Der Roman Blutbuch, 2022 ausgezeichnet mit dem Deutschen Buchpreis, dem Schweizer Buchpreis und dem Literaturpreis der Jürgen-Ponto-Stiftung, ist in seiner sprachlichen Extravaganz ebenso beeindruckend wie in seiner dramaturgischen Souveränität. Es gelingt Kim de l’Horizon damit, einen neuen Blick auf sehr altes Wissen ins Bewusstsein zu holen. Titelgebend ist eine Blutbuche, die im Garten der Großmutter steht, deren Demenz den Schreibanlass liefert für die Befragung der Kindheit in Nahaufnahme. Dieser Akt weitet sich aus zur Suche nach anderen Arten von Wissen und Überlieferung, erkundet die Leerstellen der Familiengeschichte, die Lebensläufe der mütterlichen Vorfahren, die Ängste eines non-binären Körpers in der Gegenwart: „wild, brutal, schamlos und witzig“ (NZZ).