„Das Fremde im Fremden“
Fragte man Lyrikleserinnen und -leser, warum sie immer wieder bereit sind, sich auf Gedichte einzulassen, würde wohl niemand erwidern, dass es auf diese Weise möglich sei, sich der eigenen Weltsicht zu vergewissern. Bestätigung des bereits Gedachten oder Erkannten ist es ja gerade nicht, was lyrische Texte versprechen, ganz im Gegenteil beziehen Gedichte ihre Attraktion daraus, überraschend, eigenartig und verstörend zu sein, und ihre größte Qualität besteht vielleicht darin, uns die Erfahrung von Fremdheit zu ermöglichen, das Gefühl, fremd in der eigenen Sprache zu sein. Für Übersetzerinnen und Übersetzer von Lyrik, die ja zuallererst auch nur ganz gewöhnliche Leserinnen oder Leser sind, stellt sich nun das Problem, Fremdheit nicht in der eigenen, sondern in einer fremden Sprache zu erleben – und oft ist es gar nicht klar, ob die Abweichung vom Gewohnten der Sprachdifferenz oder der eigensinnigen Sprachverwendung geschuldet ist.
Im Seminar soll nicht nur von diesen Schwierigkeiten die Rede sein, sondern genauso davon, wie man übersetzerische Probleme produktiv machen kann, welche Chancen sie bieten, welche Freiheiten und Lizenzen sie den Übersetzerinnen und Übersetzern an die Hand geben, und vielleicht lässt sich angesichts solcher Texte sogar unsere Vorstellung von Übersetzung noch einmal neu diskutieren.
Bewerben können sich Übersetzerinnen, Schriftsteller oder Lyrikerinnen mit einem lyrischen Übersetzungsvorhaben. Es ist geplant, dass im Seminar alle Teilnehmenden ihr Vorhaben so vorstellen (Semantik, Form, Klang), dass dieses auch ohne Kenntnis der Ausgangssprache von der gesamten Gruppe diskutiert werden kann. Referentinnen werden langjährige Erfahrungen beisteuern.
Leitung: Marie Luise Knott und Ulf Stolterfoht
Zeitraum: vom 10. bis 14. September 2023
Ort: im Literarisches Colloquium Berlin
Kosten: Keine Teilnahmegebühr. Die Fahrtkosten werden nach Möglichkeit erstattet. Für die Unterbringung auswärtiger Teilnehmer wird gesorgt.
Teilnehmerkreis: Die Anzahl der Seminarteilnehmer beträgt max. 12 Personen. Zielsprache ist Deutsch, alle Ausgangssprachen sind willkommen.
Bewerbung: Bewerbungsschluss ist der 19.06.2023. Die Bewerbung ist gültig, sobald alle Unterlagen vollständig vorliegen. Es können nur Anmeldungen für die gesamte Dauer des Workshops angenommen werden. Die Auswahl der Teilnehmenden erfolgt bis 17.07.2023.
Teilnahmebedingungen: Voraussetzung ist die Veröffentlichung mind. eines literarischen Werks oder einer literarischen Übersetzung.
Einzureichen sind in einer PDF-Datei (etwaige Anschreiben bitte ins PDF, nicht in Email):
1. eine kurze Bio-Bibliographie
2. eine Beschreibung des lyrischen Übersetzungsvorhabens mit einer Probeübersetzung (mindestens 30 Zeilen, mit Bewerbernamen markiert) sowie dem entsprechenden Original und, vor allem bei sehr weit entfernten Ausgangssprachen, einer Interlinearversion.
Bewerbungen bitte an den Deutscher Übersetzerfonds:
bewerbung@uebersetzerfonds.de, Betreff: Lyrikseminar 23 + Name Bewerber·in