An diesem Abend sind drei eigensinnige lyrische Stimmen vernehmbar, die zugleich eine gewisse Verwandtschaft aufweisen: im sowohl feinfühligen als auch wagemutigen Umgang mit Sprache und Mitwelt, in spielerisch-experimentellen Zügen der Gestaltung sowie im kritischen Tanz mit den mannigfaltigen Destruktivkräften der Moderne. In jeweils originärer Weise tasten sie sich in Grenzbereiche unserer entfremdeten Verhältnisse vor, deren Elemente sie entwenden, umarbeiten, kompostieren – sodass Spuren andersartiger Verbundenheiten und Resonanzverhältnisse spürbar werden können.
Elke Cremers Lyrik erkundet „eingezäunte Restmilieus“ und „digitale Friedhöfe“, unternimmt Expeditionen zum Mond und zum Meeresgrund. Sie bewegt sich durch gegenwärtige und künftige Waldgebiete, die teils durch klimatische Verwerfungen versehrt sind, teils frei und unkontrolliert wuchern. Neben Gedichten aus ihrem Band „Aufriss ohne Häuser“ (KLAK, 2022) stellt Cremer unveröffentlichte Lyrik zum Thema „Wald“ vor, die mit einer parallel laufenden Videoarbeit der Künstlerin Katinka Theis korrespondiert.
Lars-Arvid Brischkes Gedichte können sich als Selbstgespräche mit Tieren, Pflanzen, Landschaften, Gegenständen oder Ideen lesen oder hören lassen. Festgezurrte Motive aus Wirtschaft, Politik, Kultur und Alltag werden sachte bis kräftig durchgeschüttelt und – teils heiter, teils bissig gestimmt – neu verknüpft, variiert, konvertiert. So entstehen Mikrokosmen, oft zu Reihen oder Zyklen kumuliert, die es in sich haben. Brischke liest unter anderem aus seinem aktuellsten Band „wer fällt schon aus der welt“ (Edition Art Science, 2020).
Die Gedichte von Rainer Stolz laden ein, in einem Netz gewitzter Sprach- und Wahrnehmungspfade umherzustreifen. In Seismografien sozialen Wandels, an Bruch- und Schnittstellen des Lebens öffnen sich Spiel- und Resonanzräume, dissidente Parallelwelten. In diesen spartenübergreifenden Gebilden aus Sprachkunst, Klangkomposition und visueller Gestaltung ereignet sich im „maternoster“ oder auf „wanderinseln“ bisweilen ein „rekombinationsleuchten“. Stolz liest aus seinem neusten Band „flüchtige ankünfte“ (KLAK, 2024).
Elke Cremer studierte Literatur- und Musikwissenschaft. Sie erhielt das Literatur-Jahresstipendium der Kunststiftung Baden-Württemberg und den Lyrikförderpreis der GEDOK Heidelberg. 2019 gelangte sie in der Endrunde zum Gertrud-Kolmar-Preis.
2014 erschien ihr Lyrikheft »Linien aus Bienen«, 2021 der Lyrikzyklus »Die Mandarinenorakel« (gemeinsam mit Eva Brunner), 2022 ihr Lyrikband »Aufriss ohne Häuser« im KLAK Verlag Berlin. 2017, 2022 und 2023 erhielt sie den Deutschen Hörfilmpreis.
Elke Cremer ist Teil des Schreibkollektivs „Literatur für das, was passiert“ und der Nature-Writing-Gruppe „dns [die_natur.schreibt]“.
Katinka Theis, 1975 in Freiburg geboren, legt den Schwerpunkt ihrer künstlerischen Arbeit auf die Arbeit mit Objekten, Installationen und Kunst im öffentlichen Raum. Seit ihrem Studium der Bildhauerei von 1996-2000 an der Alanus Hochschule, Universität für Kunst und Gesellschaft Bonn, lebt und arbeitet sie freischaffend in Berlin. Von 2007-2009 absolvierte sie den Masterstudiengang "Raumstrategien" an der Kunsthochschule Berlin-Weißensee und ist seitdem national und international in zahlreichen Ausstellungen vertreten und an Projekten im öffentlichen Raum beteiligt. Seit 2014 lehrt sie im Studium Fundamentale an der Universität Witten-Herdecke.
Rainer Stolz, geboren 1966 in Hamburg, lebt als freier Autor sowie Kursleiter in der Erwachsenenbildung (Lyrik und Empathische Kommunikation) in Berlin. Sein poetisches Wirken umfasst Tätigkeiten als Rezensent, Herausgeber, Veranstalter und Lyrik-Coach, poetische Spaziergänge, poetische Improvisation als Performance und die Teilnahme an interdisziplinären Kunstprojekten. Für seine lyrische Arbeit erhielt er zahlreiche Stipendien. Bisherige Gedichtbände: „flüchtige ankünfte“ (2024), „Selbstporträt mit Chefkalender“ (2014), „Spötter und Schwärmer“ (2012) und „Während mich die Stadt erfindet“ (2007).
Lars-Arvid Brischke
1972: geboren in Dresden, lebt in Berlin
1994-2000: Studium der Energietechnik an der TU Berlin
1997: Mitbegründer und Mitglied der Lyrikgruppe "Die Freuden des jungen Konverters"
2000-2003: Energieingenieur in Winterthur (CH)
2005: Promotion an der Universität Stuttgart
2006: Lyrikband „eine leichte acht“, Lyrikedition 2000, München
Seit 2010: Energie- und Zukunftsforscher, Themenleiter am ifeu - Institut für Energie- und Umweltforschung Heidelberg, Büro Berlin
2014: 1. Preis beim „lauter niemand Preis für politische Lyrik IV“
2015: flügelzeug. Laut-, Listen- und Raubgedichte von Lars-Arvid Brischke & Rainer Stolz. Grafiken von Annette Kuhl. CD & Booklet. edition rast, Berlin 2015
2019: 1. Preis beim Feldkircher Lyrikpreis
2020: Lyrikband „wer fällt schon aus der welt“, edition art science, St. Wolfgang
2023: Wildnis im Versuchslabor. Simultan(poesie von Lars-Arvid Brischke, Silke Peters, Christian Vater, T.G. Vömel. Vauvau-Verlag für interaktive Lyrik, Berlin
Wir möchten darauf hinweisen, dass der Fahrstuhl im Gebäude leider momentan nicht funktioniert. Aus diesem Grund ist der Zugang zurzeit eingeschränkt. Dafür möchten wir um Entschuldigung bitten.