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Das Lied von der »Eroberung von Ketzer-Angermünde«

Informationen

Literaturangabe:

Fontane, Theodor
Fünf Schlösser. Altes und Neues aus Mark Brandenburg, Berlin 1889

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Das Lied von der »Eroberung von Ketzer-Angermünde«

Das Lied von der "Eroberung von Ketzer-Angermünde". Einiges über die Balladendichtung jener Zeit

Wie die erste "Schlacht am Kremmer Damm" und genau achtzig Jahre später die Niederwerfung der Quitzows durch Eroberung ihrer Burgen ihre dichterische Behandlung fanden, so auch der Kampf um Ketzer-Angermünde, der als der Rehabilitierungs- und erste Loyalitätsakt des bis dahin frondierenden märkischen Adels betrachtet werden kann. Auch die diesen Vorgang behandelnde Volksballade ? deren eigentlicher Held Kaspar Gans ist ? ist wie die vom "Kremmer Damm" nicht märkischen, sondern pommerschen Ursprungs und zeichnet sich wie diese durch ein Treffen des Balladentons aus. Einige Stellen sind inhaltlich nicht ganz leicht verständlich, werden es aber, wenn man die Wusterwitzsche Beschreibung, die wir in unserem vorigen Kapitel gaben, zur Erklärung mit heranzieht. Die Ballade selbst aber lautet:

Ein neues Lied euch gesungen sei:
Nach dem Winter kommt der Mai,
Das haben wir wohl vernommen;
Und daß Kettr-Angermünde märkisch ward,
Das soll dem Markgrafen frommen.

Johann von Briesen ließ sich jagen
Von Kettr-Angermünde bis Greifenhagen,
All´ Mut war ihm gebrochen;
Da ging er zu Hofe nach Alten-Stettin
Und hat zu dem Herzog gesprochen:

"Gnäd´ger Herre, was zu halten stand:
Kettr-Angermünd und das Stolper Land
Ist verloren und verdorben;
Der Markgraf hält es jetzt in Hand,
Und doch hieß es: er sei gestorben."

Da ließ der Herzog entbieten und holen
All seine Mannschaft, Pommern und Polen,
Nach Vierraden ritt man zu Tische;
Da setzten sie sich und hielten Rat
Und aßen süße Fische.

Der nun folgenden Strophe fehlen zwei Mittelzeilen, aber den drei verbleibenden entnehmen wir unschwer, daß man von Vierraden aufbrach und über den Vierradener Damm hin auf Angermünde zuritt.

Da ritten sie weiter, und, kaum heran,
Angermünde ward ihnen aufgetan,
Alle haben dem Herzog geschworen,
Und alle riefen: "Stettin, Stettin",
Und Brandenburg war verloren.

Aber draußen, hinter Wall und Graben,
Die Märkischen schon sich gesammelt haben,
Vierhundert Reiter und Knechte;
Die Gans von Putlitz führet sie,
Zischend, auf daß sie fechte.

Die Gans, der wollt es nicht behagen,
Sie streckte zornig ihren Kragen
Über die Pommern alle;
Da schwebte der märkische Adler hoch,
Und die Greifen kamen zu Falle.

Die Gans aber wuchs in Grimme noch,
Sie schlug mit den Flügeln ein Brescheloch,
Und da stand sie nun zwischen den Steinen,
Und als sie bis zum Markte kam,
Waren sie zehn gegen einen.

Da gingen die Schwerter die klinker die klang,
Herr Detleff Schwerin mit dem Putlitz rang
Und wollte den Preis erwerben;
Da mußte Herr Detleff von Schwerin
Für seinen Erbherrn sterben.

Das war des Herzogs schwerster Tag,
Als da Herr Detleff vor ihm lag,
Zerhackt, in Blut und Wunden,
Und er rief: "O hätt ich über den Damm
Erst wieder zurückgefunden!"

Er sprach es und ritt im Zuge vorn,
Er gab seinem Rosse Schlag und Sporn
Und suchte die Zügel zu fassen;
So kam er bis an das "Hohe Haus",
Da ward er eingelassen.

Das war zu Vierraden. Auf Schlosses Brück
Noch einmal sah er zurück, zurück,
Im Herzen voll Weh und Leide:
"Kettr-Angermünde, du vielgute Stadt,
Daß so ich von dir scheide!"

Der aber, der dies Lied euch sang,
Ein Schmiedeknecht ist er schon lang,
Und sie nennen ihn Köne Fincken;
Und er führt ein Hämmerchen auf der Hand
Und Gut-Bierchen mag er trinken.

So das Lied von der Eroberung von Ketzer-Angermünde, an das ich, eh ich zu einer Schlußbetrachtung über die Quitzows und ihr Recht oder Unrecht übergehe, noch einige literarische Bemerkungen knüpfen möchte.

Das deutsche Volkslied beziehungsweise die deutsche Volksballade gefeiert zu sehen ist seit den Tagen Herders und der Romantiker etwas Herkömmliches geworden, darüber aber, daß neben diesem allgemein Volksliedmäßigen auch noch eine historische, nach der dichterischen wie landesgeschichtlichen Seite hin gleich ausgezeichnete Volksballade geblüht hat, ist man hinweggegangen, entweder weil man die Tatsache nicht genügend gekannt oder sie sich nicht recht zum Bewußtsein gebracht hat. Und doch ist in niederdeutschen Landen (auf welche sich meine Bemerkungen ausschließlich beziehen) ein, um es zu wiederholen, speziell historischer Balladenschatz gezeitigt worden, der an Schönheit und Bedeutung hinter dem englisch-schottischen nicht zurückbleibt, ja ihn vielleicht in diesem und jenem übertrifft. Jede der von mir mitgeteilten Balladen kann als ein Beweis dafür gelten, und Dichtungen wie die vom "Kremmer Damm" und von "Ketzer-Angermünde" reichen an die Chevy-Jagd, die Schlacht bei Otterburn, den Aufstand in Northumberland und viele andere Percy- und Douglas-Balladen heran. Wer sich der Aufgabe unterzöge, das zu suchen und zu bearbeiten, was von etwa 1330 bis 1530 an derartigen historischen Volksepen und Volksballaden in Norddeutschland, ganz besonders aber in Westfalen, Friesland und Schleswig-Holstein gedichtet worden ist, würde der Literatur und landesgeschichtlichen Forschung einen gleich großen Dienst leisten und vielleicht imstande sein, manches davon (ähnlich wie sich das Nibelungenlied einzubürgern wußte) den Schmuck- und Lieblingsstücken unserer insonderheit der Schule dienenden Anthologien einzureihen.

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