Astrid Hoffmann wuchs in den siebziger Jahren in Berlin-Friedenau auf. Die Jugend verbrachte sie in Charlottenburg. Sie studierte Publizistik und Arabistik an der Freien Universität Berlin (Abschluss: M.A.) und arbeitete nach einer Job-Phase bei der Pixelpark AG in der Konzeption. Sie entwickelte Ende der neunziger Jahre Konzepte und Texte für digitale Medien. 2004 besuchte sie ein Jahr lang den Aufbaustudiengang Kulturjournalismus an der Universität der Künste in Berlin und schreibt seitdem.
(Auszug)
Schnee
Es schneit in Potsdam wie es seit Jahren nicht geschneit hat. Mit freudiger Erwartung fahren wir ins winterliche Land hinaus. Februar. Je weiter wir ins Land kommen, desto weniger weiß ist es. Still und verschlossen und zurückgezogen bereitet es seine Frühlingswunder vor. Es gibt das Grün, das Gelb, manchmal schimmert an den Baumwipfeln ein bisschen rot, die Strukturen der Bäume sind verschieden, das sieht man: Die Erlen, die Pappeln, die Buchen und ganz weit draußen liegt auf den zarten Stängeln der Ähren auf den Feldern ein wenig Schnee.
Das ist die Zeit, da ich anfange, die jungen Bäume mit einem Spaziergang gut zu stimmen. An der Spitze des Spaziergangweges um den See herum war ein anderes, zunehmendes Licht.
Die Bauern in Rieben verkaufen noch immer: Auf einem Schild steht: Kartoffeln aus eigenem Anbau und andere Produkte des Gartens.
Wollen wir ein Kaninchen kaufen? Nein, sage ich. Aber wenn du willst, dann nehmen wir eins mit. Wir bestellen beim Bauern ein Kaninchen und der Bauer fragt, ob wir um den See laufen würden und wir sagten, nein das haben wir gerade gemacht und wir würden jetzt Kaffee trinken gehen in Gottsdorfund dann kämen wir bald wieder.
In Gottsdorf will der Architekt dem Künstler im Frühjahr ein Haus planen. Der Künstlers sagt: ich habe kein Geld mehr und ich könne ja nicht einmal dich bezahlen. Er habe Tee oder Kaffee für uns. Sonst nichts. Und der Architekt sagte: Du brauchst mich jetzt nicht zu bezahlen.
Dann nahm der Künstler eine lange schmale Holzlatte und lehnte sie gegen das Mittelteil des alten niedrigen Bauerhauses. So stelle er sich den Anfang vor; er bauche etwas Warmes zum Wohnen und in einem zweiten Schritt könne man die geschwungene Haube über die Halle bauen, so wie es sich der Architekt gedacht hatte. Die Halle war die angrenzende Scheune des Bauernhauses und sollte das Atelier werden.
Wieder beim Künstler daheim trinken wir Kaffee, er schneidet Äpfel, die aus seinem Garten waren. Dabei schauen wir Bilder von ihm an, die auch aus Gottsdorf waren. Der Zyklus der Bilder heißt: „gefühlt, gesagt, gedacht“.
Ich schaue immer noch die Bilder an, während er Kaffee aufgoss und wieder Äpfel schnitt. Ich denke darüber nach, über Wörter und die Abfolge von Wörtern, über die Zeichnung –und was ich dachte, weiß ich nicht mehr ganz genau , besser gesagt ich hatte für meine Gedanken keine Wörter, ich war noch auf der Suche nach Wörtern und ich sah das Werk an und das Werk schien mir etwas zu sagen und dann sagte der Künstler: Ich schenke es dir.
Draußen schien das Licht des Spätnachmittags: Dieses schöne Licht gäbe es nur für fünfundvierzig Minuten, sagte der Künstler.
Als wir nach Hause fuhren und in der Umgebung von Potsdam der Schnee wieder zunahm, sprachen wir darüber, was wir heute Abend kochen würden: Wir hatten die Auswahl zwischen Zander und Shrimps, und Huhn. Was für Gemüse hast du gekauft sagte Emiel und ich sagte: Spitzkohl und Rosenkohl, Rotkohl, Feldsalat und Spinat. Er briet Shrimps in der Pfanne, den Spitzkohl dünstete er, fügte dem Essen noch etwas roten Safran hinzu. Ich gehe in den Garten und nehme den samtigen Salbei zwischen die Finger und zerreibe einen Thymianzweig; später dann wird sich mein Babelsberger Hofgärtchen verwandeln in ein heiteres, verschwenderisches Gartenland mit südlichem Flair und Finka und duldet mich nur noch als Zuschauerin bis die Zeit kommt da ich die nächsten Zeilen schreibe bei abnehmenden Schnee.
Im Juni 2011 war "Zeit zu verschenken. Geschichten und Anekdoten aus Brandenburg"
das "Buch des Monats" im "Kulturportal Brandenburg".
Das Portal finden Sie heute unter: www.kreatives-brandenburg.de