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Briefe an Klosterfrauen

Informationen

Literaturangabe:

Bünger, Fritz
Zur Mystik und Geschichte der märkischen Dominikaner, Berlin 1926

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Briefe an Klosterfrauen

Geliebte in Christo, an welche dieses Schreiben heute ergeht, Bruder Wichmann aus dem Predigerorden, Prior in Ruppin, verzehrt sich im Feuer der reinen Liebe sowie zugleich in süßer Buße.
Aus der Liebe zu mir, welche ich Unwürdiger in Euch gefunden habe, sowie getrieben von der Liebe zum Lobe Jesu Christi, will ich, da ich nicht einmal ein wenig persönlich mit Euch sprechen kann, Euch etwas schreiben. Ich denke dabei an die Reinheit und die Leidenschaft der göttlichen Liebe, von der ich annehme, daß Ihr sie mit allergrößter Sehnsucht anstrebt. Ich glaube ohne Zweifel, daß dafür die allergrößte Armut nötig ist, damit die gläubige Seele nicht sich selbst lebe, sondern in Übereinstimmung mit dem Wort des Apostels: "Wer lebt, lebe nicht mehr sich selbst, sondern dem, der für alle gestorben ist" und mit jenem Wort: "Ich lebe; aber nicht mehr ich lebe, sondern Christus lebt in mir". Nichts soll er für sich besitzen, daß er mit Petrus sagen kann: "Siehe, wir haben alles verlassen." Und er hat es ein Kennzeichen genannt, das ausnahmslos in allen segensreichen Disputationen der Gelehrten vorkommt. So bei Salomo: "Mit Freuden habe ich alles gegeben." Es ist wichtig, daß er sagt: alles. Nichts hat er für sich gewollt, nicht einmal Gott. Habt eine Weile Geduld, daß der gläubigen Seele, die ihr Elend und Gottes Größe erkennt, alles verabscheuungswürdiger und unvernünftiger erscheint als das, was Gott will, seine große, würdige Majestät.

[Wichmann von Arnstein (auch Wichmann von Ruppin) (um 1180 - 1270), vermutlich verwandt mit Mechthild von Magdeburg, war seit 1246 erster Prior des von seinem Bruder Gebhard gegründeten Dominikanerklosters in Ruppin. Im Mittelalter wurde er als Heiliger und Wundertäter verehrt. Die zwischen 1252 und 1270 von ihm verfaßten Briefe an Klosterfrauen, aus denen wir eine Passage drucken, sind von der Liebesmystik des Bernhard von Clairvaux bestimmt. Das Wirken von Wichmann ist Gegenstand zahlreicher Sagen. Eine Sandsteinfigur (ca. 1380) in der Klosterkirche von Neuruppin soll den Pater Wichmann darstellen (Übersetzung: Jürgen Israel).]

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