Vom Schreien zum Schreiben
Ich weiß nicht, warum Babys schreien. Vielleicht wissen sie schon alles über das Leben? Am Anfang ist also der Schrei. Noch lange vor dem Wort. Aber ein Leben lang schreien, das hält niemand durch. Deshalb folgt nach dem Schreien oft das Verstummen. Oder auch das Verstummen angesichts dessen, was dieser junge Mensch so alles miterlebt. Schreien und Verstummen bleiben vermutlich die starken Pole, zwischen denen wir pendeln. Meist nur durch Katastrophen oder in besonderen Glücksmomenten gelingt es uns wieder, dieses unverfälschte Schreien oder diese selige Stummheit.
Ich hatte als jugendlicher Mensch zwei magnetische Kräfte, die beide in Diensten der Literatur standen und immer noch stehen und die mich magisch-magnetisch anzogen. Einerseits das Misstrauen, das Misstrauen gegenüber der Sprache generell, gegenüber Lebenskonzepten, gegenüber überbordenden Ideologien, gegenüber Konventionen. Andererseits das Vertrauen, das Vertrauen auf eine Sprache, die jene Räume öffnet, die wir verschlossen in uns haben und die wir gerne mehr bewohnen möchten oder von dessen Existenz wir gar nichts wissen. Das Vertrauen auf Begegnungen zwischen Menschen, auf ein nährendes Fließen zwischen Ideen und Gefühlen, das Vertrauen auf ein erfüllendes Betrachten so vieler Details. Das Denken, das Schreiben, das Fühlen, das Engagieren als Verbündete in einem anarchisch-vernünftigen Literaturkomplott, an welchem teilzunehmen ich stets ermuntere.
Ich biete Bilder an, mit jedem Buch biete ich eine Fülle an Bildern an, mit „Land unter ihnen“ eine Bilderreise der Kulturgeschichte und der Parabel über eine andere Begegnung von Kulturen, mit „Bis dass der Tod uns meidet“ eine beglückend-fordernde Reise durch die Labyrinthe des Empfindens und Betrachtens, inmitten der Größe und dem Abgrund der Philosophie. Mit den beiden Lyrikbänden "Der Klang der stummen Verhältnisse" und "Gin zu Ende, achtzehn Uhr" setze ich diese verdichtet fort. Verdichtet und faktenreich wiederum präsentieren sich die "111 Orte im Pinzgau, die man gesehen haben muss": es sind Preziosen über besondere Menschen, bahnbrechende Ereignisse und wundersame Plätze im Salzburger Land. Ein Buch, das sich von der Geschichte über die Künste bis zu den Schätzen der Natur und den Errungenschaften der Technik vielen Aspekten stellt und diese prägnant vorstellt.
Der öffentliche Raum braucht viel Platz für einen behutsamen Erfahrungshandel. Literatur leistet keinen geringen Anteil an diesem Erfahrungshandel. Ich wünschte, es gäbe mehr von diesem Basar, diesem Tresen, an den wir lehnen können, wann immer wir einen Erfahrungshandel anzetteln wollen.
Alexander Peer, 27. Juli 2021
Die Novelle "Land unter ihnen" erzählt von der Eroberung Mexikos durch H. Cortés, historische Fakten sind dabei mit frei erfundenen Details elegant verwebt. Dem Konquistador steht ein fiktiver Antagonist gegenüber, der eine Art Parabel über eine andere Vision kultureller Begegnung lebendig werden lässt.
Mit dem Romandebüt "Bis dass der Tod uns meidet" gelingt Peer ein Text, der in großer Dichte zwischen Erzählen und Betrachten pendelt und somit einen kleinen Streifzug durch die Philosophie bietet. Einfach ausgedrückt konzentriert sich der Konflikt dieses Romans voller Beziehungsverweisen auf den Kampf von Fühlen und Denken und wie beide einander durchdringen und wie sie sich im Weg stehen. Auch eine Dekonstruktion von Geschlechteridentität leistet dieses Buch, das zudem behutsam von den feinen Zwischentönen der Intimität erzählt.
"Der Klang der stummen Verhältnisse" ist sein Debüt als Lyriker. Ergänzt werden diese Arbeiten durch Tuschezeichnungen von Moussa Kone. "Gin zu Ende, achtzehn Uhr" ist eine Sammlung virtuos komprimierter philosophischer Pillen in Poesieform.
Von 1991 bis 1995 studierte Alexander Peer Germanistik / Philosophie / Publizistik in Wien und absolvierte anschließend einen Kursus zur Medienpädagogik am Medienzentrum der Stadt Wien.
Seit 2004 ist Peer als freier Autor und Journalist tätig und pendelt zwischen dem Pinzgau und Wien. Davor u.a. im Verlagswesen, Theater und für PR- und Werbe-Agenturen in verschiedenen Funktionen (Texten, Konzipieren, Organisieren und Bewerben) tätig. Ausflüge in den Bereich Comics.
Er publizierte bis dato u.a. in: Standard, Profil, Die Presse, Wiener Zeitung, a3 Bau, Diskurs, medianet, Extradienst, Gewinn, Sportzeitung, Wiener Zeitung sowie Literatur und Kritik. Etliche weitere Veröffentlichungen in Literaturzeitschriften in Deutschland, Schweiz und Österreich (Ostragehege, entwuerfe, SALZ u.a.). Zahlreiche Beträge in Anthologien in D, A, CH und Liechtenstein. Gelegentlich bietet er Schreib-Werkstätten an. Zahlreiche Lesungen bei diversen Festivals und in Literaturhäusern sowie auf Einladung des öst. Kulturforums.
Stipendien für seine Arbeit hat er seit 1996 erhalten. Darunter mehrere Arbeits- und Reisestipendien für diverse literarische Projekte seitens des Landes Salzburg, der Salzburger Kulturfonds und des österreichischen Bundeskanzleramtes.
Auswahl einiger Einladungen als writer-in-residence:
2009 im Ventspils House
2010 Gutsschreiber am Röderhof
2011 Stadtschreiber in Schwaz in Tirol
2012 in der Villa Sträuli in Winterthur
2013 in Château de Lavigny
2017 im Künstlerhaus Schloss Wiepersdorf
2019 in Hawthornden Castle
2001 - Prosapreis „Brixen/Hall“, veranstaltet vom Kreis Südtiroler Autorinnen und Autoren im Südtiroler Künstlerbund (3. Preis)
2009 - Endrunde Schloss Wartholz/Reichenau
2011 - Stadtschreiber in Schwaz in Tirol
2016 - ÖZV-Journalistenpreis 2016 in der Kategorie „Wissenschaft, Technik und Forschung“
Ab 14. April 2022 im Buchhandel: 111 Orte im Pinzgau, die man gesehen haben muss
Wir schreiben das Jahr 15 vor Christus. Ganz Noricum ist von den Römern besetzt … Ganz Noricum? Nein, ein von unbeugsamem Ambisonten besetztes Gebiet bei Salzach und Saalach hört nicht auf, Widerstand zu leisten. Der Pinzgau hat viel mehr Geschichte zu bieten, als man vermuten würde. Das neue Buch des gebürtigen Salzburgers Alexander Peer „111 Orte im Pinzgau, die man gesehen haben muss“ stellt ungewöhnliche Schauplätze der Geschichte vor, führt zu besonderen Naturerscheinungen und berührt mit starken Porträts charismatischer Menschen.
111 Orte im Pinzgau, die man gesehen haben muss
Literarischer Reise- und Kulturführer
Mit Fotografien von Christine Peer-Valenta
Emons Verlag 2022, Broschur, 13.5 x 20.5 cm, Preis 18,00 € [DE] 18,60 € [AT]
Seitenzahl: 250
ISBN 978-3-7408-1199-0
Ab 6. Dezember 2021 im Buchhandel: Gin zu Ende, achtzehn Uhr
Ich wäre gerne die Nachsicht zwischen den Menschen steht hier, und man möchte prompt antworten, das sei schon der Fall. Denn diese Gedichte sind nachsichtig, mild und reif; hier ist sich ein Dichter seines Könnens voll bewusst und schöpft es aus in ganzer Schönheit und Kraft. Ein ungeheures Spektrum an Schauplätzen und Naturerscheinungen, philosophischen Theorien, emotionalen Zuständen, Reflexionen zu Vergangenem, Gegenwärtigem und nie Geschehenem verleiht den Texten Tiefe und Komplexität, und doch dominieren immer wieder Humor und Leichtigkeit und eben: Nachsicht. Zweifel, Mehrdeutigkeit und freie Assoziation sind ausdrücklich erwünscht und ergeben sich ohnehin ganz von selbst angesichts dieser beziehungsvollen Lyrik. Was lange nachhallt: die Verbundenheit zwischen – womöglich fremden – Menschen und die zwischen Dichter und Dichtung.
Gin zu Ende, achtzehn Uhr
Lyrik von Alexander Peer
Limbus 2021. Preis: 15,- Euro
Seitenzahl: 96
ISBN: 978-3-99039-213-3