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Musen und Grazien in der Mark

Informationen

Literaturangabe:

Walther, Peter
Märkische Dichterlandschaft. Ein historischer Literaturführer durch die Mark Brandenburg, Stuttgart 1998

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Musen und Grazien in der Mark

Marginalie in der Mark: Die Klassik

1737 veröffentlichte der gebürtige Cottbusser Immanuel Jakob Pyra, der damals in Halle studierte, sein Lehrgedicht „Der Tempel der wahren Dichtkunst“, eines der frühen Zeugnisse in der Dichtung der Empfindsamkeit, die in Deutschland parallel zur Aufklärung auf dem Boden des Pietismus gewachsen war. In dem Gedicht, das starken Eindruck auf den jungen Klopstock machte, entwirft Pyra den Typus des sehenden Dichters, dessen poetische Fähigkeit jenseits von Talent und Können als eine besondere Daseinsgabe zu verstehen sei. Damit schuf er einen ideellen Anknüpfungspunkt für die Auffassung von der Geniedichtung als Naturdichtung, die das Zeitalter des Sturm und Drang bestimmte. In Potsdam wirkte von 1777-1778 Karl Phillip Moritz (1756-1793) als Lehrer am Militärwaisenhaus. Moritz schuf mit seinem vom Pietismus inspirierten autobiographischen Roman „Anton Reiser“ (1785-90) das psychologisch-tiefgründigste Selbstzeugnis seiner Zeit. Als „die schönste Vorstadt Berlins“ bezeichnete Jean Paul Potsdam: Der Autor des „Titan“ und des „Siebenkäs“ besuchte die Stadt öfter während seiner Berliner Zeit 1800-1801.

Berührungspunkte mit der Klassik sind eher marginal, wie etwa der Besuch Goethes in Potsdam 1778 oder der Aufenthalt Schillers in Potsdam 1804, der auf der Durchreise nach Berlin (wo er wegen eines Umzugs in die preußische Hauptstadt vorfühlte) eine Nacht im Massenbachschen Haus zubrachte. Im wesentlichen spielte sich das literarische Geschehen in Deutschland zu jener Zeit – sieht man von Berlin ab - außerhalb der märkischen Grenzen ab. Fernab der literarischen Gesellschaft, in Papenbruch in der Prignitz und später in Wildberg, hatte sich Samuel Christoph Abraham Lütkemüller (1768-1833) als Pfarradjunkt niedergelassen. Lütkemüller war bis 1803 Vertrauter und Bibliothekar Wielands in Weimar gewesen und ist selbst als Schriftsteller und Übersetzer hervorgetreten. Gleichfalls aufs Land zog es den Idyllendichter Friedrich Wilhelm August Schmidt (1764-1838), der seit 1786 als Feldprediger in Berlin gewirkt hatte und 1795 der erlösenden Berufung auf eine Pfarrstelle in Werneuchen gefolgt war. Schmidts Idyllendichtung in der Nachfolge von Johann Heinrich Voß hat in der literarischen Welt seiner Zeit vielfältige Reaktionen hervorgerufen: sie wurde von Wieland gelobt, von Tieck verworfen, von Goethe verspottet und von August Wilhelm Schlegel verhöhnt. Gleich ein halbes Dutzend Parodien auf seine Verse sind zu Lebzeiten des Dichterpfarrers erschienen. Reizpunkt war vor allem der Ton einer als platt und einfältig empfundenen Naturschilderung, in der es von „unpoetischen Gegenständen“ wie quakenden Fröschen und meckernden Lämmern nur so wimmelt („Werneuchen. An Friederike Brendel“):

Wenn´s künftig Jahr um diese Zeit
Vom blauen Himmel nicht mehr schneit,
Wenn vor der Pfarre kleinen Zellen
Der Lindenbäume Knospen schwellen,
Schon hie und da die Frösche quäckern,
Die ersten jungen Lämmer meckern,
Der lockern Erde Frühlingssaft
Steigt in der Birk´ und Erle Schaft,
Und Vögel in den Ahornhecken
Die weißen Eierchen verstecken:
Dann kommst du, unsers Glückes froh,
Im Hute von geflochtnem Stroh,
Zu athmen hier voll Veilchenduft
Werneuchens reine Frühlingsluft.
(...)

Goethe, der Schmidt in seinem Gedicht „Musen und Grazien in der Mark“ parodiert hatte, nahm im Alter einen Gutteil seines Spotts zurück, als er schrieb: „Schmidt von Werneuchen ist der wahre Charakter der Natürlichkeit. Jedermann hat sich über ihn lustig gemacht, und das mit Recht; und doch hätte man sich über ihn nicht lustig machen können, wenn er nicht als Poet wirkliches Verdienst hätte, das wir an ihm zu ehren haben.“ („Maximen und Reflexionen“)

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