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Der Scharfrichter als Heilkünstler

Informationen

Literaturangabe:

Lohre, Heinrich
Märkische Sagen, Leipzig 1921

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Der Scharfrichter als Heilkünstler

Der Scharfrichter als Heilkünstler

Die Scharfrichter haben allezeit den Ärzten ins Handwerk gepfuscht; aber zur Zeit Joachims I. hat einmal der Scharfrichter von Berlin eine ganz absonderliche Kur angewandt. Da lagen einst am grünen Donnerstag drei Bettler vor der Klosterkirche der schwarzen Brüder gegenüber dem Schloß, taten gar jämmerlich, als hätten sie die Krämpfe, und lahm stellten sie sich auch. Meister Hans, der Scharfrichter, hatte aber die Leute genau angesehen und bemerkt, daß der Schaum vor ihrem Mund eitel Seifenschaum war. Da fragte er den Kurfürsten, ob er die drei wohl gesund machen dürfe. Als der´s nun erlaubte, zog er eine Knotenpeitsche unter dem Wams hervor und schlug so unbarmherzig auf die Krüppel los, daß eine Staubwolke aus ihren Kitteln aufstieg. Da haben dann die Krüppel schnell ihre Messer gezogen, aber nicht, um sich zu wehren, sondern um die Stricke zu zerschneiden, mit denen sie die Beine unter dem Leib zusammengebunden, sind aufgesprungen und schnell über die lange Brücke bis ans Georgentor gelaufen. Meister Hans aber hat ihnen bis dahin das Geleit gegeben und seine Knotenpeitsche die Musik dazu gepfiffen. Der Kurfürst war ein gar ernster Mann; aber diesmal hat er denn doch gelacht und den Meister Hans gelobt, der sich seitdem seines besonderen Wohlwollens zu erfreuen hatte.

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