Wir haben Kurator*innen gebeten, wichtige Orte der jeweiligen Szenen zusammenzustellen und so kann man sich auf verschiedenen Sprachlinien durch die Stadt bewegen. 

Hebräische Szene

Zusammengestellt von Gadi Goldberg
  • 1. Mikan Ve’eylakh – Zeitschrift für diasporisches Hebräisch, Berlin-Paris
  • 2. Initiative „Öffentliche hebräische Bibliothek": Bettina-von-Arnim-Bibliothek
  • 3. Ha’Gimnassia: Selma Stern Zentrum für jüdische Studien Berlin-Brandenburg
  • 4. Bet Ha’Am Ha’Ivri
  • 5. Staatsbibliothek zu Berlin – Hebräische Handschriften
  • 6. Schreibwerkstatt – Hebräisch in Berlin schreiben
  • 7. Spitz – Das hebräische Magazin in Berlin
  • 8. Seret
  • 9. Zusammen Berlin
  • 10. Berale – Das Kindermagazin
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Gadi Goldberg

Gadi Goldberg wurde 1972 in Tel Aviv, Israel geboren. Er hat Chemie in Haifa und Literatur und Philosophie in Tel Aviv, München und Berlin studiert. Seit 2002 lebt er in Deutschland, zunächst im Süden des Landes, ab 2004 in Berlin. 2005 war er Teilnehmer der Sommerakademie und 2012 des Internationalen Übersetzertreffens im LCB. Seit 2011 organisiert und leitet er zusammen mit Anne Birkenhauer die deutsch-hebräische Übersetzerwerkstatt Vice-Versa. Er lebt in Berlin als Literaturübersetzer mit Schwerpunkten Prosa und Philosophie.

Vorwort

Die Geschichte der hebräischen Sprache in Berlin ist schon Jahrhunderte alt. Es ist keine Übertreibung zu sagen, dass Berlin eine enorm wichtige Rolle bei der Entstehung des modernen Hebräischen gespielt hat.
1755 wurde hier die allererste moderne Zeitschrift auf Hebräisch veröffentlicht, und zwar durch Moses Mendelssohn, der erst zwei Jahre zuvor aus seiner Heimatstadt Dessau nach Berlin zugezogen war und gerade seine ersten Schritte im intellektuellen Milieu der Stadt machte. Die Zeitschrift hat sich mit ästhetischen und ethischen Themen auseinandergesetzt und sich der Werte der Haskala, der jüdischen Aufklärung, verschrieben. Sie wurde zwar nach kurzer Zeit wieder eingestellt (einigen Stimmen zufolge aufgrund des heftigen Widerstands vonseiten wichtiger Rabbiner der Stadt), übte aber großen Einfluß auf den „Versammler“ aus, die wichtigste hebräische Zeitschrift der Haskala, 1784 in Königsberg gegründet und ab 1786 in Berlin, dem Zentrum der Haskala, herausgegeben. Diese wichtige Zeitschrift gab einer ganzen Generation jüdischer Aufklärer ihren Namen als „Versammlergeneration“.

Im 19. Jahrhundert wurde auch die hebräische Belletristik stark durch die Haskala geprägt – das Zeitalter der modernen hebräischen Literatur war angebrochen. Damals hatte Berlin schon seinen Status als Zentrum des Hebräischen an osteuropäische Städte verloren, es wurde aber immer weiter Literatur auf Hebräisch in Berlin verfasst.
Seinen Höhepunkt als Zentrum hebräischer Literatur hatte Berlin aber in der Zeit der Weimarer Republik. Nach dem ersten Weltkrieg waren Papier- und Druckpreise in Berlin wohl so niedrig, dass fast alle hebräischen Verlage aus Mittel- und Osteuropa nach Berlin umsiedelten. Mit den Verlagen und ihren literarischen Zeitschriften zogen auch die SchriftstellerInnen hierher und Berlin wurde in den 1920er Jahren zur Stadt mit den meisten hebräischen Zeitschriften, Verlagen und Druckereien weltweit. Wer in der hebräischen Literaturszene etwas auf sich hielt, kam nach Berlin – manche nur für ein paar Monate, andere für Jahre. In der Folge florierte hier eine hebräische Literaturszene ohnegleichen, mit literarischen Zeitschriften, Literaturveranstaltungen, einem hebräischen Kulturzentrum und sogar der Gründung des Hebräischen Weltverbands 1931, der bis heute existiert und weltweit Konferenzen zum Thema Hebräisch veranstaltet.

All dies kam mit der Machtergreifung der Nazis 1933 zu einem traurigen Ende. Die pulsierende hebräische Literaturszene Berlins wurde auf einen Schlag vernichtet und hat sich seither nicht wieder erholt, denn der Schwerpunkt dieser Literatur hat sich mit den meisten AutorInnen nach Palästina und später dem Staat Israel verlagert.

Heute kann jedoch eine langsame Rückkehr des Hebräischen nach Berlin verzeichnet werden. Mit den tausenden Israelis, die besonders im letzten Jahrzehnt in die Stadt gezogen sind, und dem steigenden Interesse für die hebräische Sprache unter der deutschen Bevölkerung im Allgemeinen wächst auch das Bedürfnis nach einer Kulturszene auf Hebräisch, deren Ansätze ich im Folgenden beschreibe.

Mikan Ve’eylakh – Zeitschrift für diasporisches Hebräisch, Berlin-Paris

Weserstraße 57
12045 Berlin

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1. Mikan Ve’eylakh – Zeitschrift für diasporisches Hebräisch, Berlin-Paris

An diese Tradition knüpft die Zeitschrift Mikan Ve’eylach („von hier/jetzt an“) an, deren Hefte „Versammler“ heißen. Diese literarisch-theoretische Zeitschrift versteht das Hebräische als diasporische Weltsprache, die nicht an ein bestimmtes Territorium gebunden ist. Sie ist die erste Zeitschrift auf Hebräisch, die in Berlin seit dem 2. Weltkrieg herausgegeben wird. Die Hefte sind in drei Teile gegliedert: Artikel, Prosa und Lyrik. Ziel des Gründers und Herausgebers Tal Hever-Chibowsky ist das Zusammentragen hebräischer Diskurse, die in Zeit und Raum zerstreut sind, um sie dann wiederum aus dem historischen Ort Berlin heraus zu beeinflussen.

Die Redaktion der Zeitschrift veranstaltet Lesungsabende zu jedem Heft und verhilft dadurch dem Hebräischen zu Leben und Präsenz jenseits des gedruckten Papiers.

Initiative „Öffentliche hebräische Bibliothek": Bettina-von-Arnim-Bibliothek

Schönhauser Allee 75
10439 Berlin

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2. Initiative „Öffentliche hebräische Bibliothek": Bettina-von-Arnim-Bibliothek

Die Bettina-von-Arnim-Bibliothek in Prenzlauer Berg ist die erste öffentliche Bibliothek, die in den letzten Jahren einen Bestand an hebräischen Büchern aufgebaut hat. Dieser geht auf eine Initiative Berliner Israelis zurück, die dem hebräischlesenden Publikum die hebräische Literatur (Belletristik in Übersetzung und Originalsprache, Sachbücher, Kinderbücher) in den öffentlichen Bibliotheken zugänglich machen möchte. Im Laufe etwa eines Jahres wurden über 500 Titel gesammelt und der Bibliothek gespendet. Dort wurden sie in Zusammenarbeit mit Hebräischlesenden eingepflegt. Seit März 2018 stehen sie zur Ausleihe bereit.

Die Initiative hat bereits 500 weitere Bücher gesammelt, die bald an einer anderen Bibliothek der Stadt katalogisiert und der breiten Öffentlichkeit zur Verfügung gestellt werden. So soll in den nächsten Jahren in allen Bezirken der Stadt ein hebräischer Bestand in den öffentlichen Bibliotheken aufgebaut werden.

Ha’Gimnassia: Selma Stern Zentrum für jüdische Studien Berlin-Brandenburg

Sophienstraße 22a
10178 Berlin

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3. Ha’Gimnassia: Selma Stern Zentrum für jüdische Studien Berlin-Brandenburg

Ha’Gimnassia („das hebräische Gymnasium“) existierte bis Ende 2016 und bot einen Rahmen für Vorträge und Diskussionen auf Hebräisch über hebräische und jüdische Kultur. Einmal monatlich wurde ein Abend mit drei bis fünf hebräischen Vorträgen und anschließender Diskussion veranstaltet. Die Initiatoren hatten eine Verwirklichung des Potentials Berlins vor Augen, das sich in den letzten Jahren zu einem der weltweit wichtigsten Zentren für hebräische Kultur und hebräisches Denken entwickelt hat.
Die thematische Bandbreite reichte von aktuellen jüdischen Themen, wie der Streit um die Beschneidung in der deutschen Gesellschaft, über literarische und künstlerische Themen, wie die hebräische Literaturrepublik zwischen Berlin und Wien oder jüdische nichteuropäische Künstler in Berlin, bis hin zu gesellschaftlichen Themen wie jüdische Frauen in Deutschland, Flüchtlinge in Berlin oder verbotene deutsche Denker in der jüdischen Kultur.

4. Bet Ha’Am Ha’Ivri

An dieser Adresse befand sich ab Ende der 1920er Jahre Bet Ha’Am Ha’Ivri, das „Haus des hebräischen Volks“. Dieses war bis zur Machtergreifung der Nazis das Zentrum des hebräischen Kulturlebens der Stadt. Es verstand sich sogar als Zentrum und Anlaufstelle für alle Organisationen außerhalb Palästinas, die sich der Verbreitung und Erneuerung der hebräischen Sprache widmeten. Neben Kultur- und Literaturveranstaltungen fungierte es auch als Ort für Debatten über die Zukunft der hebräischen Sprache und Kultur. Den Vorsitz hatte Naftali Herz Tur-Sinai, der zwischen 1919 und 1933 an der Hochschule für die Wissenschaft des Judentums in Berlin lehrte und in dieser Zeit die hebräische Bibel ins Deutsche übersetzte. In Berlin gehörte er auch einer Gruppe von Gelehrten an, die 1927 das Deutsch-Hebräische Wörterbuch herausgaben.
In den Räumlichkeiten dieses Hauses versammelten sich am 21. und 22. Juni 1931 Vertreter zahlreicher hebräischer Verbände aus Deutschland, Polen, den baltischen Ländern, England und Palästina, um einen Hebräischen Weltverband zu gründen.

Staatsbibliothek zu Berlin – Hebräische Handschriften

Potsdamer Straße 33
10785 Berlin

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5. Staatsbibliothek zu Berlin – Hebräische Handschriften

Die Sammlung hebräischer Handschriften an der Stabi umfasst etwa 500 Bände, darunter zahlreiche wertvolle Einzelstücke. Laut Webseite der Stabi ist die Entwicklung des Bestandes und seine Katalogisierung vor allem Moritz Steinschneider (1816-1907) zu verdanken, der in den letzten Jahrzehnten des 19. Jahrhunderts nicht nur die Sammlung hebräischer Handschriften aufbaute, sondern sie auch katalogisierte. Die Sammlung enthält vorrangig religiöse Schriften wie Handschriften der Bibel und des Talmud, aber auch Kodizes. Einige Manuskripte sind sehr alt und stammen aus dem 14. Jahrhundert.

Schreibwerkstatt – Hebräisch in Berlin schreiben
Janusz-Korczak-Haus
Rathausstraße 17
10178 Berlin
Kontakt: mati.shemoelof@gmail.com

6. Schreibwerkstatt – Hebräisch in Berlin schreiben

Die Schreibwerkstatt der in Berlin lebenden Autoren Mati Shemoelof und Itamar Orlev ist zwar nicht die erste hebräische Schreibwerkstatt, die in Berlin stattfindet: Mehr als eine einfache Schreibwerkstatt auf Hebräisch sein wollend, stellt sie jedoch die Frage, wie wir in der Muttersprache in der Diaspora schreiben.
Das Leben in der Fremde, in einer fremden Gesellschaft erzwingt die Auseinandersetzung mit einer breiten Palette von Themen. Der Dialog zwischen Bekanntem und Fremdem wirft Identitätsfragen auf der persönlichen, kulturellen und nationalen Ebene auf. Die Sprache, in der wir schreiben, spielt dabei eine wichtige Rolle.
Die Werkstatt möchte diese Themen erörtern und die verschiedenen Aspekte des Schreibens auf Hebräisch in Berlin beleuchten. Dabei werden auch kanonische hebräische Texte aufgegriffen, die im Berlin der Weimarer Republik verfasst wurden.

Spitz – Das hebräische Magazin in Berlin

Liegnitzer Str. 19
10999 Kreuzberg

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7. Spitz – Das hebräische Magazin in Berlin

Im Sommer 2012 erschien das erste Heft des Magazins „Spitz“, und zwar als erste periodische Publikation auf Hebräisch in Berlin seit dem 2. Weltkrieg.
Laut Gründerin und Chefredakteurin Tal Alon, die mit ihrer Familie 2009 nach Berlin zog, liegt der größte Unterschied zwischen der existierenden jüdischen Gemeinde Berlins und der neuen israelischen Immigration in die Stadt im Gebrauch der hebräischen Sprache. Für die Neuankömmlinge kann es Jahre dauern, bis sie die deutsche Sprache, die Kultur, die sozialen Kodexe und die politischen Zusammenhänge verstehen. Ihrer Vorstellung nach soll das Magazin daher eine kulturelle, politische und soziale Orientierung für israelische Emigranten bieten.
„Spitz“ existierte bis zum Frühjahr 2016 als gedruckte Publikation und erscheint seitdem weiterhin als Online-Magazin.

8. Seret

Seret („Film“) ist ein israelisches Filmfestival, das seit 2016 in Berlin stattfindet. Das Festival ist ein internationales Ereignis, das in London begonnen und sich mittlerweile auch in andere Städte der Welt wie Amsterdam, Santiago de Chile und eben Berlin verbreitet hat. Wer das alltägliche Hebräisch hören will, wie es heutzutage in Israel gesprochen wird, ist hier genau richtig. Das Festival zeigt die besten Drama- und Doku-Produktionen des israelischen Kinos und Fernsehens des letzten Jahres. Auch Kurzfilmabende finden statt.
Im Rahmen des Festivals wird auch einen „Industrie-Tag“ veranstaltet, der die Beziehungen zwischen der deutschen und der israelischen Filmindustrie fördern soll.
2018 erstreckte sich das Festival auf vier Kinos der Stadt mit weiteren Vorführungen in Hamburg, Köln und München.

Zusammen Berlin

Bernauer Straße
10435 Berlin

9. Zusammen Berlin

„Zusammen“ ist ein Haus für israelische kulturelle und gesellschaftliche Treffen. Es werden Werkstätten, Vorträge, Konzerte und Feste auf Hebräisch ausgerichtet. Jeden Freitagabend gibt es ein Schabbes-Essen und die jüdischen Feiertage werden gern und fröhlich begangen.
2018 hat das Haus ein hebräisches PoetrySlam veranstaltet.

Berale – Das Kindermagazin


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10. Berale – Das Kindermagazin

Seit März 2018 gibt es in Berlin ein gedrucktes Magazin auf Hebräisch für Kinder. Laut Redaktionskolumne im ersten Heft ist dieses aus Liebe zur hebräischen Sprache und zum Schreiben entstanden. Die Redaktion schreibt alle Inhalte selbst, darunter Gedichte, Erzählungen, Illustrationen, Übungen zum Leseverständnis u.v.m.
Das Magazin soll Kinder, die in verschiedenen Sprachen aufwachsen, ermutigen, ihr Hebräisch zu stärken und zu lieben.