Luke Wilkins, * 1979 in Riggisberg (CH) wuchs im Markgräflerland auf. Er begann seine Autorenlaufbahn beim WDR-Hörfunk, wurde Schauspieler und trat in Serien und Kinofilmen auf. 2012 machte er einen Bachelor am Schweizerischen Literaturinstitut in Biel und 2016 einen Master an der Basler Musikhochschule.
Neben dem Schreiben unternimmt er Konzertreisen mit seinem frei improvisierenden Streichquartett, entwickelt Performances und unterrichtet an Kunsthochschulen. Die Arbeit an seinem Debütroman Jeff wurde u.a. von Pro Helvetia und einem Stipendium an der Akademie Schloss Solitude gefördert.
Wilkins lebt in Biel und in St. Ilgen, südlich von Freiburg im Breisgau.
2009 Werkbeitrag Dienststelle für Kultur Biel
2011 Werkbeitrag Amt für Kultur des Kantons Bern
Werkbeitrag Dienststelle für Kultur Biel
2013 Prohelvetia Werkbeitrag
2014 BAK Werkbeitrag
2014 Literaturmentoring des Amts für Kultur des Kantons Bern
2015 Werkbeitrag Kulturamt Bern
2016 Werkbeitrag Förderverein deutscher Schriftsteller Baden-Württemberg
2017 Werkbeitrag Burgergemeinde Bern
2018 Stipendium der Akademie Schloss Solitude, Stuttgart
Jeff
Badische Zeitung, 27.11.2018, Jess Jochimsen
Lässt man sich auf Luke Wilkins’ Debut-Roman ein, liest ihn langsam und genau, und viele Passagen mehrfach, so hat man am Ende der gerade mal zweihundert Seiten nicht nur an einem bemerkenswerten literarischen Vexierspiel teilgenommen, sondern vor allem einen Autor entdeckt, dem Schreiben tatsächlich niemals Tätigkeit ist, sondern stets schiere Existenzform.
Es braucht Zeit, bis sich ein Handlungsrahmen herauskristallisiert: Manfred Schmidt, ein junger Musiker mit schweizerisch-britischen Wurzeln, flieht nach dem Tod des Bruders von Deutschland nach Biel im Kanton Bern. Sieben Jahre lang verweigert ihm die Schweiz ein Ankommen. Zwar musiziert er mit Lidia, liebt sie, verliert sie, aber in erster Linie verliert er sich selbst – in der ihn abstoßenden Fremde und in einem zufällig gefundenen Buch. Über Jahre hinweg trägt er den Roman „Aus dem Halbschlaf hochgeschreckt“ ständig bei sich, wird ergriffen, besessen und „hoffnungslos absorbiert“ von einer Geschichte, die nicht die seine ist. „Ich war in die Gefangenschaft eines Buches geraten.“ Die Lektüre saugt ihn aus, aus dem Lesen wird ein Schreiben, aus dem Schreiben ein Einswerden mit dem titelgebenden Protagonisten Jeff. Irr und mit blutendem Schädel findet der Held erst im vorletzten Kapitel Aufnahme und Erlösung, welche in zwei, auch so gekennzeichneten, „Variationen“ angeboten wird: einmal in der reinen Begierde (als roh vollzogener Geschlechtsakt mit einer schönen Schweizerin), einmal als endlich geglückte musikalische Improvisation (mit dem „helvetischen Nigger“ Johnny).
Die Erzählzeit umspannt wie im „Ulysses“ (die berühmte Toilettenszene wird komplett wörtlich wiedergegeben) genau einen Tag und natürlich ist es hier ein 1. August. Überhaupt sind es die geschichtlichen und literarischen Verweise, die die Spuren legen. In den zahlreichen Fußnoten finden sich – neben Joyce – Döblin, Kafka, Benjamin und immer wieder Hermann Burger – die Schlüssel zur Enträtselung des Texts. Es ist ein großes Verdienst Hermann Burger, diesen kongenialen, viel zu früh (von eigener Hand) verstorbenen, Autor dem Vergessen zu entreissen und seitenweise aus dessen Abrechnungs- und Liebesroman „Die Künstliche Mutter“ zu zitieren. Wie Burgers Figuren bestehen auch die von Wilkins nicht aus Fleisch und Blut, sondern ausschließlich aus „toten druckerschwarzen Buchstaben“ und spielen doch zugleich permanent mit Fiktion und Faktizität. Vom virtuosen Geigenspiel bis zur genauen Wohnadresse sind sämtliche biographische Daten von Manfred (Jeff) deckungsgleich mit denen des Autors. (Nur seine Vergangenheit als Fernsehserienschauspieler lässt Wilkins – sehr bewusst – außen vor.)
In Anlehnung an die „Gedanken beim Reden“ bei Kleist nannte Hermann Burger seine Poetikvorlesung „Die allmähliche Verfertigung der Idee beim Schreiben“. Man darf sich Luke Wilkins als seinen Meisterschüler vorstellen. Wer es etwa wagt, zu Beginn einer Geschichte eine harmlos schlingernde Amsel als musikalisches Motiv zu setzen, es immer wieder zu variieren und 150 Seiten später aufzulösen in Milan Kunderas Traktat von der „Invasion der Amsel in die menschliche Welt“ und der dadurch veränderten Grundordnung des Planeten (aus „Vom Lachen und Vergessen“), der hat verstanden, zu was Literatur imstande sein kann.
Klaus Theweleit hat den sperrigen, überbordenden „Jeff“ zu Recht als „Künstler“-Roman bezeichnet, in dem „sich das gescheiterte Liebespaar Narziss und Echo eine zweite Chance verdienen.“ Luke Wilkins hat diese Chance genutzt.
Publikation Debütroman "Jeff"
7.11. 2018, Lesung in der Stadtbibliothek, Stuttgart.
12.12.2018, Lesung im Ono, Bern.
25.1.2019 Lesung im Literaturhaus Stuttgart.