Deniz Utlu wurde 1983 in Hannover geboren und lebt als Autor vor Romanen und Essays in Berlin. Vor und nach dem Abitur arbeitete er als Reiseleiter und spielte Gitarre in mehreren Rockbands. Während des Zivildienstes arbeitete er in der sozialpsychiatrischen Station der Medizinischen Hochschule in Hannover, wo er Deutsch unterrichtete und eine Theatergruppe mit den Patient_innen aufbaute. 2003 gründete er das Kultur- und Gesellschaftsmagazin freitext (http://www.freitext.com), das er bis 2014 herausgab. Er studierte in Berlin und Paris von 2003 bis 2008 Volkswirtschaftslehre mit philosophischem Schwerpunkt und schloss mit einer Diplomarbeit über Auswirkungen von Unternehmen auf die Gesellschaft ab.
Er kuratierte während des Studiums und danach verschiedene Lesereihen in Berlin: tausend worte tief erst im Café :vor wien, später in der Werkstatt der Kulturen, Vibrationshintergrund im Ballhaus Naunynstraße, Gegenwartsbewältigung und Prosa der Verhältnisse im Maxim Gorki Theater und veröffentlichte Essays, Lyrik und Kurzprosa in Zeitschriften, Zeitungen und Anthologien. 2006 nahm er an der Autorenwerkstatt des Literarischen Colloquiums Berlin teil. 2009 arbeitete er im Team des Ballhaus Naunynstraße dramaturgisch an einem Theaterparcour zu Aras Örens Berlin Trilogie. 2010 pendelte er zwischen einem Leben als Dorfschreiber im Schwarzwalddorf Eisenbach sowie als Autor in Berlin, London und New York.
2011 wurde sein Stück Tod eines Superhelden im Ballhaus Naunynstraße aufgeführt, 2012 Fahrräder könnten eine Rolle spielen, die erste Theaterarbeit, die sich auf die Ende 2011 durch Selbstenttarnung bekannt gewordenen rassistischen Morde des NSU bezog. Beide Stücke schrieb er in Co-Autorenschaft mit Sasha Marianna Salzmann, mit der er 2013 auch die Literaturwerkstatt Rauş – Neue Deutsche Stücke leitete.
Ab 2013 forschte er für das Deutsche Institut für Menschenrechte zu Menschenrechtsproblemen, die in Verbindung mit Wirtschaftsunternehmen stehen und beriet in dieser Funktion die Bundesregierung. Von 2014 bis 2018 unternahm er zahlreiche Reisen mit literarischem oder menschenrechtlichem Anliegen, insbesondere nach Kolumbien und Peru, wo er zusammen mit peruanischen Autor_innen ein großes Globel Open Stage veranstaltete, bei dem Prosa, Lyrik und Theatertexte ohne Übersetzung in den Sprachen Qechua, Aymara, Koreanisch, Spanisch, Englisch, Deutsch und Türkisch vorgetragen wurden.
2014 erschien sein erster Roman, Die Ungehaltenen, im Graf Verlag und wurde 2015 von Hakan Savaş Mican im Maxim Gorki Theater für die Bühne adaptiert. Der Roman erzählt von dem Bedürfnis nach Trauer eines „Gastarbeiter“-Sohnes, der seinen Vater verliert. Für seine Trauer gibt es jedoch keinen Platz in der Gesellschaft, die in der Generation seines Vaters nur die Arbeiter sieht, aber nicht die Menschen. Diese Trauerverweigerung macht den verwaisten Sohn zunehmend ungehalten, bis er auf eine junge Ärztin trifft, deren Vater ebenfalls als Arbeiter nach Deutschland gekommen ist. Gemeinsam begeben sie sich auf Spurensuche nach ihrer eigenen Geschichte, die in dem Roman Stück für Stück auch eine alternative Geschichte der Bundesrepublik Deutschland wird.
2017 bis 2019 veröffentlichte Deniz Utlu im Tagesspiegel die politische Kolumne Einträge in Logbuch, in der er in Kurzessays eine Chronik der gesellschaftlichen und politischen Atmosphäre nach der Bundestagswahl 2017 versuchte, bei der eine rechtsextreme Partei zum ersten Mal seit der Gründung der Bundesrepublik als drittgrößte Partei in den Bundestag gewählt wurde.
Im Jahr 2019 erschien im Suhrkamp Verlag sein zweiter Roman, Gegen Morgen, in dem es um einen Menschen geht, der sich der eigenen Verantwortung gegenüber anderen stellt. Ein Ökonom, Anfang 30, soll für eine Versicherung eine Formel für die Kosten des Lebens finden und gerät nach einer Notlandung mit dem Flugzeug in eine Sinnkrise: In dem Moment, den er für seinen letzten hält, dehnt sich der Augenblick und ihm erscheint ein vergessener Freund, auf dessen Suche er sich nach der Landung macht. Es beginnt eine Reise in die eigene Erinnerung, in der die Vergangenheit immer Teil der Gegenwart ist.
2006 Autorenwerkstatt des Literarischen Colloquiums Berlin
2009 Finalist beim Kurzgeschichtenwettbewerb des Tagesspiegel
2010 Aufenthaltsstipendium Eisenbacher Dorfschreiber im Schwarzwald
2010 Ulrich-Beer-Förderpreis für junge Autoren (Laudator: José F. A. Oliver)
2011 Arbeitsstipendium des Senats für Berliner Autoren
2013 Finalist beim Literaturpreis des Prenzlauerbergs
2014 Kranichsteiner Literaturförderpreis (Schülerjury)
2015 Aufenthaltsstipendium im Künstlerdorf Schöppingen
2017 Aufenthaltsstipendium im Goethe-Institut Perú
2018 Aufenthaltsstipendium im Schloss Solitude
2019 Literaturpreis der Landeshauptstadt Hannover (Laudatorin: Ulrike Draesner)
2020 Aufenthaltsstipendium im Alfred Döblin Haus, Wewelsfleth
2021 Alfred-Döblin-Preis
2022 Wortmeldungen Literaturpreis (Shortlist)
2022 Aufenthaltsstipendium Kulturakademie Tarabya, Istanbul