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Kronprinz Friedrich in Ruppin

Informationen

Literaturangabe:

Fontane, Theodor
Wanderungen durch die Mark Brandenburg, Die Grafschaft Ruppin - Der Barnim - Der Teltow, Berlin 1862

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Kronprinz Friedrich in Ruppin

Kronprinz Friedrich in Ruppin

Die Wetter waren verzogen,
Und die Sonne wieder schien ?
Es spannt sich ein Regenbogen
Auf dem dunklen Grunde Küstrin.



I

Das der Thronbesteigung des großen Königs vorhergehende Jahrzehnt, also der Zeitraum von 1730 bis 1740, pflegt in zwei ungleiche Hälften geteilt zu werden, in die düstern Tage von Küstrin und in die lachenden Tage von Rheinsberg.

Diese Einteilung, die sich neben andrem auch durch den Reiz des Gegensatzes empfiehlt, mag der ganzen Welt ein Genüge tun, nur die Stadt Ruppin hat ein Recht, dagegen zu protestieren und eine Dreiteilung in Vorschlag zu bringen. Zwischen den Tagen von Küstrin und Rheinsberg liegen eben die Tage von Ruppin.

Es ist wahr, die Ruppiner Episode ist unscheinbarer, undramatischer, kein Katte tritt auf das Blutgerüst, und kein Bayard-Orden wird gestiftet, aber auch diese stilleren Tage haben ihre Bedeutung. Versuch ich es, ihnen in nachstehendem ihre Existenz zurückzuerobern.

Am 26. Februar war Kronprinz Friedrich von Küstrin in Berlin wieder eingetroffen, und zwölf Tage später (am 10. März) erfolgte seine Verlobung. Aller Zwiespalt schien vergessen. "Obristlieutenant Fritz", über dessen Haupte vor nicht allzulanger Zeit das Schwert geschwebt hatte, war wieder ein "lieber Sohn" und Oberst und Chef eines Regiments. Dies Regiment, das bis dahin compagnieweis in den kleinen Städten der Prignitz und des Havellandes, in Perleberg, Pritzwalk, Lenzen, Wittstock, Kyritz und Nauen, in Garnison gelegen und nach seinem frühern Chef den Namen des von der Goltzschen Regiments geführt hatte, wurde jetzt zu größerer Bequemlichkeit für den Kronprinzen in Ruppin und Nauen konzentriert. Das Regiment selbst aber erhielt den Namen "Regiment Kronprinz".

Bratring, in seiner Geschichte Ruppins, schreibt, daß im Jahre 1732 das zweite Bataillon des Prinz-von-Preußen-Infanterieregiments nach Ruppin verlegt worden sei. Dies ist in doppelter Beziehung nicht ganz richtig. Es gab damals noch gar kein Prinz-von-Preußen-Infanterieregiment, weil es noch keinen Prinzen von Preußen gab. Erst 1744 wurde Prinz August Wilhelm zum Prinzen von Preußen ernannt und seinem Regiment der entsprechende Name gegeben. Sein Regiment hieß bis dahin das Prinz Wilhelmsche Regiment. Dies stand allerdings zu Neuruppin in Garnison, es kam aber 1732 ? und dieser Irrtum ist der gewichtigere ? nicht nach Ruppin, sondern ward umgekehrt von Neuruppin nach Spandow fortverlegt, um dem einrückenden Regiment Kronprinz (bis dahin von der Goltz) Platz zu machen.

Wenn wir, wie im nachstehenden geschehen soll, die Erlasse des königlichen Vaters zusammenstellen, die jener Zeit der Wiederversöhnung angehören und sich damit beschäftigen, dem wieder angenommenen Sohne sein Entrée und sein Leben in Neuruppin möglichst angenehm zu machen, so wird man von der Vorsorglichkeit und einer gewissen Zärtlichkeit des Vaterherzens (eines Vaters, der achtzehn Monate früher mit dem Tode gedroht hatte) nicht wenig überrascht. So scheint es ihm beispielsweise zu Ohren gekommen zu sein, daß Ruppin auf einem seiner Plätze, dem noch jetzt existierenden Neuen Markt, einen alten Militairgalgen für die Deserteure habe. Voll feinen Gefühls erkennt er, daß das an die Küstriner Novembertage von 1730 erinnern könne, und in folgenden Erlassen trifft er Vorsorge, daß dem Auge des Sohnes solch Anblick erspart werden möge. "Der Galgen soll außer der Stadt herausgeschafft, auch die Palisaden an die Mauer gesetzt und alle Schlupflöcher zugemacht werden. Muß alles gegen den 20. Juni fertig sein. Auch soll das Haus dicht bei des Obristen von Wreech Quartier, so der Kronprinz von Dero Quartier choisieret, gehörig aptieret werden." (Potsdam, Reskript vom 24. Mai 1732.) Aber nicht nur der häßliche Schmuck des Neuen Marktes soll fort, die ganze Stadt soll sich dem Einziehenden, dem neuen Mitbürger, in ihrem besten Kleide präsentieren, und, so heißt es in einer zweiten Ordre vom Tag darauf: "das Prinz Wilhelmische Regiment soll den 1. Juni aus Neuruppin ausmarschieren. Dann soll gleich der Kot aus der Stadt geschafft und die Häuser, die noch nicht abgeputzt sind, sollen abgeputzt werden."

Wir haben in vorstehendem festzustellen gesucht, welches Regirnent damals als "Regiment Kronprinz" nach Ruppin und Nauen hin verlegt wurde; schwerer ist es, sich zu vergewissern, welches Bataillon in Ruppin und welches in Nauen lag. Wir finden darüber Widersprechendes. Am 22. April (1732) erläßt der König folgendes Reskript an den Kriegsrat Lütkens: "Das erste Bataillon des kronprinzlichen Regiments soll in Nauen und das andre Bataillon in Neuruppin vom 1. Juli 1732 an einquartieret werden", und im Einklang mit dieser Ordre schreibt derselbe Kriegsrat Lütkens noch am 20. Juni an den Ruppiner Magistrat: "So wird denn also das zweite Bataillon des besagten Regiments am 26. Juni in Ruppin einmarschieren." Aber der König oder der Kronprinz müssen plötzlich ihre Ansicht hierüber geändert haben, denn schon Anfang Juli heißt es in einem Briefe aus Ruppin: "Unsere neue Garnison ist eingerückt, das erste Bataillon des Regiments ?Kronprinz? ist hier, auch der Kronprinz selbst, der Obristwachtmeister etc." Diese letztere Angabe stimmt auch mit Preuß überein. Ingleichen bestätigen die Papiere, die mir zur Hand sind, die Angabe, daß von den fünf Compagnien des zu Nauen in Garnison liegenden Bataillons eine weggenommen und der Ruppiner Garnison zugeteilt wurde. In einem Reskripte vom 30. November 1733 heißt es: "Von den fünf Compagnien des kronprinzlichen Regiments, die zu Nauen liegen, soll eine Compagnie, und zwar die des von Calebutz, nach Neuruppin hin verlegt werden." Dies geschah, weil Nauen zu klein war für eine so große Garnison. Soviel von dem Regiment, dem der Kronprinz als Chef und Oberster vorgesetzt war.

Die nächste Frage ist: Wann traf der Kronprinz in Neuruppin ein? Preuß sagt: "bereits im April". Dies scheint nur in gewissem Sinne richtig zu sein. Er war allerdings im April dort, aber, wie wir annehmen müssen, nur auf einen oder auf wenige Tage, nur ausreichend, um eine passende Wohnung zu suchen. Der König in dem oben zitierten Reskript (vom 24. Mai) schreibt: "Die Wohnung, die der Kronprinz zu seinem Quartier choisiert, soll aptieret werden", woraus sich mit ziemlicher Gewißheit ergibt, daß er, der Kronprinz, vorher selber da war, um eben die Wahl zu treffen. Aber ebenso sicher scheint es, daß er erst Ende Juni zu wirklichem Aufenthalt in Ruppin eintraf, denn nicht nur, daß den Personen, die für die "Aptierung" der Oberst von Wreechschen Wohnung Sorge zu tragen hatten, ausdrücklich bis zum 20. Juni Zeit gelassen ward, es schreibt auch der Fähnrich von Buddenbrock am 22. Juni: "Die neue Garnison wird am 26. dieses erwartet, und der Kronprinz wird im Wreechschen Hause logieren." Also er war noch nicht da und traf erst, mutmaßlich am gleichen Tage mit seinem Bataillon, gegen Ende des Juni am neuen Wohnort ein.

Das Palais, das er bezog, lag in der Nähe der Stadtmauer, nur durch einen Garten von ihr getrennt, und war durch die Verbindung zweier Nachbarhäuser, der Wohnung des mehrgenannten Obristen von Wreech und des Obristlieutenants von Möllendorf, die bis dahin wahrscheinlich das Prinz Wilhelmsche Regiment geführt hatten, in aller Eile hergestellt worden. An Komfort mochte Mangel sein, und dieser Umstand trug gewiß das Seine dazu bei, daß, zwei Jahre später, das Rheinsberger Schloß gekauft und, nachdem es hergerichtet war, zum entschieden bevorzugten Aufenthaltsorte gewählt wurde.

Suchen wir nun festzustellen, wie der Kronprinz seine Ruppiner Tage zubrachte.

Was ihn nachweisbar zumeist in Anspruch nahm, war die Ausbildung seines Regiments und die Verschönerung der Stadt. Die ernstliche Beschäftigung mit dem "Dienst" fing an, ihm den Soldatenstand lieb zu machen. Er achtete auf Kleines und Großes, nichts erschien seinem Interesse zu gering. Standen Revuen vor dem Könige bevor, so wurden beide Bataillone zusammengezogen, um dem Regimente durch gemeinschaftliche Manövres eine Haltung wie aus einem Guß zu geben. Der Kronprinz sah seine Anstrengungen belohnt. Sein Regiment bewährte sich gleich bei der ersten Revue so glänzend, daß es durch Erscheinung und Exercitium allgemeine Bewunderung erregte. Die neue Uniform, in der es erschien, war der von des Königs Grenadierregiment ähnlich, aber mit silberner Stickerei und carmoisinfarbenen Aufschlägen. Der strenge Vater war befriedigt.

Kaum minder als der "Dienst" beschäftigte ihn die Verschönerung der Stadt. Daß Ruppin bis diesen Augenblick sich seines "Walls", eines prächtigen, mit schönen und zum Teil sehr alten Bäumen bepflanzten Promenadenweges erfreut, ist des Kronprinzen Verdienst. Hier erwies er sich, von einem richtigen Gefühl geleitet, ausnahmsweise als Konservator, während er ja im allgemeinen den Geschmack seiner Zeit teilte, die sich eitel darin gefiel, an die Stelle des poetisch Mittelalterlichen die Flachheit des Kasernenbaus oder die Schnörkelei des Rokoko zu setzen. Drei Wälle hatten in alter Zeit die Stadtmauer zu weiterem Schutz umgeben. Schon während der zwanziger Jahre des vorigen Jahrhunderts war mit Abtragung dieser Wälle begonnen und das dadurch gewonnene Land als Gartenland parzelliert worden. Kaum aber war der Kronprinz in Ruppin erschienen, so erkannt er, welchen Schmuck man auf dem Punkte stand der Stadt zu rauben. Dies erkennen und dagegen einschreiten war eins.

Die "Miscellanea historica" unsres Gewährsmannes, des Dr. Bernhard Feldmann, geboren 1704 in Berlin, gestorben 1776 in Neuruppin, enthalten darüber folgendes: "Schon 1732 inhibierte Seine Königliche Hoheit die Abtragung und konservierte also die noch übrigen, land- oder nordwärts vom Rheinsbergischen bis zum Berliner Tore gelegenen Wälle, so noch stehen und mit alten Rüstern, Eichen, Buchen, Haseln etc. bewachsen sind; auch ließ sie der Kronprinz mit vielerlei Sorten Bäumen bepflanzen und an ihrem Ende (beim Berliner Tore) mit einem schönen Garten zieren, wodurch der ?Wall? zum angenehmsten, beschatteten Spaziergang voll Nachtigallen geworden ist."

Kronprinz Friedrich hatte vier volle Jahre, von 1732 bis 1736, seinen festen Wohnsitz in Ruppin, aber nur während des ersten Jahres gehörte er dem Ruppiner Stilleben mit einer Art Ausschließlichkeit an. Vom Juni 1733 an drängten sich die Ereignisse, die ihn oft monatelang und länger von "Haus und Garten, die ihm lieb geworden waren", fernhielten. Seiner Vermählung im Juni 1733 folgte vier Monate später die Erwerbung Rheinsbergs, und ehe noch der Umbau des Rheinsberger Schlosses zur Hälfte beendet war, führte die Wiedereröffnung der Feindseligkeiten zwischen Frankreich und dem Kaiser (im Sommer 1734) unsern Kronprinzen an den Rhein. Am 7. Juli war er in Wiesenthal, wo der Generallieutenant von Röder mit den preußischen Truppen im Lager stand. Aber "im kaiserlichen Heere war nur noch der Schatten des großen Eugen", der einundsiebenzigjährige Held hatte sich überlebt. Philippsburg ging verloren; das tatenlose Hinundherziehen ward unerträglich, und ausgangs Oktober erblicken wir den Prinzen wieder daheim in seiner "geliebten Garnison".

Zweierlei hatte ihm der lorbeerarrne Kriegszug eingetragen; zunächst und allgemein einen Einblick in die Schwächen der kaiserlichen Armee, daneben speziell und allerpersönlichst ? einen Freund. Dieser Freund war Chazot.

Wie das Jahr 1734 einen längeren Aufenthalt am Rhein gebracht hatte, so brachte das folgende Jahr eine mehrmonatliche Reise nach Ostpreußen. Uns aber beschäftigen diese Ausflüge nicht, wir halten uns vielmehr innerhalb der Bannmeile von Ruppin und versuchen ein Bild dieser spätern Ruppiner Tage.

Das Rheinsberger Schloß schmückt und erweitert sich mehr und mehr, der Tag der Übersiedelung jedoch ist noch fern, und die bescheidenen Ruppiner Räume müssen zunächst noch genügen. Die Stadtwohnung läßt viel zu wünschen übrig, aber es bedrückt nicht, denn wenigstens die Sommermonate gehören dem "Garten am Wall". Hier lebt er heitere, mußevolle Stunden, die Vorläufer jener berühmt gewordenen Tage von Rheinsberg und Sanssouci. Allabendlich, nach der Schwere des Dienstes, zieht es ihn nach seinem "Amalthea" hinaus. Der Weg durch die häßlichen Straßen der alten Stadt ist ihm unbequem, so hat er denn für ein Mauerpförtchen Sorge getragen, das ihn unmittelbar aus dem Hofe seines "Palais" auf den Wall und nach kurzem Spaziergang unter den alten Eichen in die lachenden Anlagen seines Gartens führt. Da blüht es und duftet es; Levkojen und Melonen werden gezogen, und auf leis ansteigender Erhöhung erhebt sich der "Tempel", der Vereinigungspunkt des Freundeskreises, den der Kronprinz hier allabendlich um sich versammelt. Das Souterrain enthält eine Küche, der "Tempel" selbst aber ist einer jener oft abgebildeten Pavillons, die auf sechs korinthischen Säulen ein flachgewölbtes Dach tragen und sich in den Parks und Gärten jener Epoche einer besonderen Gunst als Eßzimmer erfreuten. Der Mond steht am Himmel, in dem dichten Gebüsch des benachbarten Walls schlagen die Nachtigallen, die Flamme der Ampel, die von der Decke herabhängt, brennt unbeweglich, denn kein Lüftchen regt sich, und keine frostig abwehrende Prinzlichkeit stört die Heiterkeit der Freunde. Noch ist kein Voltaire da, der seine Piquanterien mit graziöser Handbewegung präsentiert, noch fehlen die Algarotti, d´Argens und Lamettrie, all die berühmten Namen einer späteren Zeit, und Offiziere seines Regiments sind es zunächst noch, die hier der Kronprinz um sich versarnmelt: von Kleist, von Rathenow, von Knobelsdorff, von Schenkendorff, von Gröben, von Buddenbrock, von Wylich, vor allem ? Chazot.

Das Leben, das er mit diesen Offizieren führte, war frei von allen Fesseln der Etiquette, ja ein Übermut griff Platz, der unsern heutigen Vorstellungen von Anstand und guter Sitte kaum noch entsprechen dürfte. Fenstereinwerfen, Liebeshändel und Schwärmer abbrennen zur Ängstigung von Frauen und Landpastoren zählte zu den beliebtesten Unterhaltungsmitteln. Man war noch so unphilosophisch wie möglich.

So kam der August 1736, um welche Zeit der Umbau des Rheinsberger Schlosses beendet war. Von da an beginnen die glänzenden und vielgefeierten Rheinsberger Tage. Aber diese Rheinsberger Tage, die das Ruppiner Leben verdunkelt haben, waren doch nicht so völlig das Ende desselben, wie gewöhnlich geglaubt wird. Vielmehr fand jetzt ein Austausch, eine Art Rückzahlung statt, und wenn von 1733 an die Rheinsberger Ausflüge Ruppin um die andauernde Anwesenheit des Kronprinzen gebracht hatten, so war von jetzt an Ruppin der Gegenstand und das Ziel beständiger, wenn auch zum Teil durch den "Dienst" gebotener Besuche. Viele seiner Briefe geben Auskunft darüber, wie teuer ihm die Stadt, in der er vier glückliche Jahre verlebt hatte, geworden war. Entweder tragen jene Briefe das Datum Ruppin und führen dadurch den Beweis längeren oder kürzeren Aufenthalts daselbst, oder flüchtige, von Potsdam, Berlin und andern Punkten aus geschriebene Zeilen sprechen eine Sehnsucht aus nach seiner "geliebten Garnison". So schreibt er im Juni 1737 an Suhm: "Den 25. geh ich wieder nach ?Amalthea?, meinem Garten in Ruppin. Ich brenne vor Ungeduld, meinen Wein, meine Kirschen und meine Melonen wieder zu sehen", und 1739 noch (am 16. Juni) heißt es in einem vom Ruppiner Garten aus datierten Briefe: "Ich werde morgen nach Rheinsberg gehn, um allda nach meiner kleinen Wirtschaft zu sehen; hier wollen keine Melonen reif werden, so gerne wie ich auch gewollt, daß ich meinem gnädigsten Vater die Erstlinge des Jahres hätte schicken können."

Diese beiden Briefe sind insoweit wichtig, als sie keinen Zweifel darüber lassen, daß Kronprinz Friedrich seinem "Amalthea" zu Ruppin keineswegs den Rücken kehrte, vielmehr vom August 1736 an eine Art Doppelwirtschaft führte und an die Gärten und Treibhäuser beider Plätze die gleichen Ansprüche erhob. Sonntags las er in Ruppin seine Predigt, während Des Champs vor der Kronprinzessin und dem Hofe in Rheinsberg predigte.

Selbst noch unmittelbar nach der Thronbesteigung (im Sommer 1740) sah die Stadt Ruppin den nunmehrigen König Friedrich II. mehrfach in ihren Mauern, und bis zum Spätherbste desselben Jahres blieb es zweifelhaft, ob Ruppin oder Potsdam oder Rheinsberg der erklärte Lieblingsaufenthalt des neuen Königs werden wurde. Großartige Gartenanlagen, wie sie damals entworfen wurden, schienen für Ruppin zu sprechen, aber die weite Entfernung von der Hauptstadt führte schließlich zu andern Entschlüssen. Die Terrassen von Sanssouci wuchsen empor, und ? Ruppin war vergessen. Es ist zweifelhaft, ob der große König in seiner sechsundvierzigjährigen Regierung es jemals wiedergesehn hat.

Die Frage bleibt uns zum Schlusse: Was wurd aus diesen Schöpfungen, großen und kleinen, die die Anwesenheit des Kronprinzen ins Dasein rief? Was haben 150 Jahre zerstört, was ist geblieben?

Zunächst das Stadtpalais. 1744 schenkte es der König an seinen jüngsten Bruder, den Prinzen Ferdinand, der zum Chef des in Ruppin garnisonierenden Regiments ernannt worden war. In dieser seiner Eigenschaft als Chef des nunmehrigen Regiments Prinz Ferdinand scheint genannter Prinz bis 1787, wo das große Feuer die Stadt zerstörte, wenigstens zeitweilig in Ruppin residiert und das vormalig kronprinzliche Palais bewohnt zu haben. Dies ergibt sich mit einiger Gewißheit aus der Existenz zweier etwa aus dem Jahre 1780 herstammender Bildnisse, die ? bei Gelegenheit des Brandes von 87 gerettet ? einem andern Gebäude wie dem Prinz Ferdinandschen Palais nicht wohl angehört haben können. Es sind dies die Bildnisse der Kaiserin Katharina von Rußland und der Königin Maria Antoinette, Portraits, die hier schwerlich anzutreffen gewesen wären, wenn nicht der Prinz auch noch in der Zeit nach dem Siebenjährigen Kriege wenigstens vorhergehend an dieser Stelle geweilt hätte. Was die Portraits selber angeht, so macht das der schönen Habsburgerin einen sehr gefälligen Eindruck, während das der Kaiserin Katharina mit dem Andreaskreuz auf der Brust nicht bloß durch Umwandlung aus einem ursprünglieben Kniestück in ein Bruststück, sondern weit mehr noch durch einen plump aufgetragenen Firnis an Wert und Ansehen verloren hat. Die Transponierung in ein Bruststück erfolgte, wie mir der gegenwärtige Besitzer vertraulich mitteilte, lediglich unter Anwendung einer großen Zuschneideschere und war nötig, weil die ganze untere Partie der Kaiserin schwer gelitten hatte. Der Erzähler selbst ahnte dabei nichts von dem Bedeutungsvollen seiner Tat, am wenigsten aber von der historischen Gerechtigkeit, die die große Zuschneideschere geübt hatte.

Das "Palais" selbst ist niedergebrannt, und ein apart aussehendes Haus (das sogenannte Molliussche Haus) ist auf dem Grund und Boden aufgeführt worden, auf dem 1732 die nachbarlichen Häuser des Obristen von Wreech und des Obristlieutenants von Möllendorf zu einer Art von prinzlichem Palais verbunden worden waren. Die Straße, die zu diesem Hause führt, führt wie billig den Namen der Prinzenstraße, und ein prächtiger alter Lindenbaum, der seine Zweige vor dem poetisch dreinschauenden grauweißen Hause ausbreitet, schafft ein Bild, wie´s dieser Stelle paßt und kleidet.

Zwischen dem Hause und der Stadtmauer liegt ein Gärtchen. Wir passieren es und stehen vor der auf den "Wall" hinaus führenden Mauerpforte, die der Kronprinz allabendlich benutzte, wenn er nach dem Dienst und der Arbeit des Tages sich erhob, um im "Tempel" den obenbenannten Freundes- und Offizierskreis um sich her zu versammeln.

Die Tür existiert nicht mehr, und es bedarf eines Umwegs, um die Außenseite der Mauer und dadurch zugleich den "Wall" zu gewinnen.

Seine schattigen Gänge führen uns jetzt nach "Amalthea".

Hier im Garten ist noch manches, wie´s ehedem war. Allerhand Neubauten entstanden, aber die Einfassung blieb, und die hohen Platanen im Hintergrunde, die über die Mauer hinweg mit den draußen stehenden Bäumen Zwiesprach halten, sind noch lebendige Zeugen aus den friderizianischen Tagen her. Vor allem existiert noch der "Tempel" selbst. Aber freilich, es sind keine Säulen mehr, die das Kuppeldach tragen, sondern ein solides Mauerwerk mit Tür und Fenstern ist an ihre Stelle getreten und bildet ein mäßig großes Rundzimmer, das eben ausreicht zu einem Souper zu sechs.

Wir sind die glücklich Geladenen. Der Wein lacht in den Gläsern, die Girandolen brennen, und vom Garten her durch die offenstehende Tür treffen Mondlicht und Abendkühle den froh versammelten Kreis. Es ist, als wäre die alte Zeit wieder da, und ungesucht wird unser Beisammensein zu einer Darstellung aus: "Kronprinz Friedrich in Ruppin". Unsre Kostüme freilich lassen viel vermissen (denn an was erinnerten unsere Reiseröcke weniger als an die silbergestickten Uniformen der Offiziere des kronprinzlichen Regiments), aber was den Kostümen fehlt, wird aufgewogen durch die künstlerische Treue der Coulissen und Requisiten. Die Spiegel mit ihren Rähmen in Barock, die Tische mit ihren ausgeschweiften Füßen, die Atlasgardinen, endlich das die "Geburt der Venus" darstellende Deckenbild ? alles erinnert an jenes aus prosaischen und poetischen Elementen so reizvoll und so wunderlich gemischte Stück Zeit, das sein Kleid in den Schlössern der Ludwige, seinen historischen Gehalt aber in den Schlössern der Friedriche empfing. Und dort ist er selbst, der seinem Jahrhundert den Namen gab. Aus der Nische hervor leuchtet sein Auge, um ihn her aber, an den Wandpfeilem entlang, schließt sich ein bunter Kreis von Zeitgenossen: Prinz Heinrich und Voltaire, Zieten und Lessing, Gluck und Kant.

Unsere Gläser klingen zusammen.

"Es lebe die alte Zeit."

Aber draußen schlugen die Nachtigallen, und ihr Schlagen klang wie ein Protest gegen die "alte Zeit" und wie ein Loblied auf Leben und Liebe.

II

Seitdem das vorstehende Kapitel geschrieben ward, ward auch von andrer Seite her der Versuch gemacht, der darin angeregten Frage näherzutreten. Hauptmann Becher vom Ruppiner Regiment Nr. 24 (zur Zeit Compagnieführer im 3. ostpreußischen Regiment Nr. 4 in Danzig) hat mit Hülfe der umfangreichen Korrespondenz aus den dreißiger Jahren des vorigen Jahrhunderts festzustellen gesucht, wie die Ruppiner Tage des Kronprinzen verliefen, und dieser reichen und den Gegenstand vielleicht erschöpfenden Becherschen Arbeit ist es, daß ich auszugsweise das Material zu nachstehendem entnommen habe.

Unterm 13. Juni 1734 wurde seitens des strengen Vaters eine Instruktion aufgesetzt, die bestimmt war, die Lebensweise des "Kronprinzen Liebden" zu regeln.

Darin heißt es:

"Wenn Er zu Hause speiset, so soll Seine Tafel nicht mehr als von acht Schüsseln sein, jedesmal vier und vier, des Abends aber soll weiter nichts als kalter Braten gegeben werden. Insonderheit befehlen Seine Königliche Majestät, daß an Seiner, des Kronprinzen, Tafel nichts gesprochen werde, so wider Gott und dessen Allmacht, Weisheit und Gerechtigkeit noch wider dessen heiliges Wort läuft; desgleichen denn keine groben Scherze noch schmutzige Zoten gesprochen werden müssen, falls aber sich jemand in des Kronprinzen Gegenwart so weit vergäße, so soll ihm gesagt werden, que ce ne sont point des discours qu´on doit tenir en presence du Prince Royal, et qu´il voudrait mieux de parler d´autres affaires.

Alle Sonntage soll der Kronprinz dem Gottesdienst beiwohnen, auch alle Woche zwei- bis dreimal in die Betstunde mitgehn.

Und dieweilen nach dem göttlichen Wort Unzucht, Saufen und Spielen ernstlich verboten ist, wollen sich Seine Königliche Majestät von Dero Kronprinzen Liebden dergleichen weder versehen noch vermuten. Falls aber doch ein Exzeß stattfinden und des Kronprinzen Liebden (was Gott verhüten wolle) in Sünde und Laster verfallen sollte, so befehlen Seine Königliche Majestät denen beiden Generalmajors von Schulenburg und von Kleist, Ihm darüber sofort gehörige Erinnerung zu tun und Ihn aufs höchste zu bitten und zu ermahnen, davon abzustehen, zugleich aber alles an Seine Königliche Majestät per Estafette zu melden. Auch sollen Kronprinzen Liebden nicht Karten noch Würfel spielen, auch nicht Paar oder Unpaar oder wie die Spiele sonst noch heißen mögen."

So einige der wichtigsten Punkte der im ganzen fünfundzwanzig Paragraphen umfassenden Instruktion. Worauf der König vorzugsweise Gewicht legte, das war Einfachheit und Sparsamkeit, anständiger Ton, Kirchlichkeit und Keuschheit.

Daß der Kronprinz diesem Ideale während seiner Ruppiner Tage nachgekommen wäre, wird sich nicht behaupten lassen. Von der Keuschheit gar nicht zu reden, ward allwöchentlich mit Sehnsucht auf die Delikatessen bringende Hamburger Post gewartet, und wie´s drittens und letztens mit dem "anständigen Tone" und der Kirchlichkeit aussah, dafür mag die nachstehende Geschichte zeugen, die Büsching erzählt.

"Einige Male (und zwar immer zur Tafelzeit) war der Feldprediger beim Kronprinzen erschienen und hatte bei der Gelegenheit im Gespräche mit dem ihn empfangenden. Adjutanten darauf hingewiesen, ?daß er bei dem vorhergehenden Herrn Obersten regelmäßig zu Mittag gespeist habe?. Der Kronprinz ließ ihn aber nichtsdestoweniger abweisen und sprach in Gegenwart der Offiziere geringschätzend von ihm. Der Feldprediger nahm draus Veranlassung, in seinen Predigten auf den Kronprinzen zu sticheln. ?Herodes? (so hieß es in einer dieser Predigten) ?lasse die Herodias vor sich tanzen und ihr hinterher des Johannes Kopf geben.? Herodes war der Kronprinz, Herodias das lustige Offiziercorps, der Johannes aber bedeutete natürlich den nicht zur Tafel geladenen Feldprediger. Um ihn für diese Stichelreden zu strafen, begab sich der Kronprinz nächtlicherweile mit einigen jungen Offizieren des Regiments in des Feldpredigers Wohnung, auf deren Hof eine große Pfütze war. Und nun wurden ein paar Scheiben eingeschlagen, Schwärmer in die Schlafkammer geworfen und der Feldprediger aus dem Bett in den Hof oder mit andern Worten in die Pfütze gejagt."

Dies und Schlimmeres kam zur Kenntnis des Hofes, speziell der Königin, und als der Kronprinz erfuhr, "daß man davon wisse", war er beflissen, durch Versicherungen seiner Wohlanständigkeit den Effekt solcher Ausplaudereien abzuschwächen. Es lag ihm begreiflicherweise daran, den kaum besänftigten Vater nicht aufs neue gegen sich eingenommen zu sehen, und so schrieb er denn unterm 23. Oktober 1732 von Ruppin aus an General Grumbkow.

"Ich lebe jetzt, weiß Gott, so zurückgezogen wie nur möglich; der Regimentsdienst, die Exerzitien, die ökonomischen Kommissionen, mit welchen mich der König bedacht, beschäftigen mich vollauf; darauf folgt das Essen, die Parole, und wenn ich dann nicht über Land reite, so zerstreue ich mich durch Lektüre und Musik. Gegen sieben Uhr bin ich mit den Offizieren, den Capitainen oder mit Bodenberg (wahrscheinlich Buddenbrock) oder anderen zusammen und spiele mit ihnen. Um acht Uhr soupiere ich, um neun Uhr ziehe ich mich zurück und lebe so einen Tag wie den anderen. Nur wenn die Post aus Hamburg kommt, lade ich mir etwa drei bis vier Personen zu Gast und speise mit denselben in meinen Zimmern, da ich die Ausgabe, zehn Personen solch teure Leckerbissen vorzusetzen, nicht machen kann. Meine einzige Zerstreuung besteht im Wasserfahren oder daß ich einige Schwärmer in meinem vor der Stadt liegenden Garten steigen lasse. Das sind meine Vergnügungen, und ich wüßte kaum, was man anders in einem so untergeordneten Orte anfangen könnte. Natürlich wünsch ich von ganzem Herzen, daß dem König über das alles die Augen geöffnet würden. Ich glaube kaum, daß es etwas Unschuldigeres gibt und daß man stiller leben kann. Man hat ? unter uns gesagt ? der Königin die Meinung beigebracht, ich sei über die Maßen ausschweifend, und sie scheint es zu glauben. Ich kann mir gar nicht erklären, wie man dazu kommt, denn wenn ich auch nicht leugnen will, daß auch mein Fleisch bisweilen schwach ist, so braucht man doch um einer kleinen Sünde willen nicht als der größte Wüstling verschrien zu werden. Ich kenne keinen, der es nicht ebenso machte, viele aber, die es schlimmer treiben, und doch spricht, ich weiß nicht, wie es kommt, niemand von ihnen. Ich gestehe, daß mir das sehr nahegeht, und wenn ich in der Lage wäre, würde ich den elenden Subjekten, welche solche Gerüchte unterderhand verbreiten, meinen Zorn fühlen lassen. ? Sie sehen, lieber Freund, daß ich sehr aufrichtig bin und Ihnen ohne Hintergedanken alles sage; denn ich weiß, daß Sie für meine Schwächen einige Nachsicht haben und wissen (oder doch wenigstens hoffen), daß die Zeit mich weise machen werde. Ich tue mein möglichstes, um es zu werden; doch glaube ich kaum, daß Cato in seiner Jugend Cato war."

Wird den in diesem Briefe gemachten "Zugeständnissen" noch einiges zugelegt, so gewinnen wir mutmaßlich ein richtiges Bild von dem privaten und gesellschaftlichen Leben des Kronprinzen in Ruppin.

Neben diesem privaten und gesellschaftlichen Leben aber (oder richtiger wohl, ihm vorauf) existierte selbstverständlich noch ein andres: das soldatische Leben, der "Dienst".

Der Dienst war das Corrigens der Debauchen.

Der Kronprinz hatte sich vorgenommen, "daß sein Regiment kein Sallat-Regiment (wie der König bei schlechten Regimentern sich auszudrücken beliebte) werden solle", und machte sich daher, um ihn selber sprechen zu lassen, den Grundsatz zu eigen: "Ich exerziere, ich habe exerziert, und ich werde exerzieren!"

Aber das Exerzieren allein tat es nicht. Ebenso wichtig oder noch wichtiger war die Beschaffung von Rekruten, besonders von Riesenrekruten. Und auch nach dieser Seite hin wünschte sich der Sohn dem Vater angenehm zu machen. Von Ruppin aus (15. September 1732) war es denn auch, daß er folgenden berühmt gewordenen Brief nach Potsdam hin richtete:

"Allergnädigster König und Vater! Ich habe die Gnade gehabt, jetztunt meines allergnädigsten Vaters Ordre mit dem neuen Werbe-Reglement in aller Untertänigkeit zu erhalten, und werde auch beim Regiment in allen Stücken suchen zu conformieren. Bei die meisten Compagnien aber seind noch achtzöllige Leute, inclusive erstes Glied, und werden wir Mühe haben, solche dieses Jahr herauszukriegen. Auch habe aus dem Werbe-Reglement gesehen, daß, wenn Offiziers große Kerls wissen, so über sechs Fuß haben, sie solche angeben sollen, wenn sie nicht mit Gutem zu persuadieren wären. Hier unweit von Perleberg ins Mecklenburgische hält sich ein Schäferknecht auf, welcher sechs Fuß vier Zoll gewiß haben soll. Mit Gutem ist nichts mit ihm auszurichten. Aber wenn er die Schafe hütet, so ist er alleine auf dem Felde, und könnte man ihn mit ein paar Offiziers und ein paar tüchtige Unteroffiziers schon kriegen. Er ist derselbe, da schon mal die Husaren nach seind geschickt gewesen. Ich habe Offiziers allhier, die sehr wohl dort bekannt seind; also wollte fragen, ob mein allergnädigster Vater befehlet, daß man ihn aufheben solle oder nicht, und wofern es mein allergnädigster Vater vor gut findet, so will ich schon praecautiones nehmen, daß die Sache gut gehen soll und ohne daß sonderlich Lärm daraus wird. Denn ich kenne den Amtmann, unter welchem der Kerl steht, und kann man dem schon das Maul stopfen."

Aller Anstrengungen unerachtet, wie sie sich aus diesem Schriftstück ergeben, wurde der Kronprinz nichtsdestoweniger durch andere Regimentschefs übertroffen, was ihn, ebenfalls von Ruppin aus, zu folgendem Entschuldigungs- und Klagebrief an den Obersten und Hofjägermeister von Hacke, Günstling des Königs, veranlaßte.

"Das ist keine Kunst, daß des Fürsten (Leopold von Dessau) und die magdeburgischen Regimenter schön sind, wenn sie Geld vollauf haben und kriegen darnach auch noch dreißig Mann umsonst! Ich armer Teufel aber habe nichts und werd auch mein Tage nichts kriegen. Bitte, lieber Hacke, bedenk Er doch das. Und wo ich kein Geld habe, so führe ich künftiges Jahr Asmus allein als Rekrut vor, und wird mein Regiment gewiß Kroop sein. Sonsten habe ich ein deutsches Sprichwort gelernt, das heißt: ?Versprechen und halten ziemt wohl Jungen und Alten.?... Ich verlasse mich allein auf Ihn, mein lieber Hacke. Wo Er nicht hilft, so wird es schlecht aussehn. Heute habe wieder angeklopft (an den König um Geld geschrieben), und wo das nicht hilft, so ist es getan. Wenn ich noch könnte Geld geliehen kriegen, so wäre es gut. Aber daran ist nicht zu denken. So helft mir doch, lieber Hacke! Ich versichere, daß ich allzeit danken werde. Der ich jederzeit meines lieben Herrn Hauptmanns ganz ergebener Diener und Freund bin, Friedrich."

In der Tat, er wußte nicht aus noch ein, und der hervorstechendste Zug dieser "Ruppiner Tage" war vielleicht die Geldmisère.

Schon als er nach Ruppin kam, war er, der Kronprinz, wie aus den Berichten des östreichischen Gesandten Seckendorff an den Prinzen Eugen hervorgeht, allerorten Geld schuldig. Und der kaiserliche Hof ließ sich denn auch eine so schöne Gelegenheit nicht entgehen, sich durch kleine Dienstleistungen künftiger Gegendienste zu versichern. Anfang 1732 schon instruierte Prinz Eugen den Gesandten Seckendorff wie folgt: "Ew. Exzellenz Obsorge muß vornehmlich darauf gerichtet sein, dem Kronprinzen nach und nach in Ansehung Kaiserlicher Majestät diejenigen Prinzipien beizubringen, die zu unzertrennlicher Befestigung der zwischen den beiden Höfen dermalen unterlaufenden engen Freundschaft nötig; zu welchem Ende man auch von hier aus sowohl mit dem Gelde als mit anderem, so zu des Prinzen Vergnügen gereichen mag, an die Hand gehen wird. Nur daß Ew. Exzellenz die nötige Obsorge tragen, daß weder der König noch sonst jemand anders wegen des dem Kronprinzen zu gebenden Geldes einigen Argwohn schöpfe."

Danach wurde denn auch verfahren, und Seckendorff machte den Anfang mit Übersendung von 500 Dukaten, welche er, zwischen Bücher verpackt, nach Ruppin hinschickte. Der richtige Empfang sollte durch die zerrissenen Stücke des Briefes bescheinigt werden. Der Kronprinz antwortete umgehend von Ruppin aus: "Das Buch, welches Sie mir geschickt haben, finde ich ganz charmant und schicke Ihnen in einem Couvert das ?Lied? (die zerrissenen Stücke des Briefes), welches Sie von mir zu haben wünschen."

Wenn Friedrich anfangs noch glauben konnte, daß er das Geld, welches ihm später beinah regelmäßig in heimlicher Weise gezahlt wurde, von Seckendorff persönlich erhalte, so wurde er durch diesen selbst bereits unterm 13. April 1733 über die wirkliche Sachlage aufgeklärt: "Sie können versichert sein, daß der Kaiser Seinerseits nichts versäumen wird, Ew. Königlichen Hoheit diejenige Achtung zu bezeigen, welche Seine Majestät vor den persönlichen Verdiensten Ew. Königlichen Hoheit gefaßt hat. Die Summe, welche Ew. Königliche Hoheit mir schulden, ist schon bezahlt; Ew. Königliche Hoheit werden, glaub ich, leicht erraten, durch wen. Da Ew. Königliche Hoheit mir die gegenwärtige Not schildern (sie betraf die Hochzeitsreise nach Braunschweig, zu welcher der König nichts extraordinär bewilligen wollte), werde ich Ihnen den Rest der Unterstützung auszahlen."

Unzweifelhaft war es dem Kronprinzen ein peinliches Gefühl, durch den Gesandten eines fremden Hofes Gelder zu erhalten. "Weil dies jedoch", wie er sich selber ausdrückte, "immerhin noch besser war, als Hungers zu sterben", so nahm er auch noch 1735 unbedenklich eine kaiserliche Unterstützung von 3000 Dukaten an.

Erst von 1737 ab wurden diese Verlegenheiten in etwas geringer. Um diese Zeit erhielt er, außer dem Gute Zernikow, auch noch eine königliche Zulage von 12 000 Talern und etwas später das etwa bis zu gleicher Höhe (12 000 Taler) sich erhebende Einkommen von dem Trakehner Gestüt. All dies half, gewiß, aber es half nicht viel, und erst nach seiner Thronbesteigung sah er sich in der Lage, sich seiner zahlreichen, aus den Ruppiner und Rheinsberger Tagen herstammenden Verpflichtungen entledigen zu können.

Ob auch gegen den östreichischen Hof?

Er hätte wenigstens die dazu nötigen Summen aus Schlesien leicht bestreiten können.

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