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Bettina an Arnim von Arnim, 28. August 1829

Informationen

Literaturangabe:

Vordtriede, Werner (Hrsg.)
Achim und Bettina in ihren Briefen. Briefwechsel Achim von Arnim und Bettina Brentano, hrsg. Von Werner Vordtriede, Frankfurt am Main 1961

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Bettina an Arnim von Arnim, 28. August 1829

Bettina an Arnim

28. August 1829

Lieber Arnim,
Du solltest mich nicht so lange ohne Antwort lassen, es peinigt mich manche Stunde in die Nacht hinein, daß ich nicht weiß, wie Dir´s geht. Ich denke immer, daß Dich Erntegeschäfte so sehr in Beschlag nehmen, daß Du meiner vergissest und auch des Geldes, was ich bedarf, Du bist jetzt schon über 2 Monate abwesend und noch weiß ich nicht einmal, wann ich auf Dich rechnen kann. Die arme Giesel hat wirklich ein Schicksal wie eine arme Waise, wenn ich doch auf die Zukunft rechnen könnte, daß Du in etwas mehr der Familie zuteil würdest; über Dein Baden habe ich auch gedacht und gesprochen, ich habe garnicht gewußt, daß es so notwendig und allgemein bekannt ist, daß man Aachen zwei Jahr hintereinander brauchen muß, und zwar um dieselbe Zeit, weil man sonst gerade um diese Zeit den Gichtanfall wie es bei Dir eingetroffen bekommt; schreibe mir, ob Du noch baden wirst, vielleicht in Wiesbaden; dann will ich Deine Abwesenheit gern noch ertragen. Auf alle Fälle sei nicht so ängstlich, das Bad nur kurze Zeit zu brauchen, sondern wirklich ordentlich bis auf die letzte Stunde, wo Dirs nützlich sein kann. Warum willst Du nach Teplitz gehen, wo Du Langweile haben wirst, und nicht lieber dahin, wo Du Freunde findest; wenn ich Dirs nur begreiflich machen könnte, daß Du Dich an Dir selbst versündigst, indem Du alle Deine höheren Bedürfnisse Dir als Luxusartikel versagst, da doch alles Andere Luxusartikel ist, eher als das, was dein Gemüte zusagt, und dem Geist wohl bekömmt und dem Körper zugleich, und Dir bekömmt es allemal wohl, wenn Du reisest, und denen, zu denen Du gehest, auch.
Reimer hat gestern seines 25jährigen Sohnes Hochzeit gehalten, zwei seiner Töchter sind auch Bräute, und so wird bald das kindervolle Haus leer werden. Neues kann ich Dir nicht sagen, die Giesel hockt mir den ganzen Tag auf dem Rücken; daß ich abends ganz müde und früh zu Bett gehe und wenig Menschen sehe. Gestern war ich bei Schleiermachers zufällig, es wurde der Fischer ihr Geburtstag gefeiert, sie hat eben das Quartier verlassen müssen und ist nun unten mitsamt ihrer Bedienung ins Quartier geplumpt, das ohnedem voll genug ist. Ich ging früh weg; Schleiermacher seufzte schwer über die Last des Lärm und Durcheinanderrennens und sagte mir leise: Gott weiß, wie nötig mir die Ruhe wär, aber im Schlafzimmer wird Braten aufgeschnitten, da muß ich warten, bis die Gäste abgefertigt sind, in meinen späten Tagen bin ich wie ein Kind, das durch tolles Treiben aus dem Schlaf geweckt wird und vor Betäubung vergißt zu schreien.
Adieu, lieber Arnim, die Savigny steht da und will mich mitschleppen, ich hoffe, Du lässest mich nicht lange ohne Antwort und ohne Geld, ich habe zwar etwas aufgenommen, es ist schon wieder alle. Ich küsse Dich und im Glauben an Deine Gesundheit fühle ich mich erleichtert.
Bettine

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