Der Band Briefe aus der Roten Wüste (gutleut verlag 2024) präsentiert einen Wechselgesang in zwei Stimmen und zwei Sprachen, Italienisch und Deutsch (übersetzt in die jeweils andere Sprache von Paola del Zoppo bzw. Pia-Elisabeth Leuschner). Zwei Dichter:innen werden einander als Liebende zu Stichwortgebern: Maria Borio (geboren 1985 in Perugia) und Tom Schulz (geboren 1970 in Großröhrsdorf). Die Texte, die sie sich schicken,
umspielen die Form des Sonetts, erweitern sie jeweils um einen Vers. Die Ansicht, dass man heutzutage keine Liebesgedichte mehr schreiben könne, wird hier eindrucksvoll widerlegt. Es ist allerdings eine Liebe in Zeiten der Pandemie, eine Liebe unter geschlossenen Lufträumen. „Einander denken ist sich vereinen“, heißt es gleich im ersten Gedicht, das den Ton vorgibt. Danach werden die jeweiligen Antwortgedichte, geschrieben „im Flattersatz zwischen Mai und Maikäfer“, zu Echokammern, die vorherige Motive aufnehmen und verwandeln. In dem einen Gedicht ist der Himmel aus Staub, das Firmament ein Schrottplatz für die Sterne, im nächsten nimmt er die Farbe von Lapislazuli an. In einem Gedicht häuten sich die Zwiebeln, im nächsten die Tiere. Der Brotbaum wird zum Brot. Alles kehrt wieder: die Geckos, die Oliven und die Wolke im Kleid. Die Liebenden erfinden im Austausch eine Sprache der Zärtlichkeit, die die Utopie entwirft, niemand stürbe vor dem anderen und in welcher der Umriss eines Strauchs zu vibrieren beginnt und das Licht in den Kastanien aufgewiegelt wird.
Die Veranstaltung wird italienisch-deutsch gedolmetscht.
Eine gemeinsame Veranstaltung mit dem Italienischen Kulturinstitut Berlin /
Istituto Italiano di Cultura di Berlino
In Lesung & Gespräch: Maria Borio | Tom Schulz
Moderation: Nadja Küchenmeister