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Das Steinkreuz von Greifenhain

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Das Steinkreuz von Greifenhain

In Greifenhain lebte einstmals die Jungfrau Maria. Sie war blond, groß, schlank, wohlproportioniert und Magd auf dem Gut des Poppo von Köckritz. Natürlich besaß sie viele Verehrer, die ihr verlangend nachstellten. Aber Maria nahm nur zwei ernst. Der eine war herrschaftlicher Vogt auf dem Greifenhainer Gut, bereits im gesetzten Alter, still und in sich gekehrt. Der andere, nur wenig älter als sie, Knecht im gleichen Gut, sprühend vom Temperament, stets zu Streichen aufgelegt. Die Mägde des Gutes und die Töchter des Bauern waren ihm gleichermaßen zugetan und versuchten beim Erntetanz und während der Fastennacht seine Aufmerksamkeit zu erringen. Maria wurde mit Balthasar einig, und beide baten den Herrn um Eheerlaubnis.
Den Vogt muss diese Entscheidung schwer getroffen haben. Aufmerksame Beobachter konnten feststellen, dass er Maria und Balthasar mit glühenden Blicken verfolgte und bei der Arbeitseinteilung bemüht war, ein Zusammentreffen beider unmöglich zu machen. Langsam reifte in seinem Kopf ein schlimmer Plan.
Im Winter, als der erste Schnee gefallen war, fuhr Balthasar immer mit dem Schlitten nach Drebkau, um Weihnachtsbesorgungen zu erledigen. Um den Weg im Schnee nicht zu verfehlen, steckte man lange Stangen mit Strohwischen dort auf, wo im Verborgenen Sumpflöcher Gefahr bargen. Es muss Mitte Dezember gewesen sein, als die Schneedecke geschlossen war. Im Gutshaus packte man Geschenke für das Drebkauer Schloss: rotbäckige Äpfel, Birnen, einen Gitterkorb mit schnatternden Gänsen, einen Schock Eier, Gebackenes und Gesottenes. Der Vogt befahl Balthasar, die Pferde vor den Schlitten zu spannen und loszufahren. Im Drebkauer Schloss musste er wie gewöhnlich warten und konnte den Rückweg erst antreten, als die Dämmerung bereits hereingebrochen war. Das einsetzende Schneetreiben erschwerte die Sicht. Als er vom Drebkau-Senftenberger Pfad nach Greifenhain abbog, etwa dort, wo heute der Weg das Fließ überquert, sackten die Pferde plötzlich ab, zogen den beladenen Schlitten mit sich in die Tiefe. Der Vogt hatte zuvor die Orientierungsstangen versetzt. Später prahlte er im Trunk mit seiner Tat, wurde vom herrschaftlichen Gericht hochnotpeinlich befragt und gestand in der Folter seine Tat. Er wurde gehenkt. Maria ließ von ihrem Hochzeitsgroschen das Sühnekreuz errichten. Vier Monate nach Balthasars Tod gebar sie ein Mädchen. Das uneheliche Kind starb nach einigen Wochen. Maria heiratete nie und starb vor ihrem 30. Geburtstag.

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