Die zehnte Berliner Rede zur Poesie hält die vielfach ausgezeichnete US-amerikanische Schriftstellerin und Gründerin des Racial Imaginary Institute (TRII) Claudia Rankine (geboren 1963 in Kingston, Jamaika). Sie folgt damit ihren Vorredner:innen Oswald Egger (2016), John Burnside (2017), Elke Erb (2018), Sergio Raimondi (2019), Anne Carson (2020), Johannes Jansen (2021), Michèle Métail (2022), Kim Hyesoon (2023) und Terrance Hayes (2024). Bekannt ist Rankine vor allem für ihre ganz eigene Form poetisch verdichteter Essayistik, die sie mit Fotografie und Memoire verbindet. Genannt sei hier vor allem die Trilogie Don’t Let Me Be Lonely (2004), Citizen (2014) und Just Us (2020), in der sich Rankine mit gesellschaftlichen Diskriminierungs- und Gewaltstrukturen auseinandersetzt.
In ihrer Rede beschreibt Rankine eine Poetik des Gesehenen, die das Bild und die Wahrnehmung dessen, was um uns herum geschieht, als Ausgangspunkt nimmt für das Sprechen und Schreiben. „My entire life as a writer has involved approaching the image as much as possible to reveal not only what is seen but what is not seen.“ Gerade in Zeiten politischer Einflussnahme auf das Sagbare bestehe eine ethische Verpflichtung, das Bild als Gegennarrativ sprachlich zu fassen und damit in der Realität zu halten. Sprache müsse Zeugnis ablegen über das Gesehene und so zum Akt des Widerstands gegen die Verdrängung und Normalisierung von Gewalt werden: „To speak what we see should be the least we can do.“ Rankine bezieht sich auf Autor:innen und Künstler:innen, die in ihren Werken auf je unterschiedliche Weise das zum Schweigen Gebrachte zum Ausdruck bringen, wie Carolin Emcke oder Teju Cole, und untersucht, wie gegenwärtig einer reflektierten Beziehung von Text und Bild treu zu bleiben ist.
Die Veranstaltung wird englisch-deutsch gedolmetscht und findet im kleinen Parkett statt.
„Writing as Seeing“ erscheint zur Veranstaltung auf Englisch und Deutsch (übersetzt von Uda Strätling) im Wallstein Verlag (18,00 €). Deutschlandfunk Kultur sendet einen Mitschnitt der Rede.