Vita
Geboren am 27. Juni 1934 in Prenzlau, wuchs Lonny Henning in der uckermärkischen Kleinstadt Strasburg bei den Großeltern in kleinen Verhältnissen auf. Sie besuchte dort die Grund- und ein Jahr lang die Mittelschule und durfte die Oberschule in Prenzlau samt dessen Internat besuchen. Statt im Strasburger Kirchenchor sang das Kriegskind, nun im berühmten Chor der Puschkin Oberschule Aufbaulieder und auch die Strophe vom einig`Vaterland. Durchdrungen vom Glauben an ein neues Leben wollte sie Lehrerin werden und studierte am Institut für Lehrerbildung in Frankfurt/Oder, mit dem sie nach Potsdam zog und hier ihre Abschlußprüfungen und Praktika absolvierte. Neben ihrer Arbeit als Erzieherin und Lehrerin absolvierte sie ein Fernstudium für das Fach Deutsch. Heimlich schrieb sie traurige Gedichte und heiratete einen Kollegen. Als die zweitgeborene Tochter starb, drängte sie ihren Mann, mit der Familie in die Sprachlandschaft ihrer Kindheit zu ziehen. Sie wähnte, hier könne Sprache ihre Unschuld wiederfinden und auch der Konflikt zwischen Poesie und Pädagogik aufzuheben sein. Sie vertraute auf das natürliche Umfeld. Mit diesen Illusionen zog sie mit der Familie nach Seewalde im Kreis Neustrelitz. Ihr drittes Kind wurde geboren.
Hier gab es eine Internatsoberschule, deren Lehrer gemeinsam mit Wissenschaftlern der Humboldt-Uni Berlin daran arbeiteten, den Unterricht zu modernisieren und Begabungen zu fördern. Die kleine Lehrerenklave erwies sich schon bald als Eliteeinrichtung. Aber Begabtenförderung war auch hier zum Scheitern verurteilt, und die Schule wurde unter ökonomischen Vorwänden geschlossen. Es war für sie, was sie damals nicht wusste, der gefühlte vorweggenommene Untergang der DDR, für die sich engagiert hatte.
Hier begann der arge Weg der Erkenntnis für die einst begeisterte junge Genossin. Lonny Neumann verließ die Schule und kehrte nicht dorthin zurück. Vielleicht, so wähnte sie in Augenblicken, war soviel Rückständigkeit nur in Mecklenburg denkbar?Sie pendelte zwischen Mecklenburg und Leipzig. Sie studierte am Literaturinstitut und schrieb an dem Roman über das Scheitern der Seewalder Unternehmung, der ebenso wenig ein Buch wurde wie sich die pädagogischen Entwürfe hatten verwirklichen lassen. Der Westen war keine Alternative. Sie kannte ihn nicht und niemanden dort. Sie traute ihn sich auch nicht zu. Als die Familie nach achtzehnjähriger Ehe zerbrach, suchte sie einen gemeinsamen Lebensmittelpunkt für die heranwachsenden Kinder und sich in Potsdam, wo sie seither mit Unterbrechungen lebt und schreibt. Sie fand Freunde, mit denen sie zu Vorbereitern der Wende gehörte. Sie blieb ihrer Auffassung treu, dass der Schreibende, unabhängig von Erfolg oder Niederlage zur Zeugenschaft verpflichtet sei. So stand die Arbeit am Tagebuch, bisweilen Überlebensgrund, im Mittelpunkt, während sie Feature und Kinderbücher schrieb, sechsfache Großmutter wurde und ihren Töchtern half. Nach der Wende hoffte sie, für Unveröffentlichtes Wege zu finden. Doch es nahm sich nach ihrem eigenen Urteil seltsam aus im neuen Licht, und sie widmete sich von 1991 bis 1993 dem zweimal in seiner Heimatstadt verfemten Dichter Hermann Kasack, auf dessen ihr Beispiel gebendes Leben,Werk und Wirken sie seit 1983 aufmerksam geworden war. U. a. trug sie eine Ausstellung, auch mit Gütern des Literaturarchivs Marbach zu einer Ausstellung zusammen.Jetzt ist sie vor allem damit befasst, wichtige Augenblicke aus den Tagebüchern eines halben Jahrhunderts zu überarbeiten, hoffend, dass sich aus dem Umhergehen, dem Schauen und Staunen und dem kleinen gelegentlichen Widerstehen ein Mosaik bildet.
Würdigung
Aufenthaltsstipendien im Haus Lukas und im Schloss Wiepersdorf 1999 und 2004
Arbeitsstipendien des Brandenburger Ministeriums für Wissenschaft, Bildung und Kulur
Gaststudentin an der Ausländeruniversität Perugia 1994