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Der faule See zu Potsdam

Informationen

Literaturangabe:

Grässe, Johann Georg Theodor
Sagenbuch des preußischen Staates, Glogau 1868

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Der faule See zu Potsdam

Der faule See zu Potsdam

In der alten Stadt Potsdam lag einst außerhalb der alten Stadt in der Mitte des jetzigen Wilhelmsplatzes (heute Platz der Einheit) ein tiefer, trüber Wasserpfuhl, der faule See genannt. In der Zeit, wo man noch auf Hexen und Zauberer fahndete, benutzte man ihn dazu, auf seiner Oberfläche bei angeblichen Hexen die sogenannte Wasserprobe anzuwenden. Man legte sie gebunden auf das Wasser, und wenn sie untersanken, galten sie für der Zauberei überführt, und man verdammte sie zum Feuertod. Die ganze Gegend um den Pfuhl bestand aber aus einem trügerischen, morastigen Boden, und oft sank während der Nacht eine scheinbar feste Stelle mit allem was darauf war ein. Nun trug es sich einmal zu, daß eine alte Frau zu Potsdam von einem Landstreicher, der ihr hatte Geld abschwindeln wollen und von ihr abgewiesen worden war, aus Rache von diesem beschuldigt wurde, sie habe ihm versprochen, ihn stichfest zu machen, wenn er ihr ein dreijähriges Kind bringen würde, dessen Zunge, Herz und Finger sie zu ihrem Zauber gebrauche. Trotz ihrer Beteuerungen, daß sie unschuldig sei, wurde ihr nicht geglaubt, sie wurde zur Wasserprobe verurteilt und von dem Henker nach der Wiese am faulen See geführt; er schnürte ihr Hände und Füße fest zusammen, und der Ketzerrichter forderte den anwesenden Ankläger der alten Frau auf, noch einmal seine Anklage zu wiederholen. Dieser trat auch bereitwillig auf eine etwas erhöhte Stelle in der Nähe des Sees und rief Gott zum Rächer auf, wenn er nicht die Wahrheit spräche, und siehe, plötzlich sank die Stelle, wo er stand, mit ihm in die Erde, und der schwarze Moorschlamm schlug über ihm zusammen. Das Volk aber schrie Wunder über Gottes weises Gericht, die alte Frau wurde losgebunden und freigesprochen und in feierlicher Prozession zur Kirche geführt, um dem Herrn zu danken. Später wurde dieser Pfuhl durch einen Kanal, der in ähnlicher Richtung wie der jetzt durch die Stadt fließende geführt war, mit der Havel verbunden; als sich aber Potsdam unter Friedrich Wilhelm bis an das Bassin erweiterte, ließ der König den faulen, die Luft verpestenden Sumpf ausfüllen und ihm seine jetzige Gestalt geben, was aber erst nach langer Arbeit gelang, denn der Morast schien unergründlich, und oft versank in einer Nacht, was an Steinen und Erde während mehrerer Monate aufgebaut worden war. Endlich kam das Werk aber doch zustande, allein noch jetzt senkt sich an manchen Stellen die Fläche des Platzes, der fast alljährlich neu geebnet werden muß.

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