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Schwedt an der Oder

Informationen

Literaturangabe:

Heuss, Theodor
Von Ort zu Ort. Wanderungen mit Stift und Feder, Stuttgart 1959

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Schwedt an der Oder

Theodor Heuss

Schwedt an der Oder

Schwedt ist eine bemerkenswerte Stadt, sie besitzt eine Geschichte von rund hundertzwanzig Jahren, die von 1670 bis 1788 geht - diese Zeit tritt scharf umrissen aus dem Strome des Geschehens heraus, sie ist Stein und Baum geworden, man wandert zwischen ihr, als ob ein Vorher oder Nachher nicht recht gewesen sei.
Eine energische Hand nahm sich in der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts der Stadt an. Diese Hand gehörte Dorothea, einer holsteinischen Prinzessin, die, nach kinderloser Ehe mit einem Braunschweiger verwitwet, 1668 die zweite Frau des Großen Kurfürsten geworden war. Diesen Hintergrund muß man im Bewußtsein halten, wenn man staunend durch das Städtchen wandert und vor allem die großzügige Anlage von Schloß und Schloßfreiheit genießt. Dorothea hatte ja erlebt, wie ihr Gatte selber mit der Straße ?Unter den Linden? dem neuen Geschmack zu huldigen begann - in der ?Dorotheenstadt? Berlins war die rechtwinklige Geometrie der Planung am Rande des Stadtkerns zum ersten Male auf diesem Boden ausprobiert. Das hatte nun hier in Schwedt eine kühnere Wiederholung erfahren, man durfte mit dem Raume noch verschwenderischer sein: an der Oder hatte Dorothea selber das Schloß neu und breit gelagert errichten lassen, in guten Maßen, die Enkel fügten vorstoßende Flügel an - den Rhythmus des Ganzen bestimmte aber die Prachtstraße, die von der Schloßachse aus, fünfundachtzig Meter breit, einige hundert Meter lang, mit vier Reihen Kastanien bepflanzt, zu dem Augustiner Tor, einem barocken Schaustück, führt - weiter hinaus zu dem damaligen Schlößchen ?Mon plaisir?. Das Vergleichsbedürfnis hat wohl um dieser Sache willen Schwedt den Namen ?Potsdam der Uckermark? gegeben.
Die Stadt hat übrigens der Mark ein wichtiges Geschenk gemacht: der ältere Gilly ist hier geboren. Er war einer der wichtigen Baumeister und Techniker Friedrichs II., sein jung gestorbener Sohn wurde Schinkels vergötterter Lehrer. Das ist ein liebenswürdiger Zufall; aus der französischen Gemeinde von Neuruppin, Schinkels Heimat, würde der Mann erstehen, der die Mark Brandenburg neu zu sehen lehrte: Theodor Fontane; in Schwedts barocker Atmosphäre aber hatte die Baugesinnung ihre Wiege, die den märkischen Klassizismus präludieren sollte.

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