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Der große Schäfer von Braunsberg

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Der große Schäfer von Braunsberg

Der große Schäfer von Braunsberg

Unter den langen Grenadieren Friedrich Wilhelms I. befand sich auch ein Schäfer aus Braunsberg, ein riesiger Gesell, der bei seinem mäßigen Sold ein Leben führte, wie es kaum einem Major möglich war. Jeden Abend sah er eine kleine Gesellschaft Kameraden bei sich, welche er mit Kuchen, Wein, Bier und Tabak bewirtete. Niemand wußte, woher ihm die Mittel zu diesem außergewöhnlichen Aufwand kamen. Der König, der gern dahintergekommen wäre, verfiel auf eine List. Er verkleidete sich als gemeinen Soldaten und versuchte, sich auf vertrauten Fuß mit dem Grenadier zu stellen. Der neue Kamerad gewann bald des Schäfers Herz und wurde wiederholt zu den Abendgesellschaften geladen. Als der König die Tonpfeife ablehnte und sich als Schnupfer auswies, wurde ihm die feinste Sorte Schnupftabak gereicht. Einmal blieb der König zurück, als die übrigen Kameraden sich entfernt hatten. Er drückte seine Verwunderung über den nie gesehenen Luxus eines gemeinen Soldaten aus und forschte nach der Quelle seiner Geldmittel. Der Schäfer erwiderte: "Wenn du mir Verschwiegenheit gelobst, so magst du mich morgen in der Mitternachtsstunde begleiten." Der König sagte zu, und zur bestimmten Zeit wanderten beide durch Potsdams stille Straßen. Vor dem Haus eines Kaufmanns stand der Schäfer still, blies in das Schloß, welches sofort aufsprang, und beide traten ein. Auf dieselbe Weise öffnete sich die Tür zum Laden und auch die Ladenkasse. Diese entleerte der Schäfer, teilte das Geld in drei Haufen und sagte: "Der eine Haufen gehört dem Kaufmann, denn er ist sein Betriebskapital; der zweite ist sein rechtmäßiger Gewinn; der dritte durch Betrug erworben, darum nehme ich ihn an mich."

Weitere Besuche zu machen, zeigte des Schäfers Begleiter keine Neigung; wohl aber wünschte er des Königs Schatzkammer zu sehen. Dazu wollte der Schäfer sich nicht verstehen und konnte schließlich nur durch das feierliche Versprechen, nichts anrühren zu wollen, zur Öffnung derselben vermocht werden. Beide traten auf dieselbe geheimnisvolle Weise in die wohlverwahrten Räume ein. Ungeheure Schätze waren hier aufgehäuft. Als Friedrich einige Goldstücke in die Hand nahm, erhielt er einen derben Stoß und wurde schleunigst mit dem Bedeuten hinausgeschoben, er solle nie wieder das gastliche Haus seines Führers betreten.

Am nächsten Morgen erschien ein königlicher Diener, welcher dem Schäfergrenadier den Befehl überbrachte, sofort zum König zu kommen. Wie erschrak der aber, als er in dem König seinen nächtlichen Begleiter erkannte! Dieser redete ihn freundlich an und sagte, daß er ihm für den Stoß aufrichtig danke, aber die Beraubung der Kaufleute ernstlich untersage; da er aber gewohnt sei, auf großem Fuß zu leben, so wolle er ihm von jetzt ab den Sold eines Offiziers bewilligen.

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