Krisenstimmungen, Krisenzeiten, Umbrüche: gibt es eine Poetik der Krise? Sind Momente, in denen alles in Frage steht, Umbruchsräume? Die Lesereihe „Krisenwelten“ fragt in unterschiedlichen Perspektivierungen nach einer Gesellschaft im Krisenmodus.
Tanja Dückers, Marc Lunghuß und Matthias Weglage
Unser letzter Abend der Lesereihe blickt auf gesellschaftliche Veränderungen während einer Krise.
Tanja Dückers wird zu unserem Thema "Gesellschaft in der Krise" mit einem Text überraschen. Wir sind sehr gespannt und freuen uns aufrichtig.
Der Erzähler Marc Lunghuß schickt in „Ein unerwartetes Ende“ seinen Protagonisten zum Stipendiumsantritt in ein bekanntes Künstlerdorf im Moment des Ausbruchs des Ukraine-Krieges. Alle Zukunftshoffnungen auf die Kunst zerbrechen im Moment, wo das Leben selbst zu erlöschen droht. Marc Lunghuß liebt als lakonischer Erzähler kurze Pointen, versteckte Kniffe, meidet den großen epischen Gestus. Seine Texte sind listig – und dennoch menschenfreundlich. Sie haben oft blinde Flecken, ausgesparte Stellen, präsentieren ein brüchiges Universum, das keine endgültigen Antworten geben zu wollen scheint.
Matthias Weglage beleuchtet in seinem unveröffentlichten Roman „Land des Schweigens“ die Veränderungen der Gesellschaft in einem fiktiven Dorf der ehemaligen DDR. Das Klima ist von wachsenderr Gewalt geprägt, Jugendgangs bekämpfen einander, die Medien propagieren populistische Themen. Wie positioniert sich der Einzelne, wenn er zugleich zum Außenseiter abgestempelt ist? Erzählt wird vom rätselhaften Verschwinden des Schriftstellers C. aus der Perspektive seines Freundes Paul Hansen, der nach der Trennung von seiner Lebensgefährtin in eine Sinnkrise gerät. Er liest zufällig eine Zeitungsnotiz vom Verschwinden seines Schulfreundes C. und macht sich in das kleine brandenburgische Dorf auf, um auf Spurensuche zu gehen. Der exzentrische Lebenskünstler schien selbst in der Krise gesteckt zu haben, an dem verlassenen Arbeitsort findet Hansen Bündel von Aufzeichnungen und literarische Texte. Während Paul in der Isolation einerseits zu Selbsterkenntnisprozessen angeregt wird, scheint andererseits die Welt um ihn herum in der Katastrophe zu versinken.
Moderiert wird dieser Abend von Christine Knispel.
Viel Dank geht an das Team von „Neustart Kultur“ des Deutschen Literaturfonds, die uns diese tolle Lesereihe ermöglicht haben.