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Der Panberg

Informationen

Literaturangabe:

Grässe, Johann Georg Theodor
Sagenbuch des preußischen Staates, Glogau 1868

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Der Panberg

Der Panberg

Die zweite Gemahlin des Großen Kurfürsten, Dorothea von Holstein-Sonderburg, hielt sich lieber zu Potsdam als in Berlin auf und verlebte den größten Teil des Jahres teils dort, teils auf den von ihrem Gemahl erbauten Lustschlössern zu Caputh, Fahrland, Klein-Glienicke und Bornim. Besonders gern hielt sie sich in dem Schloß von Bornim auf, dessen Garten vorzüglich von ihr gepflegt wurde. Sie erfreute sich aber mit ihrer Umgebung nicht bloß an der schönen Natur, sondern sie sann auch auf andere Unterhaltung, und dazu bot ihr nun namentlich der geheime Kammerdiener des Kurfürsten, der Alchimist Kunkel von Löwenstern, die Hand, der sich zuweilen von ihr bewegen ließ, seine Experimente ihrem Hof zu zeigen und manche Neckereien geheimnisvoller Art auszuüben. Unter anderem wußte er an schönen Abenden die dunkeln Gänge des weitläufigen Schloßgartens oft auf ganz wunderbare Weise zu beleuchten und ihnen ein ganz anderes zauberisches Ansehen zu geben. Auch sagte man, er könne Geister zitieren, und z. B. wurde erzählt, er habe einst in einer Vollmondnacht drei Hoffräulein die Wiesennixe sehen lassen, welche auf der von Erlen umgebenen Wiese wohnte, die jetzt einen Teil des Parks von Charlottenhof bildet. Man glaubte nämlich, wem es gelinge, diese einmal zu schauen, dem vergingen alle Sommersprossen und Male im Gesicht und sein Auge werde hell und klar. Zwar wollten die drei Fräulein niemals so recht mit der Sprache heraus über das, was sie gesehen, allein die übrigen Hofleute plagten doch den Goldmacher dermaßen, ihnen doch auch einmal ein solches Schauspiel zu zeigen, daß er es ihnen endlich zusagte und die ganze Gesellschaft am neunten Tage des Neumonds, eine halbe Stunde vor Mitternacht, wenn die Kurfürstin sich zurückgezogen habe, an das südliche Tor des Gartens bestellte.

Von dem, was an jenem Abend geschehen, hat ein Augenzeuge folgendes erzählt.

"Wir alle, Männer und Frauen, hatten jedes Metall ablegen müssen, auch durfte sich keine Seide an unserem Anzug befinden. Kunkel war in einen weiten schwarzen Mantel gehüllt und trug ein schwarzes eckiges Barett. Zuerst sonderte er die Gesellschaft in Abteilungen von dreien, deren Lebensalter jedesmal eine ungerade Zahl ausmachte. Diese, immer zwei Frauen und ein Mann oder umgekehrt, mußten sich anfassen und versprechen, sich nicht loszulassen und kein Wort zu reden. Dann sagte er, er wolle versuchen, uns die verzauberte Gräfin im Panberge zu zeigen. Das war uns sehr lieb, denn wir alle kannten die alte Sage von der eitlen Mutter, welche so verliebt in die Schönheit ihrer Tochter und besonders in deren lange blonde Haare war, daß sie darüber alle ihre Pflichten vergaß, nicht an Gott dachte und sich vermaß, nicht selig werden zu wollen, wenn ihr nur das schöngelockte Kind bleibe. Da ist sie denn in den Berg verwünscht worden, so lange, bis ein Mädchen mit noch schönerem blonden Haar sie erlösen würde, die dann alle ihre Schätze bekäme. Kunkel ging voran. Der Weg führte unter den hohen Buchen hin bis auf die Spitze des Panberges, da wo jetzt die drei Linden stehen und die schöne Aussicht ist. Unter den Bäumen war es sehr dunkel, nur einige Glühwürmer schwärmten über das Moos. Drei von ihnen setzten sich wie eine Agraffe auf Kunkels Barett. Als wir auf der hohen Kuppe angelangt waren, sahen wir, wie Kunkel einen Maulwurf unter dem Mantel hervorzog, den er auf die Erde setzte und dann gebückt wie suchend einige Zeit hin und her ging, bis dahin, wo der Maulwurf sich in die Erde eingrub, wie einige bemerkt haben wollen. Dann ordnete er uns schweigend zu einem Kreis, in dessen Mitte er sich niederkauerte. Nun sahen wir, wie er an den Glühwürmchen ein kleines blaues Flämmchen entzündete, dies in ein Loch in die Erde senkte und ein schwarzes Pulver in dasselbe streute. Sogleich entstand ein dichter weißer Dampf, der jedoch nicht in die Höhe stieg, sondern sich in einem einige Schritte weiten Kreis über die Erde ausbreitete und dann in die Tiefe einzudringen schien. Sowie er aber den Sand durchzog, verwandelte sich dieser in ein helles durchsichtiges Kristall, durch welches man immer tiefer in den Berg hineinsehen konnte. Auf diese Weise wurde nun nach und nach das ganze Innere des Berges sichtbar, und in der Mitte auf einem prächtigen Sessel, umgeben von vielen Kostbarkeiten, sah man regungslos eine Frau in reich verzierter altertümlicher Tracht sitzen, in ihren Armen ein zartes, liebreiches Mädchen haltend, dessen lange hellblonde Locken sie in der Hand hielt, als wäre sie beschäftigt, sie zu kämmen und zu ordnen. Nur wenige Augenblicke war uns dieser seltsame Anblick gewährt. Der Berg verdunkelte sich schnell auf ähnliche Weise wie er früher durchsichtig geworden von innen nach oben, und bald glänzten nur noch die drei Leuchtwürmer auf dem Barett Kunkels durch die finstere Nacht."

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