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Schriftsteller als "Ingenieure der Seele"

Informationen

Literaturangabe:

Walther, Peter
Märkische Dichterlandschaft. Ein historischer Literaturführer durch die Mark Brandenburg, Stuttgart 1998

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Schriftsteller als "Ingenieure der Seele"

Schriftsteller als "Ingenieure der Seele"

Ende der vierziger Jahre folgte mit dem Beginn des Kalten Krieges auf eine Zeit relativer Offenheit eine Phase der offenen Repression. Die ?bürgerlichen? Kräfte wurden nicht mehr um jeden Preis umworben, ging es doch von Beginn an darum, sie ersetzbar zu machen. Die Verhaftung des CDU-Bürgermeisters im Frühjahr 1950 war der Auftakt einer ganzen Welle von Festnahmen, der fast alle Mitglieder des CDU-Kreisvorstandes zum Opfer fielen, sofern sie sich nicht nach West-Berlin absetzen konnten. So verschwand etwa der Stadtverordnete Erich Ebert, der seine Buchhandlung in der Potsdamer Stadtmitte mit Lesungen und Gesprächen zu einem geistigen Zentrum der Stadt gemacht hatte, für sieben Jahre im Zuchthaus Bautzen. Der angehende Schriftsteller Horst H. Bienek (1930-1990), der seit 1946 in der alten russischen Kolonie in Potsdam lebte, wurde 1951 festgenommen und kam erst Ende 1955 aus Workuta zurück. Die Aufzählung ließe sich fortsetzen, etwa mit dem Fall des Germanisten Joachim G. Boeckh, der aus Heidelberg nach Potsdam gekommen war und Mitte der fünfziger Jahre verhaftet wurde.

Tonangebend im literarischen Betrieb Potsdams wurden in den kommenden Jahren kommunistische Autoren wie Eduard Claudius (1911-1976) und Hans Marchwitza (1890-1965). Beide kannten sich bereits aus dem Schweizer Exil. Claudius war 1947 aus dem Ruhrgebiet nach Potsdam gekommen, zuvor hatte er als Pressechef der Entnazifizierungsstelle in München gearbeitet. 1945 war sein Buch über den Spanischen Bürgerkrieg ?Grüne Oliven und nackte Berge? in Zürich erschienen, 1951 kam der Roman ?Menschen an unserer Seite? heraus, der als Musterbeispiel für die Durchsetzung des sozialistischen Realismus in der erzählenden Literatur galt. Dieser Roman entspricht einem Funktionsverständnis vom Autor und von der Literatur, das Hans Marchwitza einmal in dem Satz zusammengefaßt hatte: ?Wir schreiben ja nicht, um die Bourgeosie zu unterhalten, sondern für das revolutionäre Proletariat, für den Klassenkampf?. Der Arbeiterschriftsteller Marchwitza, der 1947 aus Stuttgart nach Potsdam kam, hatte bereits 1934 im Exil den ersten Teil seiner ?Kumiak?-Trilogie vorgelegt, in dem er die Geschichte eines Bergarbeiters beschreibt. In den fünfziger Jahren erschienen zwei weitere Bände der ?Kumiaks? und der Betriebsroman ?Roheisen?, gleichfalls ein ?realistischer? Roman mit stark schematisierter Figurenschilderung und überschaubarer Problemkonstellation. Diese als neuartig propagierte und geförderte Literatur war in der Konventionalität ihrer ästhetischen Mittel und ihren erzieherisch-propagandistischen Absichten freilich alles andere als revolutionär, sondern bedeutete eher einen Rückschritt in die literarische Vormoderne.

Zu den Zeichen einer wiederum ?veränderten geschichtlichen Lage? gehörte auch die Verwaltungsreform von 1952, in der das gerade erst gegründete Land Brandenburg in gesichtslose Wirtschaftsterritorien aufgeteilt wurde. Die Schriftsteller wurden ab 1950 im ?Deutschen Schriftstellerverband? (seit 1952 eigenständig) zusammengefaßt, der ? im Unterschied zum Gesamtberliner ?Schutzverband Deutscher Autoren? - kein berufsständischer Verband war, sondern eine vom Staat alimentierte politische Organisation, deren Statut den Schriftstellern ein Bekenntnis zur ?schöpferischen Methode des sozialistischen Realismus? abverlangte. Anliegen des DSV war die ?ideologische Erziehung unserer Schriftsteller?, wie es in einem Bericht von 1951 heißt. Man unterhielt einen hauptamtlichen Apparat (1955 mit 62 Stellen), zwei Schriftsteller-Erholungsheime in Petzow und in Wiepersdorf und bot seinen Mitgliedern zahlreiche Sozialleistungen. Kehrseite dieser großzügigen Versorgung war ein faktisches Berufsverbot für alle, die sich zur Ableistung der vom Verband geforderten politischen Bekenntnisse nicht entschließen konnten. Diese Praxis wurde Jahrzehnte später im ?Gesetz zum Schutz der Berufsbezeichnung Schriftsteller? (1981) fixiert, ein Gesetz, das alle außerhalb des Verbands tätigen Autoren damit bedrohte, ?auf der Grundlage der bestehenden Gesetze durch die jeweiligen Ämter für Arbeit und Löhne geregelten Arbeitsverhältnissen zugeführt (zu) werden?

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