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Der Henkersknoten

Informationen

Literaturangabe:

Lohre, Heinrich
Märkische Sagen, Leipzig 1921

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Der Henkersknoten

Der Henkersknoten

In dem Haus Behrenstraße 69 wohnte zur Zeit Friedrich Wilhelms I. eine wohlhabende Witwe. Einst wurde sie am Morgen erdrosselt aufgefunden. Der Verdacht, den Mord begangen zu haben, lenkte sich auf den einzigen Sohn, einen leichtsinnigen Menschen, der am Tage zuvor, wie das Dienstmädchen aussagte, mit der Mutter in Streit geraten war, weil sie ihm kein Geld mehr geben wollte. Da er geäußert haben sollte, er wisse schon, wie er es bekommen würde, waren die Richter fest davon überzeugt, daß er und kein anderer der Schuldige sei. Als er nun auf der Folter die Tat schließlich zugab, verurteilte man ihn dazu, an demselben Strick gehängt zu werden, mit dem die Mutter erdrosselt worden war. Der Tag der Hinrichtung kam heran. Dem Jüngling wurde noch einmal das Urteil verlesen; dann sollte der Henker seines Amtes walten. Als der aber den Knoten im Strick bemerkte, trat er vor den Richter und sagte: "Dieser Jüngling kann nicht der Täter sein; denn niemand außer einem Scharfrichter vermag einen solchen Knoten zu schürzen!" Dabei sah er seine Knechte scharf an. Einer derselben erbleichte und gestand denn auch, die Tat begangen zu haben; die Magd, mit der er ein Verhältnis unterhielt, habe ihm verraten, daß ihre Frau viel Geld besitze und ihm Gelegenheit gegeben, die ruchlose Tat auszuführen. So wurde der Unschuldige noch im letzten Augenblick gerettet; die Bösewichter aber empfingen ihren Lohn.

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