Hier finden Sie alles rund
um die Literatur Berlins
und Brandenburgs:
Institutionen, Archive,
Bibliotheken, Gedenkstätten,
aber auch heimische Sagen,
Eindrücke klassischer Autoren,
und einen kleinen literatur-
geschichtlichen Überblick.

Romantik in Berlin und auf dem Lande

Informationen

Literaturangabe:

Walther, Peter
Märkische Dichterlandschaft. Ein historischer Literaturführer durch die Mark Brandenburg, Stuttgart 1998

zurück
weiter

Romantik in Berlin und auf dem Lande

Romantik in Berlin und auf dem Lande

In Berlin hatte sich während der achtziger Jahre des 18. Jahrhunderts eine Salonkultur entwickelt, die jenseits von Standesgrenzen all jene einschloß, die in der Welt des Geistes Rang und Namen hatten: „Gelehrte, Juden, Offiziere, Geheime Räte, Edelleute, kurz alles, was sich an andern Orten (Weimar ausgenommen) die Hälse bricht, fället einander um diese, und lebt wenigstens freundlich an Tee- und Eßtischen beisammen“, schreibt Jean Paul, der sich zu Beginn des neuen Jahrhunderts in Berlin aufhielt. Diese Kultur strahlte auf das flache Land aus, bekam aber umgekehrt auch von dort Impulse. Über die ganze Mark verstreut lagen die Landsitze märkischer Adelsfamilien, die vor allem in der Zeit der Romantik zu wirklichen Musenhöfen wurden: Adlige besannen sich auf ihre Mäzenatenrolle, traten selbst als Künstler hervor und führten zugleich ein gastfreies Haus, in dem die Beschäftigung mit den Künsten, der Wissenschaft und dem Zeitgeschehen im unterschiedlichen Maß zum Alltag gehörte.

Abwechselnd in Berlin und auf ihrem Gut in Nennhausen bei Rathenow lebten Friedrich Baron de la Motte Fouqué, der aus einer hugenottischen Emigrantenfamilie aus der Normandie stammt, und seine Frau Caroline, eine geborene von Briest und geschiedene von Rochow (nicht zu verwechseln mit der gleichnamigen Witwe des preußischen Innenministers, einer geborenen v. d. Marwitz). Fouqué hatte vor allem mit seinem romantischen Kunstmärchen „Undine“ (1811) und dem dreibändigen Roman „Der Zauberring“ (1813) Erfolg. Beide Bücher umreißen die Leitthemen Fouquéscher Dichtung: Ist es in „Undine“ die mit moderner psychologischer Erzählkunst geschilderte Doppelrolle der Frau als Wesen der Reinheit und der Verführung, die das zentrale Thema der Märchennovelle ausmacht, so beschwört Fouqué im „Zauberring“ die Ideale mittelalterlicher Ritterherrlichkeit. Kein anderer als Arno Schmidt entdeckte mit seiner Fouqué-Biographie das Werk des Barons für unsere Zeit wieder. Caroline von Rochow ist besonders durch ihre autobiographischen Romane („Die Frau des Falkensteins“, 1810; „Feodora“, 1814) und durch ihren Anti-Revolutionsroman „Die Magie der Natur“ (1812) bekannt geworden. Zu den Freunden und Gästen des Schriftsteller-Ehepaars gehörten Literaten und Philosophen wie August Wilhelm Schlegel, E. T. A. Hoffmann, Karl August und Rahel Varnhagen van Ense, Fichte und Eichendorff.

1811 heiratet Achim von Arnim (1781-1831), der Herausgeber der Goethe gewidmeten Liedersammlung „Des Knaben Wunderhorn“, Bettine Brentano (1785-1859), die Schwester seines Freundes und Mitherausgebers Clemens Brentano. 1814 bezieht das Paar, vor allem aus wirtschaftlichen Gründen, das Gut in Wiepersdorf (bei Jüterbog). In Berlin war für den angehenden Dichter kein standesgemäßes Auskommen zu finden, mit dem die wachsende Familie hätte ernährt werden können. Bettine, der die Lebensumstände auf dem Lande nicht behagten, verließ Wiepersdorf mit den Kindern bald schon wieder und kehrte nach Berlin zurück, um über längere Zeit nur noch zu Besuch hierher zu kommen. Achim, dem die ländliche Existenz mehr lag, verbrachte jeweils einige Monate im Jahr auf den Gütern in Wiepersdorf und Bärwalde. Die Zeit der Trennung überbrückte das Paar mit intensiver Korrespondenz – ein Briefwechsel, der zum Wertvollsten in der deutschen Literatur gehört. Das Leben in Wiepersdorf war durchaus bodenständig und ließ kaum Freiheit für geistige Beschäftigung. Dennoch hat Achim von Arnim einen Großteil seines literarischen Werks, das zu seinen Lebzeiten kaum Beachtung fand, in dieser Zeit verfaßt. Bettine zog sich nach dem Tode Achims, dessen Werk sie gemeinsam mit Wilhelm Grimm herausgab, wieder öfter aufs Land zurück.

Was ihrem Mann weitgehend verwehrt geblieben ist, hat Bettine zur Fülle genossen: literarischen Ruhm und den Zuspruch berühmter Zeitgenossen: „Überschütten Sie alles mit Blumen, lassen Sie Funken und Blitze herausleuchten und nennen Sie´s Bettine“, schrieb Karl August Varnhagen van Ense; Brahms, Beethoven und Schuhmann widmeten ihr Kompositionen und Goethe, von ihr schwärmerisch verehrt, nannte sie „allerliebste Bettina“. Die Publikation ihres frühen Briefwechsels mit Goethe (1835) machte sie schnell berühmt. Dem preußischen König Friedrich Wilhelm IV., mit dem Bettine laufend korrespondierte, widmete sie die sozialkritische Schrift „Dies Buch gehört dem König“ (1843); ein zweiter Band, an dem sie unter anderem in Wiepersdorf schreibt, erschien 1852 unter dem Titel „Gespräche mit Dämonen“. Die Faszination, die von Bettine von Arnim ausgeht, ist bis heute ungebrochen: Autorinnen wie Ricarda Huch, Ingeborg Drewitz, Sarah Kirsch und Christa Wolf haben sich essayistisch oder literarisch dem Leben und Werk dieser bedeutenden Frau angenähert.

Die Topographie märkischer Musenhöfe in dieser für die Literatur in Brandenburg wohl fruchtbarsten Zeit wäre nicht vollständig, ohne wenigstens noch das Knesebecksche Gut in Karwe erwähnt zu haben, wo der preußische Feldmarschall Karl Friedrich Freiherr von dem Knesebeck (1768-1848), selbst Verfasser von Sinn- und Lehrgedichten, Haus hielt. In Madlitz (heute Alt Madlitz) zwischen Frankfurt und Fürstenwalde, auf dem Gut der Finckensteins, kam Ludwig Tieck (1773-1853) für einige Zeit unter, um dann über anderthalb Jahrzehnte in Ziebingen zu leben, und in Kunersdorf, auf den Besitzungen der von Itzenplitz am Rande des Oderbruchs, schrieb Adelbert von Chamisso (1781-1838) im Sommer und Herbst 1813 die Geschichte vom verlorenen Schatten des Peter Schlemihl. Im Schloß Branitz (heute zu Cottbus) residierte der Theoretiker und Praktiker der Gartenkunst, Fürst Hermann Pückler-Muskau (1785-1871), der bis heute vor allem wegen seines extravaganten Lebensstils bekannt ist. Daß Pückler einer der meistgelesenen Schriftsteller seiner Zeit war und mit den Reisebriefen an seine geschiedene Frau „Schnucke“ („Briefe eines Verstorbenen“, 1830/ 32) eine der größten Buchauflagen des 19. Jahrhunderts erzielte, ist kaum ins Bewußtsein der Nachwelt gedrungen.

Erst seit dem Wiener Kongreß 1815 gehörte die Gegend um Lübben als Teil der Provinz Brandenburg zum preußischen Staat. Hier, in Neuhaus bei Lübben, lebte seit 1821 der Schriftsteller Ernst Frhr. von Houwald (1778-1845), der in seiner Studienzeit mit zahlreichen romantischen Schriftstellern (u.a. Tieck, Wackenroder, Novalis und Brentano) in Kontakt gekommen war. Houwald konnte eine Zeitlang mit biedermeierlichen Dramen schriftstellerischen Erfolg verbuchen. Während der Zeit am Pädagogium in Halle lernte er Carl Wilhelm Salice-Contessa (1777-1825) kennen, der später in Berlin dem Kreis um E. T. A. Hoffmann, Fouqué und Chamisso angehörte. Hoffmann hat ihm in seinem Erzählzyklus „Die Serapionsbrüder“ ein literarisches Denkmal gesetzt. Salice-Contessa, der als Lustspieldichter und Novellist hervorgetreten ist, zog nach dem Tod seiner zweiten Frau gemeinsam mit seinem Sohn auf das Gut von Houwald, wo er den Freund zur schriftstellerischen Arbeit ermutigte und sich um die Verbreitung von dessen Schriften bemühte. Der Großteil seines eigenen Werks erschien erst posthum, herausgegeben in neun Bänden von Ernst von Houwald.

10

Schriftsteller mit Bezug zum Text

7

Orte mit Bezug zum Text

5

Literarische Einrichtungen mit Bezug zum Text