichen Verhältnissen aufwuchs. Sie wurde 1760 durch den Baron von Kottwitz als „Naturtalent“ für die Literatur entdeckt und in Berlin von Sulzer, Ramler, Mendelssohn und Lessing gefördert. In ihrer Literatur, die zum großen Teil aus anakreontischer Lyrik und Gelegenheitsdichtung im preußisch-patriotischen Stoffkreis besteht, wurde sie den Erwartungen ihrer literarischen Umwelt nach der Natürlichkeit und Ursprüglichkeit einer „deutschen Sappho“ (Gleim) gerecht. Erst spät ist die Bedeutung der Karschin als eine der fruchtbarsten Briefeschreiberin ihrer Zeit erkannt worden – korresponierte sie doch mit fast allen namhaften Dichtern ihrer Zeit, von Bodmer über Gottsched und Goethe bis hin zu Wieland. An der Heiliggeistkirche in Potsdam amtierte 1776 der Aufklärungspädagoge und Jugendschriftsteller Joachim Heinrich Campe (1746-1818). Bekannt geworden ist Campe durch seine erzieherische Bearbeitung von Defoes „Robinson Crusoe“, die in zahlreiche Sprachen übersetzt wurde.

Die Bedeutung Friedrich II. für die deutsche Literaturgeschichte ist ambivalent: Einerseits ist der kunstsinnige König, der Voltaire und La Mettrie an seinen Hof nach Potsdam holte, Adressat zahlloser Huldigungsverse von bedeutenden und weniger bedeutenden Dichtern (ein vielzitiertes Wort von Goethe lautet: „Der erste wahre und höhere eigentliche Lebensgehalt kam durch Friedrich den Großen und die Taten des siebenjährigen Krieges in die deutsche Poesie“). Andererseits hat Friedrich diese Liebe nicht gerade erwidert. Mit seiner Schrift „De la littérature allemande“ (1780) bekundete er, wie selbst wohlwollende Beobachter bescheinigen, „zum mindesten befremdliche Unkenntnis des nationalen geistigen Lebens seiner Gegenwart“. Die wichtigsten Dichter seiner Zeit - Lessing, Klopstock und Wieland - tauchen in der Schrift des Königs erst gar nicht auf, was denn auch argen Widerspruch hervorgerufen hat, etwa von Justus Möser (1720-1794) in „Über die deutsche Sprache und Literatur“. Friedrich, der noch im Alter meinte, es wäre „nichts rühmlicher für einen Deutschen als rein Deutsch (zu) sprechen und (zu) schreiben“, hat es selbst in dieser Kunst nicht besonders weit gebracht. Seine umfangreiche schriftliche Hinterlassenschaft ist durchweg in französischer Sprache abgefaßt. Von seiner eigenen Literatur haben eher die militärtheoretischen als die poetischen Schriften über die Zeit des Königs hinaus gewirkt.

Nur episodisch waren die Auftritte Johann Joachim Winckelmanns in Potsdam (1752), Lessings in Frankfurt und Potsdam (1755) und Mendelssohns in Baruth (1776). Die geistigen Auseinandersetzungen in der Epoche der Aufklärung spielten sich fast ausschließlich in den Städten ab. Freilich gab es auch Ausnahmen: Johann Christian Blum (1739-1790), der in Frankfurt studiert hatte, wirkte als Mittelpunkt eines Gelehrtenkreis abseits von Hof, Universität oder Hauptstadt im havelländischen Rathenow, wo die meisten seiner Gedichte und Schauspiele entstanden sind. In Gielsdorf bei Strausberg amtierte bis zu seiner Suspendierung 1791 der Pfarrer und Moralphilosoph Johann Heinrich Schulz (1739-1823), der sich auf atheistische Positionen vorgewagt hatte. Schulz war das einzige Opfer jenes Religionsedikts von 1788, mit dem der preußische Kultusminister unter Friedrich Wilhelm II., Johann Christoph von Wöllner, den Einfluß des Rationalismus in Unterricht und Predigt zurückzudrängen suchte. Das Wöllnersche Religionsedikt ist - vor allem wegen starker öffentlicher Proteste und auch wegen des Boykotts durch einen Teil der friderizianischen Bürokratie - nur halbherzig in die Praxis umgesetzt worden. Der Nachfolger Friedrich Wilhelm II. entließ Wöllner wenige Jahre später und verschaffte dem suspendierten Pfarrer, der zwischenzeitlich nach Altlandsberg verzogen war, eine Anstellung im preußischen Manufakturdepartment.

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